Konzeptionelle Modellierung geometrischer Invarianzen in der visuellen Wahrnehmung von Primaten - Situativ gesteuerte Complex-Bildung als Grundlage invarianter Zellantworten
Kupper, Rüdiger
Unser Sehsinn vermittelt uns eine stabile Wahrnehmung der Umwelt.
Objekte darin erkennen wir unabhängig von der Position, die wir ihnen
gegenüber einnehmen. Diese invariante Wahrnehmung ist im Rahmen der
verfügbaren neuronalen Modelle nur mit Einschränkungen zu erklären.
Die Standardmodelle basieren auf einer hierarchischen Anordnung von
Nervenzellen, deren Ziel es ist, spezifische neuronale Antworten für
komplexe visuelle Reize aus Antworten auf einfache Reizkomponenten zu
konstruieren. Ein wesentliches Konzept ist dabei die neuronale
Oder-Bildung (Complex-Bildung) durch konvergente Verschaltung. Die
Generierung von Invarianz für bestimmte Reizvariationen läuft hierbei
der Formierung reizspezifischer Antworten entgegen -- auf Ebene des
Signalflusses im Netzwerk, wie auch als Denkmodell. Die klassischen
Modelle zur invarianten visuellen Formerkennung weisen daher Schwächen
auf, etwa das Binde-Problem oder die Ununterscheidbarkeit von Objekten
mit überlappenden Repräsentantenmengen. Die vorliegende Arbeit nähert
sich dieser Problematik vom Blickwinkel der konzeptionellen
Modellierung.
Ein lebendiges Individuum erfährt seine Umwelt aktiv: Äußere
physikalisch-körperliche Umstände beeinflussen die Verarbeitung im
visuellen System. Ich formuliere hier das Konzept der situativ
gesteuerten Complex-Bildung, das auf einer Steuerung der
Übertragungseigenschaften einzelner Neuronen durch externe Parameter
beruht. Seine Leistungsfähigkeit demonstriere ich in zwei Modellen zur
invarianten visuellen Verarbeitung, der neuronalen retinalen
Schlupfkorrektur und der entfernungsinvarianten Objektrepräsentation.
Die Modelle überwinden entscheidende Probleme der klassischen
Modellierung, erfordern jedoch einen erhöhten neuronalen Aufwand. Im
Falle des Entfernungsinvarianzmodells führt der Einsatz der situativ
gesteuerten Complex-Bildung zur Vorhersage einer neuartigen
Zellklasse, den Entfernungs-Complex-Zellen. Neuronen mit teilweise
ähnlichen Codierungseigenschaften wurden in jüngster Zeit
experimentell nachgewiesen.
In beiden Modellen wird durch die situativ gesteuerte Complex-Bildung
eine Szenenrepräsentation generiert, die vom verwendeten
Steuerparameter unabhängig ist. Es ist zu erwarten, daß auf gleiche
Weise Invarianz auch gegenüber anderen äußeren Bedingungen erzeugt
werden kann. Die situativ gesteuerte Complex-Bildung erweist sich so
als universell einsetzbares Werkzeug zur konzeptionellen Modellierung
neuronaler Invarianzen. Damit liefert sie auch ein effektives
Denkmodell für das weitere Verständnis kortikaler Verarbeitung.
Philipps-Universität Marburg
Physics
opus:937
https://doi.org/10.17192/z2004.0639
urn:nbn:de:hebis:04-z2004-06397
application/pdf
Conceptual modelling of geometric invariances in primate visual perception - Situation controlled complex-formation as a basis for invariant cell responses
Optisches Signal
Neuronales Netz
Nervennetz / Modell
opus:937
https://doi.org/10.17192/z2004.0639
Neural engineering
Philipps-Universität Marburg
2004-12-14
Our sense of vision conveys a stable percept of the environment. We
can recognize objects regardless of the viewpoint we take. Available
neural models can only partly explain this invariant perception.
Standard models are based on hierarchic arrangements of nerve cells.
They aim at constructing specific neural responses to complex visual
stimuli from responses to simple stimulus components. A main concept
is the neural realisation of logical OR operations by convergent
projections (complex-formation). However, generation of invariance to
certain stimulus variations is in conflict with the formation of
stimulus specific responses -- both at the signal level, and as a
model of thinking. Consequently, classical models of invariant visual
shape perception show weaknesses, like the binding problem, and the
inability to distinguish objects with overlapping sets of retinal
projections. I present a conceptual modelling approach to the issue.
