Strukturaufklärung Ribosomaler Komplexe mittels Kryo-EM Mechanismus der Translokationsreaktion ribosomal verankerte ncRNAs
Die am Ribosom erfolgende Proteinbiosynthese unterteilt sich in die vier Schritte Initiation, Elongation, Termination und Recycling. Die Elongationsphase als zyklisch ablaufender Vorgang beinhaltet die Anlieferung aminoacylierter tRNAs in die A-Stelle des Ribosoms, die Bildung einer neuen Peptid...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2011
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Summary: | Die am Ribosom erfolgende Proteinbiosynthese unterteilt sich in die vier
Schritte Initiation, Elongation, Termination und Recycling. Die Elongationsphase
als zyklisch ablaufender Vorgang beinhaltet die Anlieferung aminoacylierter
tRNAs in die A-Stelle des Ribosoms, die Bildung einer neuen
Peptidbindung und die Translokation der tRNAs im Komplex mit der
gebundenen mRNA. In Prokaryonten wird die Translokation vom Elongationsfaktor
G (EF-G) katalysiert, dessen Aktivität von der Hydrolyse des
Kofaktors GTP abhängt. Trotz der Vielzahl der in der Literatur beschriebenen
EF-G-Ribosomen-Komplexe und biochemischer Studien ist der genaue
Vorgang der Translokation noch unbekannt. Der Beitrag des Elongationsfaktors
G, der tRNAs und der verschiedenen Konformationen des Ribosoms
zur Translokation ist in molekularen Details noch nicht verstanden worden.
Im Rahmen dieser Arbeit sollte ein Beitrag zum Verständnis dieses Vorgangs
geleistet werden. Dazu wurde ein Komplex aus 70S Ribosomen von T. thermophilus
mit EF-G und GTP in Gegenwart von Fusidinsäure gebildet und
kryo-elektronenmikroskopisch untersucht. Fusidinsäure ermöglicht zwar
die für die Translokation benötigte GTP-Hydrolyse, verhindert aber Konformationsänderungen
im EF-G und so dessen Dissoziation vom Ribosom.
Der kryo-elektronenmikroskopisch gesammelte Datensatz konnte mithilfe
des multiparticle refinements in zwei bisher nicht gesehene Konformationen
des Ribosoms mit 7,8 °A Auflösung für die erste Subpopulation und 7,6 °A
Auflösung für die zweite Subpopulation aufgetrennt werden. Beide Subpopulationen
enthalten Elektronendichte für EF-G und eine tRNA, zeigen aber
signifikante Unterschiede in ihrer Konformation.
Die erste der beiden Subpopulationen zeigt eine Verdrehung (engl. ratcheting)
der 30S Untereinheit gegen die große Untereinheit um 7° mit einer
gleichzeitigen Drehbewegung des Kopfes (engl. swivelling) ungefähr senkrecht
zum ratcheting um 5° relativ zur Körper/Plattform-Region der kleinen
Untereinheit. Im Gegensatz dazu ist die 30S Untereinheit in der zweiten der
beiden Subpopulationen nur um 4° gegen die große Untereinheit verdreht,
der Kopf jedoch um 18° gegenüber der Körper/Plattform-Region gedreht.
Die hochaufgelösten Strukturen ermöglichten die Visualisierung von Sekundärstrukturen
und die Erzeugung molekularer Modelle mit dem neu
entwickelten Algorithmus MDFIT, einem flexiblen Einpassen (engl. docking)
von Kristallstrukturen unter Berücksichtigung molekularer Dynamiken.
Dabei zeigte sich, dass die Konformation der ersten Subpopulation vergleichbar
ist mit der in der Literatur beschriebenen Konformation des
PRE-Zustands und dass sich die tRNA in der hybriden Bindung zwischen
der P- und der E-Stelle befindet (P/E). Dies führt zu der Annahme, dass es
sich bei der ersten Subpopulation um ein pre-translokationales Intermediat
(TIPRE) handelt.
Die zweite Subpopulation zeigt das Ribosom und die tRNA dagegen in
einer neuen Konformation. Der Anticodon-Stem-Loop (ASL) der tRNA hat
sich im Vergleich mit dem TIPRE um 8 - 10 °A in Richtung der E-Stelle bewegt,
während gleichzeitig der Kontakt mit den P-Stellen-Komponenten
des Kopfes der kleinen Untereinheit aufrechterhalten wird, indem die tRNA
der starken Drehbewegung des Kopfes folgt. Diese gleichzeitige Interaktion
mit P-Stellen-Komponenten des Kopfes und E-Stellen-Komponenten
der Körper/Plattform-Region der kleinen Untereinheit kann als hybrides
Intermediat innerhalb der 30S Untereinheit angesehen werden. Gleichzeitig
bleibt der Kontakt mit der E-Stelle der 50S Untereinheit bestehen, so dass
die übliche Nomenklatur zur Bezeichnung der tRNA-Position innerhalb
des Ribosoms erweitert werden muss. Die neue hybride Bindung wird als
pe/E bezeichnet (P-Stelle auf dem Kopf und E-Stelle auf der Plattform der
30S Untereinheit/E-Stelle auf der 50S Untereinheit). Gemeinsam mit dem
gebundenen mRNA Codon kommt der ASL der Position einer komplett
translozierten tRNA sehr nahe und diese Konformation einer partiell translozierten
tRNA stellt ein post-translokationales Intermediat (TIPOST) auf
dem Weg zur vollständigen Translokation dar.
