Cognitive Interpretations of Ambiguous Visual Stimuli

Unser Gehirn muss zu jeder Zeit relevante Signale von irrelevanten Informationen trennen. Dazu müssen diese als spezifische Einheiten erkannt und klassifiziert werden. Mehrdeutigkeit ist ein wesentlicher Aspekt dieses Verarbeitungsprozesses und kann durch verrauschte Eingangssignale und durch den Au...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Naber, Marnix
Beteiligte: Lachnit, Harald (Prof.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Englisch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2012
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Unser Gehirn muss zu jeder Zeit relevante Signale von irrelevanten Informationen trennen. Dazu müssen diese als spezifische Einheiten erkannt und klassifiziert werden. Mehrdeutigkeit ist ein wesentlicher Aspekt dieses Verarbeitungsprozesses und kann durch verrauschte Eingangssignale und durch den Aufbau unserer sensorischer Systeme entstehen. Beispielsweise können Reize mehrdeutig sein, wenn sie verrauscht oder unvollständig sind oder nur kurzzeitig wahrgenommen werden. Unter solchen Bedingungen werden Wahrnehmung und Klassifikation eines Reizes deutlich erschwert. Bereits vorhandene kognitive Repräsentationen werden somit möglicherweise nicht aktiviert. Folglich müssen Rückschlüsse über die Reize aufgrund von Kontext und Erfahrung gezogen werden. Ein und derselbe Reiz kann jedoch unterschiedlich repräsentiert und im sensorischen System kodiert werden. Da nur eine Repräsentation die Basis zukünftigen Handelns bilden kann, entsteht eine Art Konkurrenz innerhalb der Wahrnehmung. Derartige Wahrnehmungsphänomene, die mit der Mehrdeutigkeit von Reizen in Verbindung stehen, bilden den Mittelpunkt der vorliegenden Dissertation. Wenn einem physikalisch konstanten Reiz mehrere Interpretationen zugeordnet werden, entsteht ein Wechsel zwischen diesen Einordnungen, den man wahrnimmt und Rivalität ("rivalry") nennt. In dieser Dissertation werden diverse neue Erkenntnisse zu diesem grundlegenden Phänomen der sensorischen Verarbeitung beschrieben. So wird gezeigt, dass Übergänge zwischen drei wahrgenommenen Interpretationen – ein vergleichsweise selten untersuchtes Phänomen, da Rivalität meist mit zweideutigen Reizen untersucht wird – vorhersehbaren Mustern folgen (Kapitel 2). Darüber hinaus zeigt sich, dass derartige Übergänge spezifische Eigenschaften aufweisen, welche die Geschwindigkeit und die Richtung ihrer räumlichen Ausbreitung im visuellen Feld bestimmen (Kapitel 3). Diese Eigenschaften der Mehrdeutigkeit werden weiterhin stark von Aufmerksamkeit und anderen, introspektiven Prozessen beeinflusst. Um die der Rivalität in der Wahrnehmung tatsächlich zugrundeliegenden Prozesse und die damit verbundenen Änderungen des Bewusstseins von derartigen subjektiven Prozessen abzugrenzen, müssen letztere kontrolliert oder sogar vollständig umgangen werden. Ein objektives Maß der Rivalität in der Wahrnehmung wird zur Lösung dieser Aufgabe vorgeschlagen und bietet eine wertvolle Alternative zu introspektivem Berichten über den Wahrnehmungszustand (Kapitel 4). Übergänge in der Wahrnehmung entstehen entlang einer bestimmten Merkmalsdimension des Reizes, wie beispielsweise der Orientierung des berühmten Neckerwürfels. Zudem kann auch eine Änderung in der Merkmalsdimension der Luminanz eine unterschiedliche Interpretation des Reizes hervorrufen. Es wird gezeigt, dass die Pupille kleiner wird, wenn eine Interpretation mit hoher Luminanz die Wahrnehmung übernimmt, und umgekehrt, dass die Pupille größer wird, wenn eine Interpretation mit niedriger Luminanz die Wahrnehmung übernimmt. Folglich kann die Pupille als ein zuverlässiges und objektives Maß für Änderungen in der Wahrnehmung verwendet werden. Durch die Verwendung solcher objektiven Maße konnten neue Eigenschaften der Übergänge in der Wahrnehmung aufgezeigt werden, welche die Theorie unterstützen, dass Introspektion die der Verarbeitung