Der Einfluss von Knochenzement auf die Thrombozytenkonzentration bei Hüftgelenkersatz

Polymethylmethacrylat (PMMA) ist in der orthopädischen Chirurgie weit verbreitet und weist seit Jahrzehnten gute Ergebnisse auf. Thrombozytopenien werden immer wieder im Zusammenhang mit Hüfttotalendoprothesen beschrieben (Hüft-TEP). In verschiedenen in vitro-Studien wird diskutiert, ob die Verwendu...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Baetz, Jelena
Beteiligte: Fuchs-Winkelmann, Sabine (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2011
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Polymethylmethacrylat (PMMA) ist in der orthopädischen Chirurgie weit verbreitet und weist seit Jahrzehnten gute Ergebnisse auf. Thrombozytopenien werden immer wieder im Zusammenhang mit Hüfttotalendoprothesen beschrieben (Hüft-TEP). In verschiedenen in vitro-Studien wird diskutiert, ob die Verwendung von Knochenzement ein möglicher Ursprung für toxische Stoffe sein könnte, die die Thrombozytenfunktion und das Überleben jener beeinflussen. Das Ziel dieser Arbeit ist, Patientendaten nach postoperativen Thrombozytopenien und der vorliegenden Fixationsart der Implantate zu analysieren und einen möglichen Zusammenhang aufzudecken. Trotz des erfolgreichen Einsatzes von PMMA kommt es doch immer wieder zu Nebeneffekten: intraoperative cardiovaskuläre Reaktionen wie Hypotension (Powell, McGrath et al. 1970), Arrhythmien (Schulitz, Koch et al. 1971) und plötzlicher Herztod (Powell, McGrath et al. 1970). Die Theorien bezüglich der Gründe für diese Komplikationen sind vielfältig. Ein postoperativer Abfall der Thrombozyten im peripheren Blut wird meist der Operation selbst oder aber dem niedermolekularen Heparin zugeschrieben, das postoperativ zur Vermeidung einer tiefen Beinvenenthrombose gegeben wird (Bading, Blank et al. 1994). Auch PMMA-haltiger Knochenzement steht in in vitro-Studien unter Verdacht, mit der Funktion und dem Überleben der Thrombozyten zu interferieren. Cenni et al. konnten einen signifikanten Abfall der Thrombozyten bei Verwendung einiger PMMA-haltiger Zemente nachweisen (Cenni, Granchi et al. 2002). Gebauer et al. (Gebauer 1984) hingegen konnten einen Anstieg verzeichnen. In dieser vorliegenden retrospektiven Studie wurden die Daten von 499 Patienten, die sich zwischen dem 01.07.2005 und dem 06.06.2007 einer Hüfttotalendoprothesen-Operation im Universitätsklinikum Marburg unterzogen, erhoben. Von diesen Patienten wurden 123 (24,6%) mit einer vollzementierten, 227 (45,5%) mit einer teilzementierten (Schaft zementiert, Pfanne zementfrei) und 149 (29,9%) mit einer zementfreien Prothese versorgt. Bei dem verwendeten Zement handelt es sich jeweils um Refobacin Palacos R+G von Heraeus Kulzer (Heraeus Kulzer, Wehrheim, Deutschland). Folgende Daten wurden aus den Krankenakten und dem krankenhausinternen Informationssystem ORBIS gewonnen: Geschlecht, Alter zum Zeitpunkt der Operation, Größe und Gewicht, BMI, Art der Fixation (vollzementiert, teilzementiert, zementfrei), Operationsindikation und Dauer der Operation. Des Weiteren wurden Blutentnahmen am Tag vor der Operation, am Abend des Operationstages, am ersten postoperativen Tag und am Entlassungstag bzw. um den 10. postoperativen Tag vorgenommen. Bestimmt wurden: Natrium, Kalium, Calcium, alkalische Phosphatase, Laktatdehydrogenase, Protein, Leukozyten, Erythrozyten, Hämoglobin, Hämatokrit, MCH, MCV, MCHC, Thrombozyten, CRP, PT, aPTT und Fibrin. Die postoperative Gabe von Fresh Frozen Plasma und die präoperative Antikoagulationsmedikation wurden ebenfalls erfasst. Die Nullhypothese dieser Studie ist, dass nach der Operation kein Unterschied in den Thrombozytenkonzentrationen zwischen den Gruppen, die mit bzw. ohne Zement versorgt wurden, besteht. Die Analyse des Kollektivs weist signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen vor allem im Bezug auf das Alter, auf: Patienten, die ohne Zement versorgt wurden, waren signifikant jünger als die Patienten, die mit einer voll- oder teilzementierten Prothese versorgt wurden. Ebenso waren die präoperativen Thrombozytenkonzentrationen in der zementfreien Gruppe signifikant höher. Eine Korrelationsanalyse von Alter und Thrombozytenkonzentration ergab einen signifikanten Zusammenhang (r= -0,103, p<0.027). Das bedeutet, dass die Thrombozytenkonzentrationen im Alter etwas niedriger sind als bei jüngeren Menschen. Am Abend des Operationstages konnten keine Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich des Abfalls der Thrombozytenkonzentrationen festgestellt werden. Mit Hilfe des t-Tests für unabhängige Variablen konnte zu keinem der Messzeitpunkte ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt werden. Patienten, die ohne Knochenzement versorgt wurden, wiesen im Mittel eine Thrombozytenkonzentration von 79,61% des Ausgangswertes (219.000/μl (± 63.500/μl)) und Patienten mit eine vollzementierten Prothese Werte von 76,05% (198.000/μl (± 61.700/μl)) auf. Diese Differenz der Thrombozytenkonzentrationen von etwa 3,5% war nicht signifikant (p=0,067 bei einem Signifikanzniveau von p= 0,05). Der Anteil der postoperativen Thrombozytopenien (<150.000/μl) war in der zementierten Gruppe etwas höher und betraf hauptsächlich Patienten, die bereits präoperativ relativ niedrige Werte aufwiesen. Die gemessenen Unterschiede waren jedoch nicht statistisch signifikant. Mit Hilfe der hier dargestellten Daten kann davon ausgegangen werden, dass PMMAhaltige Knochenzemente die Thrombozyten in keiner klinisch relevanten Dimension beeinflussen.
DOI:10.17192/z2011.0840