Im Gegensatz zu den verdrillten Konformationen der tRNA im TIPRE und
TIPOST unterscheidet sich die Grundstruktur des Elongationsfaktors G in
beiden Subpopulationen nur unwesentlich. Ein signifikanter Unterschied
zeigt sich allerdings in Domäne IV des Faktors, die im TIPOST in Kontakt
mit Helix 34 der 16S rRNA tritt. Dieser Kontakt wird ermöglicht, indem
EF-G seine Position im Vergleich zum TIPRE leicht verändert hat und Helix
34 der starken Drehbewegung des Kopfes gefolgt ist. Dadurch ändert Helix
34 seine Position um 12 °A und kann nicht mehr mit der Region 530 der
16S rRNA interagieren. Als Folge davon wird der mRNA-Eingangskanal
geöffnet und die Translokation des mRNA-tRNA2-Komplexes ermöglicht.
Bis jetzt wurden intermediäre Zustände der Untereinheiten-Rotation als
Intermediate auf dem Weg zur vollständigen Verdrehung betrachtet. Die
vorliegenden Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Bewegung der tRNAs und
letztendlich deren Translokation abhängig ist von einer Rückrotation der
Untereinheiten und der Drehbewegung des Kopfes der kleinen Untereinheit.
Dabei führt die schnelle GTP-Hydrolyse zu einer Destabilisierung
der maximalen Untereinheiten-Rotation, da direkte und indirekte Kontakte
der switchI-Region von EF-G mit der maximal rotierten 30S Untereinheit
beeinflusst werden könnten und eine Rückrotation erleichtern. Im Kontext
des Ribosoms, das als brown’sche molekulare Maschine beschrieben werden
kann, wirkt EF-G wie eine Sperrklinke, die die Rückrotation der 30S
Untereinheit von der Translokation entkoppelt und auf diese Weise die
Translokation über mehrere intermediäre Zustände der tRNAs zwischen
und innerhalb der Untereinheiten in die klassisch gebundenen Positionen
(P/P und E/E) fördert und dirigiert.
Die in den letzten Jahren vermehrt entdeckten ncRNAs erfüllen vielfältige
biologische Aufgaben und die Kenntnis ihrer dreidimensionalen Struktur
ist oftmals ein wichtiger Schritt zum Verständnis ihrer Funktionsweise. Da
die meist kleinen ncRNAs nur schlecht den klassischen Strukturanalyseverfahren
zugänglich sind, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine andere
Möglichkeit zur Aufklärung der Struktur gesucht. Die Verankerung kleiner
RNA-Moleküle auf größeren Molekülen mit bekannter Struktur ermöglicht
die Lokalisation der fixierten RNA. Die bei der Kryo-Elektronenmikroskopie
eingesetzte Schockgefrierung konserviert zudem die RNA in einem quasi
nativen Zustand und verhindert die Bildung von Artefakten, wie sie bei der
Kristallbildung für die Röntgenkristallographie auftreten können.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden verschiedene ncRNAs (RNase P RNA von
E. coli, B. subtilis und T. thermophilus, die 6S RNA von A. aeolicus und das
Ribozym GIR1 von D. iridis) in unterschiedliche Helices (9, 25, 45 und 98)
der 23S rRNA von E. coli insertiert, um die Struktur der jeweiligen ncRNA
mittels Kryo-Elektronenmikroskopie zu analysieren. Das 70S Ribosom von
E. coli, dessen Struktur weitgehend bekannt ist, wurde dabei als Plattform
benutzt. Die Expression mutierter Ribosomen erfolgte in einem hitzeinduzierbarem
System mittels Temperaturwechsel auf 42° C in unterschiedlichen
E. coli-Stämmen. Die gleichzeitige Expression nativer und mutierter 23S
rRNA in diesem hitzeinduzierbaren System erforderte die Abtrennung der
mutierten von den nativen Ribosomen. Dies war über den in Helix 98 der
mutierten 23S rRNA insertierten MS2 tag möglich.
Der über eine RT-PCR geführte Nachweis mutierter Ribosomen verlief im
Fall der ncRNAs meist negativ, während sich der MS2 tag schon in cr70S,
die eine Mischung nativer und mutierter Ribosomen darstellten, nachweisen
ließ. So trugen aufgereinigte Ribosomen zu 100% den MS2 tag in Helix 98,
während die zusätzlich insertierte ncRNA kaum oder gar nicht nachweisbar
war.
Ein deutlicher RT-PCR-Nachweis mutierter Ribosomen, die sowohl den
MS2 tag als auch eine ncRNA trugen, gelang nur im Fall der Insertion des
Ribozyms GIR1 in Helix 9. Die Induktion durfte allerdings nur über einen
Zeitraum von 30 min erfolgen und führte zu einer 10 - 20%igen Expression
mutierter 23S rRNA. Die Aufreinigung der cr70S über den MS2 tag in Helix
98 ergab Ribosomen, die zu 100% diesen tag in Helix 98 trugen, aber nur
zu 30% das Ribozym GIR1 in Helix 9. Die zusätzliche Insertion in Helix 9,
die eventuell die Funktion des Ribosoms beeinträchtigt, wurde durch bisher
nicht verstandene Mechanismen auf zellulärer Ebene aus dem Ribosom
entfernt.
Die kryo-elektronenmikroskopische Analyse der über den MS2 tag aufgereinigten
Ribosomen ergab, dass bei etwa 45% der Partikel zusätzliche
Elektronendichten sowohl in Helix 9 als auch Helix 98 vorhanden waren. Die
Auflösung der erhaltenen Volumenrekonstruktion ist mit 18,4 °A allerdings
viel zu niedrig, um eine präzise Interpretation der Struktur des Ribozyms
vorzunehmen. Die Voraussetzungen für die Erstellung einer hochauflösenden
Struktur, die im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr realisiert werden
konnte, sind allerdings erfüllt. |
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DOI: | 10.17192/z2011.0065 |