Lexikalische Fähigkeiten bilingualer Kinder mit Migrationshintergrund. Eine Studie zum Benennen von Nomen und Verben im Russischen und Deutschen.
Die vorliegende Arbeit untersucht die produktiven lexikalischen Fähigkeiten russisch-deutsch bilingualer Kinder mit Migrationshintergrund differenziert für Nomen und Verben. Das erste Hauptziel bestand in der Erfassung von typischen lexikalischen Erwerbsverläufen in beiden Sprachen dieser Population...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2011
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Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | Die vorliegende Arbeit untersucht die produktiven lexikalischen Fähigkeiten russisch-deutsch bilingualer Kinder mit Migrationshintergrund differenziert für Nomen und Verben. Das erste Hauptziel bestand in der Erfassung von typischen lexikalischen Erwerbsverläufen in beiden Sprachen dieser Population. Dieses Ziel ist durch die Tatsache motiviert, dass bisher keine Studien zur quantitativen lexikalischen Entwicklung russisch-deutsch bilingualer Kinder vorliegen, obwohl die Population der Menschen mit russischer Herkunftssprache auf den vordersten Plätzen unter den Migrantengruppen in Deutschland rangiert. Das zweite Hauptziel stellte die Spezifizierung der Einflussfaktoren auf die produktiven lexikalischen Fähigkeiten bilingualer Kinder dar. Durch die differenzierte Betrachtung der Wortarten Nomen und Verben wird insbesondere der Einfluss der semantisch-konzeptuellen Komplexität von Wörtern berücksichtigt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Rolle der Interaktion der Lexika. In der vorliegenden Dissertation wurde in einer Querschnittsstudie das Benennen von Nomen und Verben von 60 vier- bis sechsjährigen russisch-deutsch bilingualen Kindern mit Migrationshintergrund erfasst und sowohl zwischen den beiden Sprachen der bilingualen Kinder als auch mit russischen und deutschen monolingualen Kindern verglichen. Die Analysen erfolgten basierend auf Korrektheitswerten in den Einzelsprachen, dem konzeptuellen Vokabular der bilingualen Kinder und Fehlertypen. In den Entwicklungsmustern zeigten sich deutliche Effekte des Status einer Sprache: In der Umgebungssprache Deutsch wurde ein Ansteigen der lexikalischen Fähigkeiten mit zunehmendem Alter beobachtet. Die lexikalischen Fähigkeiten der bilingualen Kinder zu Schulbeginn entsprechen denen von einem Jahr jüngeren monolingualen Kindern. In der Herkunftssprache Russisch wuchsen die lexikalischen Fähigkeiten der bilingualen Kinder der Stichprobe schon ab einem Alter von vier Jahren nicht mehr an. Bereits in diesem Alter waren die lexikalischen Fähigkeiten im Russischen signifikant geringer als von monolingual russischen Kindern. Mit zunehmendem Alter wurde diese Diskrepanz größer. Nur wenn die Kinder durch ein bilinguales Bildungsprogramm im Russischen gefördert wurden (dies wurde für die sechsjährigen Kinder differenziert untersucht), wuchsen die Fähigkeiten in dieser Sprache weiter an. Der Vergleich zwischen den Sprachen der bilingualen Kinder zeigte, dass, gemessen an den Korrektheitswerten und am Sprachmischverhalten, das Deutsche bereits im Kindergartenalter zur dominanten Sprache wird. Die differenzierte Betrachtung der Wortarten ergab, dass das Nomenbenennen bei bilingualen Kindern stärker eingeschränkt ist als das Verbbenennen. Aus diesen Befunden lässt sich ableiten, dass die bilinguale Erwerbssituation nicht Probleme im Erwerb semantisch-konzeptuell komplexer Wörter verstärkt. Diese Schlussfolgerung wird durch die Beobachtung untermauert, dass bilinguale Kinder über mehr Verbkonzepte verfügen als monolinguale Kinder. In weiteren Analysen zeigte sich, dass nur das Nomenbenennen bilingualer Kinder stärker von der Frequenz beeinflusst ist als bei monolingualen Kindern und dieses auch deutlicher von der Menge des Sprachgebrauchs in den Einzelsprachen der bilingualen Kinder beeinflusst wird. Zusammengenommen, weisen diese Befunde auf eine erhöhte Frequenzsensitivität von Nomen unter bilingualen Erwerbsumständen hin, was auf die unterschiedliche Verteilung von Nomen und Verben im Input zurückgeführt wird. Eine positive Interaktion in den Benennmustern zwischen den Sprachen konnte nachgewiesen werden, wobei diskutiert wird, ob diese als ein Ausdruck von Transfer auf konzeptueller Ebene oder als faszilitierender Effekt auf den Wortabruf zu interpretieren ist. Da die gefundene Interaktion jedoch unabhängig von der Wortart war, kann sie als Ursache für die wortartenspezifisch ausgeprägten Unterschiede zwischen bi- und monolingualen Kindern ausgeschlossen werden. Aus den Befunden ergeben sich eine Vielzahl praktischer Implikationen für die Diagnostik und Förderung der lexikalischen Fähigkeiten bilingualer Kinder. Diese werden in den abschließenden Schlussfolgerungen zusammengefasst. |
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DOI: | 10.17192/z2011.0621 |