Retrospektive Analyse zum onkologischen Patientengut (1992 – 2001) der Hals-, Nasen-, Ohrenklinik im Kenyatta National Hospital, Nairobi, Kenia

Das Kenyatta National Hospital (KNH) ist das Gesundheitszentrum, zu dem die Kenianer und teilweise auch Kranke aus den benachbarten Ländern kommen, wenn den Ärzten in den so genannten District Hospitals die Möglichkeiten zur weiteren Diagnostik und Behandlung fehlen. Es gibt es enorme Probleme, die...

Full description

Saved in:
Bibliographic Details
Main Author: Springorum, Hans-Robert
Contributors: Werner, Jochen A. (Professor Dr. med.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2005
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
Tags: Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
Description
Summary:Das Kenyatta National Hospital (KNH) ist das Gesundheitszentrum, zu dem die Kenianer und teilweise auch Kranke aus den benachbarten Ländern kommen, wenn den Ärzten in den so genannten District Hospitals die Möglichkeiten zur weiteren Diagnostik und Behandlung fehlen. Es gibt es enorme Probleme, die so große Anzahl von Patienten zu versorgen. Das liegt zum einen an organisatorischen Defiziten, zum anderen an mangelnden Personal-, Material- und Platzressourcen. Nicht selten sterben Patienten allerdings, bevor sie von einem Arzt aufgenommen werden können. Dies gilt auch für Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung. Ziel der vorliegenden Dissertation war eine erstmalige Datenerhebung zum onkologischen Patientengut der Abteilung für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde am KNH Nairobi, vorgenommen im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Marburger Univ.-HNO-Klinik. In diesem Rahmen sollte zudem die Infrastruktur der HNO-Abteilung hinterfragt werden, die über 40 Betten verfügt und im KNH der Chirurgischen Klinik unterstellt ist. Für die vorliegende Arbeit wurden 443 Akten von Patienten mit malignen Tumorerkrankungen im HNO-Bereich aus den Jahren von 1992–2001 erfasst und die erhobenen Daten anhand eines eigens entworfenen Fragebogens verschlüsselt und ausgewertet. In dem untersuchten Patientengut waren 75,6 % Männer. Der Altersdurchschnitt aller Patienten lag bei 48 Jahren (Standardabweichung ± 18,4 Jahre). Die malignen Tumoren waren wie folgt lokalisiert: 44,7 % im Epipharynx, 25,1 % im Larynx, 7,5 % im Hypopharynx, 5,6 % im Oropharynx und 5,4 % im Ösophagus. Insgesamt 11,7 % der 443 Patienten waren an einem an anderer Stelle lokalisierten Malignom erkrankt. Zur TNM-Klassifikation ist anzumerken, dass die Erstdiagnose in 75 % der Fälle im fortgeschrittenen Stadium (T3 und T4) gestellt wurde. In 23,9 % der Fälle wurde die Tumorgröße mit T1 und T2 angegeben. Die Symptome bestanden im Mittel schon 26 Wochen vor dem ersten Arztbesuch. Die bis zur Diagnosestellung benötigte Zeit lag im KNH im Median bei 13 Tagen. Die maligne Tumorerkrankung wurde in 81,9 % der Fälle durch Biopsie und histopathologische Begutachtung verifiziert. In 11,1 % der Fälle wurde die Diagnose nur durch Inspektion und Palpation gestellt und in 3,8 % anhand spezieller Bildgebung. Die histopathologische Begutachtung wurde im einzigen öffentlichen Pathologischen Institut Kenias im KNH vorgenommen. 53 % der Patienten mit Biopsieergebnis wiesen ein Plattenepithelkarzinom auf, 39,5 % ein lymphoepitheliales Karzinom. Ein hoher Anteil von 27,1 % der 443 onkologischen Patienten wurde ohne Therapie wieder entlassen. Der häufigste Grund hierfür waren die finanziellen Nöte der Patienten. Der Staat übernahm die Kosten für die Behandlung erst nach erwiesener Zahlungsunfähigkeit der gesamten Großfamilie, ein Nachweis, die teilweise außerordentlich schwierig zu stellen ist. Um Kosten zu sparen, wurde die Versorgung der Patienten mit Lebensmitteln und frischer Wäsche meist von den Angehörigen übernommen. Von den verbleibenden 323 Patienten wurden 79,9 % einer Strahlentherapie zugeführt, 11,1 % wurden operiert, 4,6 % der Patienten erhielten eine Chemotherapie und bei 4,4 % der Patienten wurde eine kombinierte Radiochemotherapie vorgenommen. Nachsorgeuntersuchungen wurden im KNH wegen fehlender Kapazitäten, hoher Kosten für die Patienten und organisatorischer Probleme in nur 54,8 % der therapierten Fälle durchgeführt. Die mit der vorliegenden Arbeit erstmals vorgenommene Datenerfassung zum onkologischen Patientengut der HNO-Abteilung am KNH in Nairobi kann dazu beitragen, die gemeinsam mit der Marburger Universitäts-HNO-Klinik angestrebte weitere, auch interdisziplinär vorzunehmende Optimierung im Diagnostik- und Behandlungsablauf voranzutreiben. Während finanzielle Probleme auf diesem Wege kaum nachhaltig verbessert werden können, sind es zunächst organisatorische Abläufe, die es tiefergehend zu hinterfragen gilt. Eine Fortsetzung der Erfassung statistischer Daten ermöglicht zudem die erstmalige Erstellung prognostisch relevanter Überlebenskurven.
DOI:10.17192/z2005.0359