mehrdeutiger Situationen zugrundeliegenden Prozesse merklich beeinflussen kann. Als Nächstes wurden mehrdeutiger Reize im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Objekten eingesetzt (Kapitel 5). Am Beispiel der Kippfigur des "bewegten Diamanten" wird dabei die Bedeutung von mehrdeutigen Reizen veranschaulicht. Beim bewegten Diamanten werden zwei Interpretationen wahrgenommen, die sich entlang der Dimension der Objektkohärenz abwechseln. Das bedeutet, dass die Wahrnehmung zwischen einem einzelnen zusammenhängenden Objekt (Diamant) und mehreren unzusammenhängenden Komponenten kippt. Es wird gezeigt, dass die Interpretation des Reizes als ein einziges kohärentes Objekt, verglichen mit der Interpretation als mehrere Komponenten, zu einer Erhöhung der visuellen Empfindlichkeit innerhalb des Objektes führt. Diese Ergebnisse sind ein Beleg dafür, wie die Aktivierung einer Interpretation eines Reizes als Einzelobjekt (im Vergleich zur Komponentenwahrnehmung) dazu führt, dass die Aufmerksamkeit top-down zu den relevanten Bereichen des Gesichtsfeldes gelenkt wird. Es wird weiter untersucht, welche Eigenschaften des Reizes zu einer bottom-up Aktivierung der Interpretation solcher Objekte beitragen (Kapitel 6). Die Mehrdeutigkeit von Objekten kann erfolgreich aufgehoben werden, indem man einen starken Kontrast in Luminanz oder Farbe zwischen dem Objekt und dem Hintergrund erzeugt. Auch die Größe und die Form haben einen großen Einfluss auf die Detektion und Identifikation von Objekten. Des Weiteren sind die Eigenschaften eines Objektes nicht nur bestimmend für die Erfolgsquote bei der Objekterkennung, sondern ebenso bedeutend für die Speicherung der Repräsentation im Gedächtnis, beispielsweise von neu wahrgenommenen Objekten. Das Klassifizieren von Objekten durch die Versuchsperson wird ebenfalls durch Mehrdeutigkeit beeinflusst. So kann ein Objekt der Versuchsperson einerseits als neu erscheinen, obwohl es bereits bekannt war, weil es beispielsweise der Versuchsperson schon einmal gezeigt worden ist. Andererseits kann auch ein eigentlich unbekanntes Objekt der Versuchsperson dennoch vertraut vorkommen. In dieser Arbeit wird gezeigt, dass solche subjektiven Effekte einen Einfluss auf die Pupillengröße haben (Kapitel 7). Außerdem verkleinert sich die Pupille der Versuchspersonen beim Betrachten neuer Bilder stärker als bei bekannten. Ein ähnlicher Effekt wird gefunden, wenn das Bild vorher erfolgreich im Gedächtnis gespeichert wurde. Daher ist es wahrscheinlich, dass die Pupille die Verfestigung von neuen Objekten im Gedächtnis widerspiegelt. Abschließend wird untersucht, ob sich kognitive Prozesse, wie Entscheidungsfindung – ein wichtiger Prozess, falls mehreren Optionen zur Verfügung stehen und Mehrdeutigkeit aufgehoben werden soll – auch in der Pupille widerspiegeln (Kapitel 8). Es wird zunächst bestätigt, dass die Pupillen sich erweitern, nachdem man eine Entscheidung getroffen hat. Neu wird gezeigt, dass diese Pupillenausdehnungen erfolgreich von anderen Personen erkannt und verwendet werden können, um ein interaktives Spiel gegen die erste Person (den "Gegner") zu gewinnen. Insgesamt wird in dieser Dissertation untersucht, wie mehrdeutige Reize die Wahrnehmung beeinflussen und wie Mehrdeutigkeit verwendet werden kann, um Prozesse des Gehirns zu studieren. Es hat sich gezeigt, dass Mehrdeutigkeit vorhersehbaren Mustern folgt, sie objektiv mit Reflexen gemessen werden kann, und Einblicke in neuronale Prozesse wie Aufmerksamkeit, Objektwahrnehmung und Entscheidungsmechanismen liefern kann. Diese Ergebnisse zeigen, dass Mehrdeutigkeit eine zentrale Eigenschaft sensorischer Systeme ist, und Lebewesen in die Lage versetzt, mit ihrer Umwelt flexibel zu interagieren. Mehrdeutigkeit macht das Verhalten vielfältiger, ermöglicht es dem Gehirn, mit der Welt auf verschiedenen Wegen zu interagieren, und ist die Basis der Dynamik von Wahrnehmung, Interpretation und Entscheidung.
DOI:10.17192/z2012.0097