Das Papiergeld des Kurfürstentums Hessen: Methoden staatlicher Schuldenaufnahme im 19. Jahrhundert

Die vorliegende Arbeit soll in erster Linie ein Beitrag zur Geldgeschichte Kurhessens sein. Es geht um das kurhessische Papiergeld vom ersten Projekt 1831 bis zur endgültigen Ablösung der deutschen Landeswährungen durch die Mark des Deutschen Reiches. Dieses Thema muß in Zusammenhang...

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Main Author: Kaiser, Andreas
Contributors: Klüßendorf, Niklot (Prof. Dr.) (Thesis advisor)
Format: Doctoral Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2003
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Summary:Die vorliegende Arbeit soll in erster Linie ein Beitrag zur Geldgeschichte Kurhessens sein. Es geht um das kurhessische Papiergeld vom ersten Projekt 1831 bis zur endgültigen Ablösung der deutschen Landeswährungen durch die Mark des Deutschen Reiches. Dieses Thema muß in Zusammenhang mit den öffentlichen Finanzen des Kurfürstentums Hessen behandelt werden, da die Initiativen zur Einführung von Geldscheinen ihren wesentlichen Grund in den Bestrebungen zur Verminderung der Staatsschulden hatten. Mehrere Aspekte sollen untersucht werden: Warum sind die zahlreichen Projekte zur Ausgabe von Papiergeld im Kurfürstentum Hessen bis zum Revolutionsjahr 1848 durchweg gescheitert? Wie entwickelte sich die Staatsverschuldung im Betrachtungszeitraum? Konnte die Papiergeldemission von 1848/1849 zur Sanierung der öffentlichen Finanzen beitragen? In welchem Maße akzeptierten die Kurhessen das neuartige Zahlungsmittel und welche Gründe gab es für durchaus vorhandenes Mißtrauen gegen die Scheine? Und schließlich: Wie ging die Annexionsmacht Preußen nach 1866 mit dem kurhessischen Papiergeld um und wie wurde die gewaltige Währungsumstellung auf die Mark bewerkstelligt? Die Untersuchung soll zusätzlich zum Zusammenhang von Geld- und Finanzgeschichte auch Verknüpfungen des Gegenstandes mit der Verfassungs-, Verwaltungs- und Parlamentsgeschichte, der Landesgeschichte, mit der Banken- und Wirtschaftsgeschichte und schließlich auch mit der Mentalitäts- und Sozialgeschichte aufzeigen . Um den geldgeschichtlichen Rahmen dieser Arbeit zu setzen, sollen zuerst das Münz- und Geldwesen des Kurfürstentums Hessen umrissen (II) und die Einführung und Ausbreitung des Papiergeldes, das in Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts seinen Durchbruch erlebte, komprimiert beschrieben werden (III). Dabei sind auch die Arten der papierenen Zahlungsmittel zu unterscheiden. Ein Überblick über die Entwicklung in Preußen ist notwendig, weil dieser bedeutendste Territorialstaat die meisten Geldscheine in Deutschland emittierte und bei Projekten im Staatsschuldenbereich vielfach als Vorbild diente. Weiter werden papiergeldähnliche Wertpapiere aus der Zeit der Fremdherrschaft in Kurhessen vorgestellt, nämlich die Zwangsobligationen und Kupons des Königreichs Westphalen sowie die Kassenscheine des Departements Fulda, die zum Teil Zahlungsmittelfunktion erlangten und der Bevölkerung in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts noch in guter Erinnerung waren. Hier sollen auch die Schritte betrachtet werden, die der Deutsche Zollverein in den 1840er und 1850er Jahren zur Vereinheitlichung und Reglementierung des Papiergeldes unternahm. Die einschlägigen Gesetze sowie die Behörden und Verfassungsorgane Kurhessens, die mit der Verwaltung der Staatsfinanzen befaßt waren, bilden einen weiteren Abschnitt, in dem auch die Entwicklung der kurhessischen Staatsschuldenverwaltung bis zur Zusammenführung mit der preußischen Finanzverwaltung in einen größeren Zusammenhang gestellt wird (IV). An dieser Stelle wird die Rolle des parlamentarischen Haushaltsrechts im Konflikt zwischen Kurfürst, Regierung und Landtag beleuchtet und ein Überblick über die Schuldenentwicklung gegeben. Nachdem der geldhistorische sowie verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Hintergrund erläutert ist, erfolgt die Vorstellung der Papiergeldprojekte von 1831 bis 1848 mit einem zusammenfassenden Vergleich dieser Initiativen (V). Der nächste Abschnitt beinhaltet das legislative Verfahren und den Inhalt der Kassenscheingesetze vom 26. August 1848 und vom 24. März 1849 sowie das Herstellungsverfahren der Scheine (VI). Anschließend wird der Umlauf des Papiergeldes untersucht, der stark von der Akzeptanz des Publikums abhängig war und von Abwehrgesetzen anderer Staaten, vor allem Preußens, beeinflußt wurde (VII). Hier soll auch das Einziehungsverfahren beschrieben werden. Nach der Präsentation weiterer Papiergeldprojekte aus der Reaktionszeit 1850-1859 (VIII) werden die Banknoten der kurhessischen Leih- und Commerzbank behandelt, die im Jahr 1859 spektakulär Bankrott erklären mußte (IX). Die Banknoten wurden vielfach mit den staatlichen Kassenscheinen verwechselt und können als Störfaktor für das Staatspapiergeld angesehen werden. Für die Befriedigung der Leihbankgläubiger war ein Teil der neuen staatlichen Kassenscheinemission vorgesehen, die mit dem Gesetz vom 24. Juni 1863 beschlossen wurde. Das Gesetzgebungsverfahren und der Druck der Scheine, die nicht mehr zur Ausgabe gelangten, weil Kurhessen zum Zeitpunkt der Fertigstellung bereits in Preußen aufgegangen war, sind Inhalt des nächsten Abschnitts (X). Der Umgang der preußischen Finanzverwaltung mit den kurhessischen Kassenscheinen und der Ersatz durch Reichskassenscheine im Rahmen der Reichspapiergeldreform 1875 werden dargestellt (XI), bevor die Ergebnisse in einer Schlußbetrachtung zusammengefaßt werden (XII). Der Anhang enthält wichtige Quellenstücke (XIII). Die Erforschung des Papiergeldes, meistens als Randgebiet der Numismatik betrieben, hat im Verhältnis nicht die gleiche Menge an Schrifttum hervorgebracht wie die größere Zeiträume abdeckende Münzforschung. Dabei ist zu beachten, daß die Scheine kaum Katalogisierungsprobleme bereiten, die an die deskriptive Numismatik erinnern. Kompliziert ist hingegen ihre verfassungs- und verwaltungsgeschichtliche Einordnung, die eine intensive Auseinandersetzung mit den schriftlichen Quellen erfordert. An territorienübergreifenden Arbeiten sind die Synopse "Papiergeld" (1967) und das "Papiergeldlexikon" (1992) von Albert PICK sowie die Katalogwerke "Das Papiergeld der altdeutschen Staaten (Taler- und Guldenscheine) vom 17. Jahrhundert bis zum Jahr 1914" (1953) von Arnold KELLER und der "Papiergeld-Spezialkatalog Deutschland" von Albert PICK und Jens-Uwe RIXEN (1998) zu erwähnen. Weitere Einzelheiten zum Papiergeld der deutschen Staaten enthält die Zusammenstellung "Das deutsche Staatspapiergeld", die 1901 von der Reichsdruckerei herausgegeben wurde. Die Emissionen verschiedener Staaten wurden in eigenen Veröffentlichungen bearbeitet. Hier ist zuerst das ausführliche Werk "Papiergeld und Staatsschulden im Fürstentum Waldeck (1848-1890)" (1984) von Niklot KLÜSSENDORF zu nennen, in dem die waldeckische Staatsschuldenentwicklung und Papiergeldgeschichte von den ersten Projekten bis zur Einziehung - als Paradigma für eine kleinstaatliche Finanzverwaltung - wiedergegeben wird. Aus der Vielzahl der Schriften über Geldscheine einzelner Staaten sei noch auf die entsprechenden Abschnitte in "Das Geldwesen Anhalts unter Berücksichtigung der Staatsschulden 1690 bis 1875" (1999) von Jens HECKL, übrigens betreut von Niklot Klüßendorf, sowie auf die beiden wichtigen Aufsätze "Die Schaumburg-Lippischen Kassen-Anweisungen" (1972) von Helge BEI DER WIEDEN und "Das Staatspapiergeld des Herzogtums Sachsen-Coburg" (1989) von Otto KOZINOWSKI verwiesen. Über die Geldscheine des Kurfürstentums Hessen erschien 1979 ein recht knapper und nur zum Teil mit Quellen belegter Beitrag von Lothar BRENDEL. Den Papiergeldprojekten, die nicht verwirklicht wurden, schenkte man in der