Die Mobilisierung der austroalpinen Dent Blanche Decke auf Fluid-induzierten Scherzonen während alpiner Hochdruckmetamorphose
Die Dent Blanche Decke ist ein Element des Austroalpins der Westalpen, welches das oberste strukturelle Stockwerk im alpinen Deckenstapel bildet. Als größte austroalpine tektonische Klippe stellt die Dent Blanche Decke die nordwestliche Fortsetzung der Sesia Zone dar. Zwei tektonische Elemente ba...
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Format: | Doctoral Thesis |
Language: | German |
Published: |
Philipps-Universität Marburg
2003
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Summary: | Die Dent Blanche Decke ist ein Element des Austroalpins der Westalpen, welches
das oberste strukturelle Stockwerk im alpinen Deckenstapel bildet. Als größte
austroalpine tektonische Klippe stellt die Dent Blanche Decke die nordwestliche
Fortsetzung der Sesia Zone dar. Zwei tektonische Elemente bauen die Dent
Blanche Decke auf: Die Arolla-Serie (präalpine Granitoide und Sedimente) als
unteres Element und die Valpelline Serie (präalpine Kustengesteine, Granulite,
amphibolitfazielle Gneise) als oberes Element.
Frühere Arbeiten in der südlichen Dent Blanche Decke (Höpfer & Vogler 1994,
Höpfer 1995) brachten einen alpinen PTd-Pfad hervor, der eine HP-LT
Metamorphose (Eklogitfazies) für die Gesteine der südlichen Dent Blanche Decke
während der Subduktion belegt. Unter eklogitfaziellen Bedingungen erfolgten
während D1 und D2 durchgreifende Teildeckenbildungen. Die vorliegende Arbeit
befaßt sich mit der nördlichen Dent Blanche Decke. Bei den dort anstehenden
Gesteinen handelt es sich zum überwiegenden Teil um Metagranitoide und
Metasedimente der Arolla Serie, deren Metamorphosegrad bislang aufgrund ihrer
"typischen grünschieferfaziellen Paragenesen" als Grünschieferfazies interpretiert
wurde. Im Rahmen dieser Arbeit werden erstmalig PT-Daten präsentiert, die
anhand dieser "typischen Grünschieferparagenesen" eine HP-LT Metamorphose
bei 11,5-13 kbar und 360-440°C (Blauschiefer-Eklogitfazies) während D1 und D2
belegen. Die geobarometrischen Daten wurden mit dem Hellglimmer-Barometer
(Massonne & Schreyer 1987) ermittelt, die Daten zur Geothermometrie wurden mit
dem Chlorit-Thermometer (Cathelineau 1988) und dem Amphibol-Plagioklas-
Thermometer (Blundy & Holland 1990) gewonnen. Die alpine Deformation setzte
sich mit D3* als wichtige und letzte Faltungsphase unter grünschieferfaziellen
Bedingungen (5-6 kbar, ~300°C) fort und wurde mit den bruchhaften
Deformationen D4 und D5 abgeschlossen. Anhand der PT-Daten dieser Arbeit
wurde der erste PTd Pfad für die nördliche Dent Blanche Decke entwickelt, der
von dem üblichen "Westalpinen Typ" (Ernst 1988) darin abweicht, daß der ersten
Phase der Dekompression eine deutliche Abkühlung zugeordnet war.
Die nördliche Dent Blanche Decke unterscheidet sich markant von der südlichen
Dent Blanche und den anderen westalpinen Decken durch ihre besondere Art der
Scherzonendeformation. Während D1 und D2 wurden die Gesteine durch
Scherzonen verschiedener Mächtigkeit sehr heterogen deformiert, so daß z.T.
große Bereiche nur schwach deformiert die alpine Deformation überdauerten. Mit
den Scherzonen stellte sich ein meist konzentrierter Straingradient ein, in dem der
maximale Strain im Zentrum der Scherzonen entwickelt war. Entlang der
Scherzonen wurde die nördliche Dent Blanche Decke in eine nach SE einfallende
tektonische Schuppenstruktur segmentiert. Innerhalb des Straingradienten der
Scherzonen wurden die Gesteine, die bereits durch Prozesse des "hydrolitic
weakening" alteriert waren, mylonitisiert und phyllonitisiert. Für das "hydrolitic
weakening" waren die elementaren Deformationsprozesse die Korngrenzdiffusion
mit Lösung, chemischer Reaktion und Wiederausfällung. Massentransfers
innerhalb der Scherzonen sind durch das Wachstum vormals gelöster oder
neugebildeter Phasen belegt (Qtz, Aktinolith, Phengit). Magmatischer Quarz
überdauerte alle übrigen Phasen und wurde nur unter maximalem Streß durch
eine Kombination von synkinematischer Rekristallisation, Drucklösung und
bruchhafter Deformation deformiert. Die phyllonitischen Scherzonen reagierten auf
das alpine Streßfeld als Zonen der progressiven Festigkeitsanisotropie und führten
zu einer Steigerung der Fluid-Permeabilität. Phyllonite und Mylonite weisen im
Vergleich mit dem Umgebungsgestein ein weitgehendes geochemisches
Gleichgewicht auf, das auf einen diffusiven Fluid-Transport entlang der
Scherzonen aber auch durch das Umgebungsgestein rückschließen läßt. Diese
Scherzonenprozesse, die als "Phyllonitisierung" zusammengefaßt werden, waren
für Teildeckenbewegungen innerhalb der Decke sowie die Mobilisierung und die
Platznahme der gesamten Dent Blanche Decke essentiell. Die vorliegende Arbeit
korreliert erstmalig die Scherzonenphyllonitisierung mit dem Transport einer
alpinen Decke und stellt die Bedeutung dieser Prozesse für die tektonometamorphe
Entwicklung der Alpen heraus.
Die kinematischen Analysen, die im Rahmen dieser Dissertation vorgestellt
werden (Mikro-Deformationsgefüge, Texturananalyse, Paläospannungsanalyse),
ergeben für die gesamte alpine Deformationsgeschichte der nördlichen Dent
Blanche Decke ein konstantes Streßfeld mit einer Gesamtrotation Top-NW.
Belege für SE-gerichtete Deckenbewegungen, die mit der alpinen Obduktion in
Verbindung stehen könnten, sind nicht vorhanden. |
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DOI: | 10.17192/z2004.0139 |