Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen 'Der Proceß' und 'Das Schloß'

Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceߒ und ‚Das Schloߒ Die Arbeit behandelt das Verhältnis von Herrschaft und Sexualität. Kafka entwirft innerhalb der Kälte und Ausweglosigkeit seiner fiktionalen Welt ein psychisch realistisches Bild seiner Figuren. Die K.s, Josef K. im „...

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Main Author: Leich, Karin
Contributors: Glück, Alfons Prof. Dr. (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2003
Subjects:
Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceߒ und ‚Das Schloߒ Die Arbeit behandelt das Verhältnis von Herrschaft und Sexualität. Kafka entwirft innerhalb der Kälte und Ausweglosigkeit seiner fiktionalen Welt ein psychisch realistisches Bild seiner Figuren. Die K.s, Josef K. im „Proceߓ und K. im „Schloߓ gehen an der aufgezwungenen und der selbst gewählten Auseinandersetzung mit den bürokratisch arbeitenden übergeordneten Behörden zugrunde. Die Darstellung der Bürokratie erscheint im Werk als äußere Herrschaft, der innere Unfreiheit und Selbstunterdrückung entsprechen. Kafka erschafft ein Zusammenspiel dieser äußeren und inneren Herrschaftsmomente, durch die das Selbst seiner Hauptfiguren untergeht. Kafka zeigt Bewußtsein und Außenwelt der Figuren in einem dialektischen Verhältnis. Dieses drückt sich in der Selbstablehnung und akzeptierten Schuld Josef K.s im „Proceߓ und in der Suche nach Identität und Selbstbehauptung K.s im Verhältnis zur Behörde im „Schloߓ aus. Kafkas bürokratische Apparate zeigen die Tendenz, die Gesellschaft zu unterminieren und völlig zu beherrschen. Dies geschieht, ohne direkte Gewalt auszuüben. So sind sie einerseits jenseits von Legitimität und Vernunft, andererseits gerade dadurch jeder Kontrolle enthoben. In der Arbeitsweise der bürokratischen Systeme erscheinen totalitäre Herrschaftsformen, die in den Leistungsstrukturen, dem Expansionsdrang und dem Konkurrenzstreben der bürgerlichen Gesellschaft angelegt sind. Das Individuum paßt sich in seiner psychischen und geistigen Ausrichtung an das bestehende Allgemeine an, um zu überleben. Das individuelle Verhalten gegenüber der Bürokratie reicht von devoter Anbiederung und hingebungsvoller Gläubigkeit bis zu emotionaler Auflehnung und entschiedenem Widerstand. Schon die innere Abkehr von der Macht zeigt sich als schwer zu vollziehende Aufgabe, da sie Verständnislosigkeit und Ausgrenzung und daraus resultierend unaufhebbare Einsamkeit mit sich bringt. In der Sexualität erscheint die Spaltung des Ich in ersehnte Bedürfnisbefriedigung und in die gleichzeitige Angst davor. Gesellschaftliche Zurichtung und eigene Bedürfnisse treffen aufeinander. In den Beziehungsgeflechten der Hauptfiguren und der Frauenfiguren zeigt Kafka die Fragilität und Beschädigung des Ich. Den regressiven Aspekten der Sexualität, Abhängigkeit, gegenseitige Benutzung und Treulosigkeit stehen progressive Momente gegenüber. Die Figuren finden beieinander Solidarität und Zuwendung. Sie sind in der Lage, sich und ihr eigenes Selbst und ihr eigenes Streben mit Distanz zu betrachten. Diese wenigen Momente durchbrechen die eisige Kälte und Kargheit der erschaffenen Welt. Die Arbeit geht der Frage nach, wo die Figuren Glück und Befriedigung suchen und welche Konflikte dadurch bei ihnen selbst und in Kontakt mit anderen entstehen. Die ästhetische Wirkung beruht formal auf der kühlen, klaren Sprache mit der die Figuren Kafkas ihr Denken und Fühlen entäußern. Im „Proceߓ entfaltet sie sich inhaltlich in der tragischen Selbsterkenntnis Josef K.s, die ihm jene Tiefe verleiht, die er in seinem Leben nicht erlangen konnte. Im „Schloߓ nimmt die erzählerische Konzeption tragisches Erkennen zurück, denn jene Identität und Selbstgewißheit, die zum Erkennen nötig sind, möchte K. erst in der Auseinandersetzung mit der Schloßbehörde erlangen. Die direkte Auseinandersetzung wird ihm in unendlichen Varianten verweigert. Dem Leser kann es im ästhetischen Reflexionsprozeß gelingen, das Scheitern K.s zu verstehen.
DOI:10.17192/z2004.0713