Forschung naturgemäß weniger Beachtung. Unlängst erschien zu diesem Thema der Aufsatz "Das Frankfurter Aktienbankprojekt von 1824 und seine Währung" (1998) von Konrad SCHNEIDER. Derselbe Autor veröffentlichte vor kurzem einen weiteren archivalisch fundierten Aufsatz mit dem Titel "Bemerkungen zum Papiergeldumlauf in Frankfurt am Main" (2001). Schließlich ist hinzuweisen auf die papierene Zahlungsmittel betreffenden Teile der jüngst erschienenen Schrift "Die Entstehung eines nationalen Geldes" (2002) von Frank OTTO, in der die Integrationsprozesse der deutschen Währungen im 19. Jahrhundert dargestellt werden. In dieser ausführlichen Arbeit über die Vereinheitlichung des Münz- und Geldscheinwesens wird der Fokus nur auf die Entwicklung in Preußen und Bayern, jeweils als Beispiel für den nord- und süddeutschen Raum, gerichtet. Zur Geschichte des Kurfürstentums Hessen ist eine Fülle von Literatur erschienen . Die Gesamtdarstellung "Das Kurfürstentum Hessen 1803-1866" (1998) von Hellmut SEIER enthält die neuesten Forschungsergebnisse und eine umfassende Bibliographie. Als Grundlage für den verfassungs-, verwaltungs- und parlamentsgeschichtlichen Teil dienten die auf reicher Quellenbasis fundierten Marburger Dissertationen "Restauration als Transformation: Untersuchungen zur kurhessischen Verfassungsgeschichte 1813-1830" (1986) von Winfried SPEITKAMP, "Verfassungsgebung und Verfassungskonflikt: Das Kurfürstentum Hessen in der ersten Ära Hassenpflug 1830-1837" (1996) von Ewald GROTHE und "Kurfürst, Regierung und Landtag im Dauerkonflikt: Studien zur Verfassungsgeschichte Kurhessens in der Reaktionszeit 1850-1859" (1996) von Ulrich VON NATHUSIUS. Das Verzeichnis "MdL Hessen 1808-1996: Biographischer Index" (1996) von Jochen LENGEMANN war ein zuverlässiges Hilfsmittel bei der näheren Bestimmung von Abgeordneten des kurhessischen Landtages. Die Forschung in der Numismatik und Geldgeschichte stützt sich bei der Einordnung der Münzen in den geschichtlichen Zusammenhang und der Rekonstruktion des historischen Geldumlaufs auf drei Hauptquellengruppen (Münzen und Geldzeichen, Münzfunde und schriftliche Quellen). Für unser Thema stehen dagegen nur die Geldscheine und die schriftlichen Quellen zur Verfügung. Allerdings ist die quantitative Quellenlage für die Geldgeschichte des 19. Jahrhunderts ausgesprochen günstig . Während aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit Schriftstücke oft nur vereinzelt und bruchstückhaft überliefert sind, gilt es bei der Betrachtung der Geldgeschichte der Zeit des Deutschen Bundes, aus der umfangreichen Menge des Schriftgutes die wesentlichen Akten herauszufiltern. Die Einbeziehung des Schriftgutes in den Betrachtungskreis des Geldhistorikers unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen Geldgeschichte und Aktenkunde. Maßgeblich für die Geldgeschichte des Kurfürstentums Hessen sind die einschlägigen Archivalien des Hessischen Staatsarchivs Marburg (StAM). Die beiden zentralen Bestände in Bezug auf die kurhessische Papiergeldgeschichte sind auf der Ebene der Regierung die Bestände 9a (Kurhessisches Ministerium des kurfürstlichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten) und 41 (Kurhessisches Ministerium der Finanzen), auf der Ebene der Verwaltung der Bestand 43 (Hauptstaatskasse) und auf der Ebene des Landtags der Bestand 73 (Hessische Landstände). Ergänzend zu den handschriftlichen Aktenstücken treten die gedruckten Landtagsverhandlungen (zitiert: KLV). Eine weitere elementare Quellenbasis, besonders für den verwaltungsgeschichtlichen Teil, bildet die kurhessische Gesetzessammlung (zitiert: SG). Zusätzlich zum kurhessischen Material wurde die Gegenüberlieferung von Preußen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin (GStAPK) herangezogen. Bei direkter Wiedergabe der Quellen sind Rechtschreibung und Zeichensetzung modernem Brauch angepaßt worden.
DOI:10.17192/z2004.0077