Krankheit und ärztliche Tätigkeit im Dreißigjährigen Krieg. Landgraf Philipp III. von Hessen-Butzbach und sein Leibarzt und Reisebegleiter Dr. Georg Faber.

Die Betrachtung der Kindheit Landgraf Philipps III. (1581-1643) leitet in der vorliegenden medizinhistorischen Dissertation die medizinische Biographie des Butzbacher Regenten ein. Ausgewählte Inhalte der Erziehung und Ausbildung des jungen Landgrafen sowie der späteren Lebensweise des Regenten werd...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Laubinger, Olav
Beteiligte: Aumüller, G. (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2010
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Betrachtung der Kindheit Landgraf Philipps III. (1581-1643) leitet in der vorliegenden medizinhistorischen Dissertation die medizinische Biographie des Butzbacher Regenten ein. Ausgewählte Inhalte der Erziehung und Ausbildung des jungen Landgrafen sowie der späteren Lebensweise des Regenten werden unter den Aspekten der zeitgenössischen Lehre von der Diätetik dargestellt. Das herausragende Interesse des Landgrafen von Hessen-Butzbach für die Wissenschaften spiegelt sich in seinen langjährigen Kontakten zu bedeutenden Astronomen und Mathematikern wider. Anhand des außermedizinischen Engagements des umfassend gebildeten Leibarztes Daniel Mögling kann aufgezeigt werden, daß der Beschäftigungsbereich dieser Berufgruppe am Butzbacher Hof, wie auch an anderen hessischen Höfen, weit über die reine Krankenversorgung hinausging. Dieses Kapitel leitet über zur Person des vielseitig begabten Arztes Georg Faber (um 1575-nach 1632), dessen Tätigkeit als Übersetzer medizinischer Traktate, als Badearzt und Reisetagebuch-Verfasser für Landgraf Philipp ebenfalls breit gefächert war. Während seines beruflichen Werdegangs übersetzte Faber eine Sammlung medizinischer Traktate von Johann Hayne sowie einen Diskurs über das Einhorn von Laurent Catelan ins Deutsche. Beide Werke werden in ihrem medizin- und kulturhistorischen Kontext dargestellt. In den 1620er Jahren unterhielt Georg Faber freundschaftliche Beziehungen zu zwei herausragenden Ärzten seiner Zeit, dem Gießener Medizinprofessor Gregor Horst aus Torgau und dem weitberühmten Chirurgen Wilhelm Fabry aus Hilden, genannt Guilhelmus Fabricius Hildanus. Die erstmals auf medizinhistorische Inhalte hin untersuchte mehrjährige Korrespondenz zwischen Hildanus und Faber bietet eine Fülle aufschlußreicher Aspekte ärztlichen Krankheitsverständnisses, medizinischer Kommunikation und Professionalisierung sowie Einblicke in die chirurgische Tätigkeit in der ersten Hälfte der 17. Jahrhunderts. Ferner findet Fabers Stellungnahme in einem hochinteressanten Gutachten zu einer wunderlichen Erkrankung Landgraf Philipps Beachtung. Hierin entkräftet der Leibarzt nach Auswertung der Literatur den kursierenden magischen Deutungsansatz mt rationaler Vehemenz. Die Reisen Landgraf Philipps im Jahre 1632 bedeuteten für Georg Faber die Erweiterung des ärztlich-wissenschaftlichen Tätigkeitsspektrums um künstlerisch-journalistische Aufträge. Die Interpretation des Faberschen Reisetagebuchs zur landgräflichen Hochzeitsreise nach Ostfriesland umfaßt sowohl die Wahrnehmung und Wiedergabe von landschaftlichen Impressionen, der belebten Natur sowie des urbanen Raums und seiner Bauwerke als auch die äußeren Umstände und Bedingungen für ein Unterwegssein im 17. Jahrhundert sowie den Einfluß des 30-jährigen Krieges auf das landgräfliche Reiseverhalten. Ferner wird der formale Aufzeichnungsmodus dieses Dokuments mit den Schreibkalendern und Kavaliersreise-Itineraren der Darmstädter Landgrafenfamilie, der Relation eines Darmstädter Gesandten sowie mit zeitgenössischen Hochzeitsberichten aus Hessen verglichen. Die dem Reisetagebuch zugehörigen 48 Federzeichungen Fabers machen das vorliegende Dokument schließlich zu einer Rarität im Kontext innerdeutscher Adelsreise-Beschreibungen der frühen Neuzeit. Die Zeichnungen werden unter dem Aspekt ihrer sozial- und alltagsgeschichtlichen Bedeutungsebenen hin untersucht und in Beziehung zu den Illustrationen des sich zur selben Zeit am Butzbacher Hof aufhaltenden Malergesellens Valentin Wagner gesetzt. Das zweite von Georg Faber erhaltene Reisedokument ist ein Tagebuch über eine Badefahrt Landgraf Philipps nach dem hessischen Badehaus in Ems. Diesem Bericht kann ein bislang wenig beachtetes und hiermit erstmals vollständig transkribiertes Reisetagebuch zu einer zweiten Kur des Regenten ins hessische Bad 1637 gegenübergestellt werden. Durch eine ähnlich strukturierte Auswertung der beiden zeitlich kurz aufeinander folgenden Kurreisen sowie unter Einbeziehung frühneuzeitlicher Bäderschriften lassen sich direkte Vergleiche zu balneologischen Themen wie der Indikation für den Badgebrauch und der Praxis der Kuranwendung ziehen. Im letzten Kapitel wird die medizinische Biographie des Butzbacher Landgrafen fortgeführt. Eine bisher nicht bearbeitete Sammlung handschriftlicher Consilia medica (1642) umfaßt verschiedene ärztliche Gutachten und Verordnungen anläßlich der fortschreitenden Schlaganfall-Symptomatik des 61-jährigen Regenten, welche mithilfe zeitgenössischer Arzneibücher auf ihre pharmazeutischen, diätetischen und balneotherapeutischen Inhalte hin untersucht werden. Zuletzt kann gezeigt werden, daß der Arzt, welcher nach dem tödlichen Unfall Landgraf Philipps bei der von ihm verordneten Branntwein-Schweißkur von einer Untersuchungskommission brüskiert wurde, als kaiserlicher Historiograph die Geschichtsschreibung mißbrauchte, um seinen geschädigten Ruf als Mediziner wieder herzustellen.
DOI:10.17192/z2010.0718