Living beings actively explore their environment: External physical
conditions do influence processing in the visual system. Here, I
formulate the concept of situation controlled complex-formation, based
on the fact that external parameters exert control on neural transfer
properties. As an application of this concept, I present two models of
invariant visual processing: (1) neural retinal slip correction, and
(2) distance invariant representation of visual objects. My models
overcome substantial problems of classical modelling, at the cost of
increased neural resources. For the model of distance invariance, the
concept of situation controlled complex-formation predicts a new cell
class, the distance complex cells. Recent experiments report the
finding of neurons with similar properties.
In both models, situation controlled complex-formation generates scene
representations, which are independent of the controlling parameter.
Most probably, the same method can produce invariance to other
external conditions, too. Situation controlled complex-formation hence
presents a universal tool for conceptual modelling of neural
invariances. Moreover, it is an effective model of thinking in our
understanding of cortical processing.
urn:nbn:de:hebis:04-z2004-06397
2011-08-10
Physics
Physik
doctoralThesis
Physik
Nervennetz
Konzeptionelle Modellierung geometrischer Invarianzen in der visuellen Wahrnehmung von Primaten - Situativ gesteuerte Complex-Bildung als Grundlage invarianter Zellantworten
Unser Sehsinn vermittelt uns eine stabile Wahrnehmung der Umwelt.
Objekte darin erkennen wir unabhängig von der Position, die wir ihnen
gegenüber einnehmen. Diese invariante Wahrnehmung ist im Rahmen der
verfügbaren neuronalen Modelle nur mit Einschränkungen zu erklären.
Die Standardmodelle basieren auf einer hierarchischen Anordnung von
Nervenzellen, deren Ziel es ist, spezifische neuronale Antworten für
komplexe visuelle Reize aus Antworten auf einfache Reizkomponenten zu
konstruieren. Ein wesentliches Konzept ist dabei die neuronale
Oder-Bildung (Complex-Bildung) durch konvergente Verschaltung. Die
Generierung von Invarianz für bestimmte Reizvariationen läuft hierbei
der Formierung reizspezifischer Antworten entgegen -- auf Ebene des
Signalflusses im Netzwerk, wie auch als Denkmodell. Die klassischen
Modelle zur invarianten visuellen Formerkennung weisen daher Schwächen
auf, etwa das Binde-Problem oder die Ununterscheidbarkeit von Objekten
mit überlappenden Repräsentantenmengen. Die vorliegende Arbeit nähert
sich dieser Problematik vom Blickwinkel der konzeptionellen
Modellierung.
Ein lebendiges Individuum erfährt seine Umwelt aktiv: Äußere
physikalisch-körperliche Umstände beeinflussen die Verarbeitung im
visuellen System. Ich formuliere hier das Konzept der situativ
gesteuerten Complex-Bildung, das auf einer Steuerung der
Übertragungseigenschaften einzelner Neuronen durch externe Parameter
beruht. Seine Leistungsfähigkeit demonstriere ich in zwei Modellen zur
invarianten visuellen Verarbeitung, der neuronalen retinalen
Schlupfkorrektur und der entfernungsinvarianten Objektrepräsentation.
Die Modelle überwinden entscheidende Probleme der klassischen
Modellierung, erfordern jedoch einen erhöhten neuronalen Aufwand. Im
Falle des Entfernungsinvarianzmodells führt der Einsatz der situativ
gesteuerten Complex-Bildung zur Vorhersage einer neuartigen
Zellklasse, den Entfernungs-Complex-Zellen. Neuronen mit teilweise
ähnlichen Codierungseigenschaften wurden in jüngster Zeit
experimentell nachgewiesen.
In beiden Modellen wird durch die situativ gesteuerte Complex-Bildung
eine Szenenrepräsentation generiert, die vom verwendeten
Steuerparameter unabhängig ist. Es ist zu erwarten, daß auf gleiche
Weise Invarianz auch gegenüber anderen äußeren Bedingungen erzeugt
werden kann. Die situativ gesteuerte Complex-Bildung erweist sich so
als universell einsetzbares Werkzeug zur konzeptionellen Modellierung
neuronaler Invarianzen. Damit liefert sie auch ein effektives
Denkmodell für das weitere Verständnis kortikaler Verarbeitung.
Complex-Zelle
Aktives Sehen
Gain field
Gainfield
https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2004/0639/cover.png
Information processing in vision and hearing
Complex cell
2004-11-12
Visuelles System
monograph
ths
Eckhorn
Eckhorn, Reinhard, Prof. Dr.
Sehrin
Neuronenverschaltung
Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg
Universitätsbibliothek Marburg
Nervenzelle
German
2004
Kupper, Rüdiger
Kupper
Rüdiger
Fachbereich Physik
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