Die anteriore Diskusdislokation des Kiefergelenks - Eine systematische Analyse und Bewertung verschiedener chirurgischer Therapiekonzepte zum Internal Derangement anhand internationaler Publikationen im Vergleich mit Ergebnissen der Universitätsklinik Marburg
Problemstellung und Zielsetzung: Die anteriore Diskusdislokation zählt zu den funktionellen Erkrankungen des Kiefergelenks und wird international auch unter dem Begriff des Internal Derangement (ID) subsumiert. Die Stellungnahmen zum Krankheitsbild des ID, speziell zur anterioren Diskusdislokation o...
Saved in:
Main Author: | |
---|---|
Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2013
|
Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
Tags: |
Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
|
Summary: | Problemstellung und Zielsetzung: Die anteriore Diskusdislokation zählt zu den funktionellen Erkrankungen des Kiefergelenks und wird international auch unter dem Begriff des Internal Derangement (ID) subsumiert. Die Stellungnahmen zum Krankheitsbild des ID, speziell zur anterioren Diskusdislokation ohne Reposition (ADDoR), sind in großen Teilen nicht einheitlich und oft sogar widersprüchlich. So bieten bereits die multi-kausale Ätiologie und die noch nicht eindeutig geklärte Pathogenese Grundlagen für kontroverse Diskussionen. Die zwei wesentlichen Hauptziele der vorliegenden Arbeit sind:
(1) Die Erhebung von Langzeitergebnissen bei Patienten mit einer WILKES-Klassifikation IV und V nach Diskektomie mit direkter Interposition eines gedoppelten Temporalisfaszienlappens unter Berücksichtigung funktioneller Parameter wie dem HELKIMO- und dem MFIQ-Index. Des Weiteren wird geprüft, ob es prognostische Faktoren wie den Schädigungs-grad des Gelenks oder das Vorhandensein eines myofaszialen Schmerz- und Dysfunktionssyndroms (MPDS) gibt, die Einfluss auf das funktionelle Outcome haben.
(2) Die systematische Analyse, der Vergleich und die Bewertung der internationalen Literatur zur (chirurgischen) Therapie der anterioren Diskusdislokation ohne Reposition.
Material und Methoden: Die vorliegende retrospektive Nachuntersuchung umfasst 28 Patienten, die im Zeitraum von Oktober 1996 bis September 2006 an der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Philipps-Universität Marburg operativ versorgt worden sind. Der durchschnittliche Follow-up-Zeitraum betrug zehn Jahre und drei Monate. Die klinische Befunderhebung umfasste folgende Parameter: VAS, maximale MÖ, MFIQ-Index, HELKIMO-Index, Gelenkgeräusche und subjektive Parameter wie z. B. die Beurteilung des Kauvermögens oder die Zufriedenheit mit der Operation. Bei der statistischen Datenauswertung kamen ausschließlich nicht parametrische Testverfahren zur Anwendung. Bei allen metrischen Variablen wurden die Vergleiche mittels Mann-Whitney-U-Test (Wilcoxon-Vorzeichenrangtest) und bei allen nominalen Variablen mittels Fishers exaktem Test (Chi-Quadrat-Test) durchgeführt. Als Signifikanzniveau wurde eine Irrtumswahrscheinlichkeit von α < 0,05 postuliert. Ergänzend wurden auch die 95 %-Konfidenzintervalle für die Funktionsparameter bestimmt. Zur Bewertung der internationalen Literatur wurde eine systematische Online-Recherche in der Datenbank PUBMED und ergänzend in der Datenbank der COCHRANE COLLABORATION durchgeführt. Die gefundenen Publikationen wurden anhand der Evidenzklassifizierung der „Agency for Health Care Policy and Research“ und eines internen Bewertungsschemas zur Validität der Literatur beurteilt.
Ergebnisse: Die Werte zu den Angaben der Schmerzintensität (VAS) verbesserten sich bezogen auf den Mittelwert von präoperativ 7,5 ± 2,4 um 5,6 ± 2,6 auf postoperativ 1,9 ± 2,4. Die maximale MÖ betrug vor der Operation im Mittel 24,8 ± 6,3 mm und verbesserte sich mit einer Zunahme von 12,8 ± 9,0 mm auf 37,6 ± 8,4 mm zum Nachuntersuchungszeitpunkt. Der MFIQ-Punktwert betrug präoperativ im Mittel 50,6 ± 11,5 und zeigte sich postoperativ mit 18,2 ± 16,3 im Mittel. Die Verbesserung betrug 32,4 ± 13,9 Punkte. Alle Veränderungen waren statistisch signifikant (Mann-Whitney-U-Test: p < 0,001). Die vergleichende Analyse der Teilkollektive bezüglich prognostischer Faktoren für ein erfolgreiches Outcome ergab bei den Parametern WILKES-Stadien, dem Vorhandensein eines MPDS sowie dem Einfluss der präoperativen Beschwerdedauer jeweils keine statistische Signifikanz.
Diskussion und Schlussfolgerung: Die Ergebnisse der Versorgung von Patienten mit einem gedoppelten Temporalisfaszienlappen nach Diskektomie hinsichtlich des funktionellen Outcomes sind im Vergleich mit den in der internationalen Literatur publizierten Resultaten als positiv zu bewerten. Das Verfahren liefert insbesondere gute Langzeitergebnisse. Die „ideale“ oder „einzig richtige“ Therapieempfehlung zur ADDoR kann basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit sowie der aktuellen Literaturrecherche jedoch nicht gegeben werden. Ebenso sind auf Grundlage der aktuellen Erhebungen keine Aussagen auf höherem Evidenzniveau möglich, die eindeutige prognostische Faktoren für ein erfolgreiches OP-Outcome erkennen lassen. Eindrucksvoll belegen jedoch die in der vorliegenden Arbeit vorgestellten Literaturdaten, dass die minimalinvasive Arthrozentese den konservativen Maßnahmen bezüglich der Schmerzreduktion sowie einer schnelleren funktionellen Verbesserung auf einem höheren Evidenzniveau (1b) überlegen ist. Es gilt hier, das Dogma, des primären konservativen Behandlungsansatzes aufzubrechen. Lysis und Lavage sollten früher Anwendung finden. |
---|---|
DOI: | 10.17192/z2013.0675 |