Modellierung von Metalloenzymen: 3D-QSAR-Untersuchungen an Carboanhydrase-Isoenzymen und virtuelles Screening nach Peptiddeformylase-Inhibitoren
In der modernen Arzneistoffentwicklung unterscheidet man die Phasen der Leitstrukturfindung und der Leitstrukturoptimierung. Die vorliegende Dissertationsschrift beinhaltet Beiträge zu beiden Bereichen. Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der Entwicklung und Evaluierung von Computermodelle...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2007
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Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
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Summary: | In der modernen Arzneistoffentwicklung unterscheidet man die Phasen der Leitstrukturfindung und der Leitstrukturoptimierung. Die vorliegende Dissertationsschrift beinhaltet Beiträge zu beiden Bereichen.
Der erste Teil der Arbeit befasst sich mit der Entwicklung und Evaluierung von Computermodellen zur Vorhersage von Affinität und Selektivität und entstammt daher dem Bereich der Leitstrukturoptimierung. Selektivitätsaspekte spielen eine wichtige Rolle, da sie das Risiko von Nebenwirkungen maßgeblich beeinflussen. Zur Modellierung und Vorhersage von Affinitäts- und Selektivitätsparametern wurden QSAR-Methoden angewendet. Das Modellsystem stellten Carboanhydrasen (CAs) dar; diese zinkhaltigen Hydrolasen katalysieren die reversible Hydratisierung von Kohlendioxid zu Bicarbonat und einem Proton. Sie sind daher in eine Vielzahl (patho)physiologischer Prozesse involviert und stellen interessante therapeutische Targets dar. Die zahlreichen Isoenzyme der CAs besitzen im Bereich der Bindetasche hohe Ähnlichkeiten in Bezug auf physikochemische Eigenschaften, so dass die Entwicklung selektiver Inhibitoren kein triviales Problem darstellt.
Im Mittelpunkt der Untersuchungen standen insbesondere 3D-QSAR-Verfahren. Es wurden statistisch hochsignifikante und robuste Modelle abgeleitet, um Affinität und Selektivität von Sulfonamidinhibitoren bezüglich der Isoenzyme CA I, II und IV vorherzusagen. Es zeigte sich, dass die geringen Unterschiede im strukturbasierten Alignment unter Verwendung der drei Bindetaschen nur geringen Einfluss auf die statistischen Parameter besitzen und dass bessere Ergebnisse erzielt werden, wenn für alle Isoenzyme das auf CA II basierende Alignment benutzt wird anstelle des Alignments in der jeweiligen Bindetasche. Ursache hierfür ist wahrscheinlich die Vielzahl an Kristallstrukturen, die für CA II existieren und damit das Alignment verlässlicher machen. Die erhaltenen Isokonturkarten erlaubten eine Interpretation der Modelle im Hinblick auf die Bedeutung physikochemischer Eigenschaften für die Affinität/Selektivität. Der Vergleich zu qualitativen proteinbasierten Isokonturkarten unterstreicht den komplementären Charakter beider Methoden: Während die ligandbasierten QSAR-Verfahren implizit teilweise die Struktur der Bindetasche widerspiegeln, aber auch von den Eigenheiten des Trainingsdatensatzes abhängen, vermögen die proteinbasierten Analysen auch Informationen über Bereiche der Bindetasche zu geben, die keine Interaktionen mit Liganden des Trainingsdatensatzes ausbilden.
Ein weiteres Ziel bestand darin, QSAR-Methoden für das Screening größerer Datenbanken zu verwenden. Dies erlaubt die Identifizierung besonders interessanter (d.h. affiner/selektiver) Kandidaten zur Synthese im Sinne einer Leitstrukturoptimierung. Für 3D-QSAR-Methoden musste zunächst ein Protokoll zur Automatisierung des Alignments entwickelt und validiert werden. Es zeigte sich hierbei, dass ein ligandbasiertes Alignment vergleichbare Ergebnisse zu manuellen stukturbasierten Alignmentmethoden erzielt. Die 3D-Modelle erwiesen sich als überlegen im Vergleich zu fragmentbasierten 2D-Methoden oder insbesondere zu den eigenschaftsbasierten 1D-Methoden. Als praktisches Anwendungsbeispiel der entwickelten Modelle wurde eine mehrere tausend Einträge umfassende virtuelle Ligandbibliothek aufgebaut und mit den leistungsfähigsten Modellen bewertet.
Der zweite Teil der Arbeit beinhaltet ein virtuelles Screening nach neuartigen Inhibitoren der Peptiddeformylasen (PDFs) und gehört somit in den Bereich der Leitstrukturfindung. PDFs sind (meist) eisenhaltige Enzyme, die die Deformylierung von in Mitochondrien, Plastiden oder Bakterien synthetisierten Proteinen katalysieren. Ausgehend von Kristallstrukturen potenter PDF-Inhibitoren wurden 3D-Pharmakophormodelle entwickelt und validiert. Diese waren in der Lage, strukturell diverse, aus der Literatur bekannte Inhibitoren zu identifizieren (hinreichende Sensitivität) und gleichzeitig die zu durchsuchenden Datenbanken stark zu reduzieren (hinreichende Spezifität).
Die Pharmakophormodelle wurden zum Screening von Datenbanken kommerziell erhältlicher Moleküle mit wirkstoffartigen Eigenschaften benutzt. Durch Docking und Scoring wurden schließlich aus etwa zwei Millionen Verbindungen elf Substanzen identifiziert und erworben, die einer biologischen Testung
unterzogen werden sollen. Erste vorliegende Messergebnisse zeigen, dass mindestens zwei der Substanzen mit einem IC50-Wert von 60 nM bzw. 190 nM potente Inhibitoren der PDF1B aus E. coli sind. Dies belegt die Güte der Modelle und des angewendeten Screening-Protokolls.
Inhibitoren der PDF könnten Anwendung als Herbizide, Antibiotika und Antimalaria-Therapeutika finden. |
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Physical Description: | 198 Pages |
DOI: | 10.17192/z2008.0120 |