FTDP-17-typische frontale Verhaltensänderungen bei R406W-Tau transgenen Mäusen

Obwohl in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt wurden, um die Pathogenese der neurodegenerativen Erkrankungen, wie beispielsweise des Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und der Frontotemporalen Demenzen (FTD) zu verstehen, sind nach wie vor die meisten dieser Erkrankungen heute noch nich...

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Main Author: Lunow, Marlen
Contributors: Höglinger, Günter (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2012
Subjects:
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Description
Summary:Obwohl in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt wurden, um die Pathogenese der neurodegenerativen Erkrankungen, wie beispielsweise des Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson und der Frontotemporalen Demenzen (FTD) zu verstehen, sind nach wie vor die meisten dieser Erkrankungen heute noch nicht kausal therapierbar. Die steigende Anzahl der Krankheitsfälle bei der stetig alternden Bevölkerung stellt eine große Herausforderung für das Gesundheitssystem dar. Die FTD ist eine Form der fortschreitenden Degeneration von Hirnsubstanz, die vor allem den Frontal- und Temporallappen betrifft. Im Gegensatz zur Demenz vom Alzheimer-Typ stehen klinisch nicht die Beeinträchtigung von Gedächtnisfunktionen und der Orientierung im Vordergrund, sondern vielmehr eine progrediente Veränderung der Persönlichkeit, des Antriebs und des sozialen Verhaltens der Patienten. Bilder von Antriebssteigerung bis zu einer ausgeprägten Antriebslosigkeit können vorkommen. Dies führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung der sozialen Interaktionen. Die FTD gehört - nach der Demenz vom Alzheimer-Typ und der vaskulären Demenz - zu den häufigsten Formen der Demenz. Die meisten Fälle der FTD treten sporadisch auf, in 20-30% lässt sich eine familiäre Häufung nachweisen. Die meisten dieser familiären Formen sind durch Mutationen im Tau-Gen auf Chromosom 17q21 verursacht. Sie werden daher als Frontotemporale Demenz mit Parkinson assoziiert mit Chromosom 17 (FTDP-17) bezeichnet. Das Tau-Protein ist ein Phosphoprotein, das zur Familie der Mikrotubuli-assoziierten Proteine (MAP) gehört. Durch die Bindung an Tubulin ist Tau am Auf- und Abbau und bei der Stabilisierung der Mikrotubuli beteiligt. Eine weitere physiologische Funktion ist der Transport von Proteinen und Zellorganellen. Bei der FTDP-17 liegt Tau in einer abnormen, hyperphosphylierten und unlöslichen Form vor, akkumuliert im neuronalen Soma und verliert dadurch seine natürliche Funktion. Alle bestätigten Fälle von FTDP-17 die bis heute neuropathologisch untersucht wurden, weisen typischerweise filamentöse Aggregate auf, die aus hyperphosphoryliertem Tau-Protein bestehen. Die Entwicklung von Tiermodellen, insbesondere von Mausmodellen, hilft ein besseres Verständnis der Pathogenese und der Wirksamkeit neuer Therapieansätze zu gewinnen. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass die Forschung durch die Verwendung von Tiermodellen erheblich profitieren kann. Der Anstoß für diese Entwicklung wurde auf dem Gebiet der FTD vor allem durch die Identifikation von Mutationen des Tau-Gens bei familiären Fällen dieser Erkrankung gegeben. Dennoch bilden die in der Forschung verwendeten Mausmodelle oft nur wenige Aspekte der betreffenden Krankheiten ab, und können nicht die Gesamtheit der klinischen Auffälligkeiten reflektieren. Das zentrale Ziel dieser Arbeit war es daher zwei transgene Mausmodelle (hWT, humanes Wildtyp-Tau) und (RW, humanes Tau mit R406W-Mutation) im Vergleich zu einer nichttransgenen Kontrollgruppe (WT, Wildtyp-Tau) mit Hilfe einer Testbatterie, bestehend aus fünf unterschiedlichen Verhaltenstests (OFT, OWT, Rota-ROD, FST, SIT), auf FTDP-17-typische Verhaltensauffälligkeiten (Disinhibition, sozialer Rückzug, Gedächtnisdefizite, akinetischrigides Syndrom, Depression) zu untersuchen. Bei fast allen der von uns durchgeführten Verhaltenstests konnte eine erhöhte lokomotorische Aktivität der RW-Tiere nachgewiesen werden, die sich annähernd im gesamten Zeitverlauf der Untersuchungen beobachten ließ: die im OFT besseren Ergebnisse für alle untersuchten Parameter (Track-Länge, Geschwindigkeit und Aktivität, vermehrte Zentrumseintritte), die bessere Performance auf dem Rota-ROD, das geringere Floating und das vermehrte Swimming im FST sowie die erhöhte Anzahl der sozialen Kontakte im SIT (bei den Testdurchgängen I und II) der RW-Tiere im Vergleich zu den WT- und den hWT-Tieren legen eine Enthemmung (Disinhibition) der RW-Tiere nahe. Neben der frontalen Enthemmung mit einer erhöhten Anzahl der sozialen Kontakte der RW-Tiere in den ersten beiden Testdurchgängen zeigte sich im weiteren Alterungsverlauf eine signifikante Abnahme der Kontakte im Sinne einer sozialen Rückzugstendenz der RW-Tiere. Bezüglich des Affektes konnte mittels des FST weder bei den hWT-Tieren noch bei den RW-Tieren eine Depression nachgewiesen werden. Zu den fünf untersuchten Alterszeitpunkten konnten weder bei den RW-Tieren, noch für die hWT-Tiere mittels Rota-ROD, OFT oder FST motorische Defizite nachgewiesen werden, daher ist die Entwicklung eines akinetisch-rigiden Parkinson Syndroms nicht anzunehmen, es zeigten sich sogar deutlich bessere motorische Leistungen der RW-Tiere im Vergleich zu den beiden anderen Gruppen hWT- und WT-Tiere), die erstaunlicherweis eine Steigerung der motorischen Funktionalität oder eine psychomotorische Aktivierung der RW-Tiere nahe legen, die offensichtlich durch die Überexpression von humanem mutierten Tau-Protein verursacht wird und aus bislang ungeklärten Gründen in einem frühen Stadium des Krankheitsprozesses zu einer Verbesserung der motorischen Geschicklichkeit führt. Weiterhin konnten für beide transgenen Mausmodelle (RW und hWT) im OWT Gedächtnisdefizite ausgeschlossen werden, so dass angenommen werden kann, dass weder die Expression von (nicht-mutiertem) humanen Tau- Protein noch die Expression von Tau-Protein mit R406W-Mutation einen im OWT erfassbaren negativen Effekt auf die Gedächtnisleistung hat. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es in der vorliegenden Arbeit gelungen ist, FTDP-17-typische Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere eine frontale Enthemmung (Disinhibition), bei den untersuchten RW-transgenen Tieren nachzuweisen. Da sich diese Verhaltensauffälligkeit zuverlässig und quantifizierbar im RW-Mausmodell reproduzieren lässt, kann dieser Verhaltensparameter im OFT, FST und SIT z.B. in zukünftigen Therapiestudien als Effektivitätsmaß benutzt werden.
DOI:10.17192/z2012.0539