Volumetrische Analyse corticaler Areale bei Blinden und Sehenden im MRT
Angesichts der hohen Evidenz für die Plastizität des Gehirns stellt sich die Frage, ob das Gehirn bei sensorischer Deprivation, die mit dem deafferentierten Sinnessystem assoziierten Gehirnareale, nutzt und welche Auswirkungen die Deprivation auf die Morphologie des Kortex hat. E...
Saved in:
Main Author: | |
---|---|
Contributors: | |
Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2004
|
Subjects: | |
Online Access: | PDF Full Text |
Tags: |
Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
|
Summary: | Angesichts der hohen Evidenz für die Plastizität
des Gehirns stellt sich die Frage, ob das Gehirn bei
sensorischer Deprivation, die mit dem deafferentierten
Sinnessystem assoziierten Gehirnareale, nutzt und welche
Auswirkungen die Deprivation auf die Morphologie des Kortex
hat. Einerseits konnte in zahlreichen tierexperimentellen
Studien gezeigt werden, daß die Makrostruktur des Kortex normal
erscheint. Aber die Schichtdicke der grauen Substanz und die
Arealgröße, der primär mit der deprivierten Modalität
verbundenen Hirnstruktur, vermindert sind. Andererseits fanden
sich Hinweise, daß deprivierte Areale durch Reize in den
intakten Sinnesmodalitäten aktiviert werden, was als neuronales
Korrelat kompensatorischer Leistung diskutiert wird. In der
vorliegenden Studie wurden bei zehn geburtsblinden und bei zehn
sehenden erwachsenen Menschen hochauflösende MRTs des Gehirns
angefertigt und das Volumen der grauen Substanz in den
einzelnen anatomischen kortikalen Lappen sowie das Volumen der
Seitenventrikel bestimmt. Die Gruppen waren nach Alter,
Geschlecht, Gewicht und Händigkeit parallelisiert. Für die
Volumenmessung wurde mit dem Programm BRAINVOYAGER eine 3D
Rekonstruktion des Gehirns erstellt und das Volumen der grauen
Substanz errechnet. Um eine Reliabilitätsschätzung des
Meßverfahrens zu erhalten, wurde zusätzlich ein Teil der
Probanden in einem zweiten MRT Scanner untersucht. Darüber
hinaus wurde überprüft, ob ein Zusammenhang zwischen
Gehirnvolumen und Geschlecht, Alter, Körpergröße und Body mass
index (BMI) und Geburtsalter besteht. Es zeigte sich, daß die
graue Substanz bei den Geburtsblinden im gesamten Kortex
signifikant reduziert war. Die Volumina der Seitenventrikel
waren bei der geburtsblinden Gruppe tendenziell größer. Es
fanden sich keine Korrelationen zwischen Alter, Körpergröße,
Geschlecht, BMI mit dem Volumen der kortikalen grauen Substanz.
Für den Geburtszeitpunkt / Geburtsalter zeigten sich in der
Analyse signifikante Volumenreduktionen in corticalen Arealen
bei den frühgeborenen Geburtsblinden im Vergleich mit den
termingeborenen Geburtsblinden und der Gruppe der Sehenden.
Insofern scheint das Geburtsalter eine wichtige Rolle in der
Gehirnreifung zu spielen. Aufgrund von tierexperimentellen
Studien hätte man erwarten können, daß der occipitale Kortex,
als primärer Sitz des visuellen Systems, bei Geburtsblinden im
Vergleich zu Sehenden dünner ist. Interessanterweise fand sich
eine generelle pankortikale Volumenreduktion. Es werden
verschiedene Faktoren, wie das Geburtsalter und die sensorische
Deprivation, als Ursache diskutiert und abschließend wird die
Bedeutung der Befunde für die Plastizitätsforschung
erörtert. |
---|---|
DOI: | 10.17192/z2004.0205 |