Essays on Corporate Governance, Financial Accounting and Credit Ratings - International Empirical Evidence
Shen, Chunqian
Im Zuge des spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre intensivierten Systemwettbewerbs um das „attraktivste“ System der Unternehmensverfassung (Corporate Governance) bemühen sich die nationalen Standardsetter intensiv um eine Fortentwicklung der jeweils eigenen Institutionen und Regulierungen, um Investoren bzw. Kapital anzulocken und dadurch die Wohlfahrt des eigenen Landes zu verbessern. In diesem (Regulierungs-)Wettbewerb scheint das angelsächsische „Exit-Modell“ der sich zur Nachahmung anbietende Referenzpunkt zu sein. Entsprechend liegt die Leitidee der aktuellen Regulierungsbemühungen vor allem in der zielgerichteten und überwiegend akzeptierten Fortentwicklung von Kapitalmarktinstitutionen und damit – als Folge – einer stärkeren Kapitalmarktorientierung von (Groß-)Unternehmen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Kapitalmarktinstitutionen ist das jeweilige System der Rechnungslegung, das in vielen Ländern zugunsten der shareholderorientierten internationalen Standards (IFRS) fortentwickelt wird. Diese zeichnen sich durch einen hohen Informations- und Entscheidungsbezug für Kapitalmarktakteure aus und dienen folglich – entgegen der europäischen und asiatischen Tradition – weniger dem Gläubigerschutz. Fraglich ist an dieser Stelle, ob und inwieweit eine derartige Veränderung sinnvoll ist, da sich das Finanzierungsverhalten von Unternehmen ggf. nicht in diese Richtung entwickelt.
Parallel zur skizzierten Entwicklung in der Rechnungslegung hat mit dem (Credit-)Rating zudem eine alternative bzw. konkurrierende Informationskennzahl an Bedeutung gewonnen, mit der Kapitalmarktteilnehmer in hoch aggregierter Form ebenfalls über die Lage und die Risikoposition von Unternehmen informiert werden sollen. Im Unterschied zur Rechnungslegung unterliegen Ratings (bisher) allerdings keiner speziellen Regulierung, sondern stellen freiwillige und inhaltlich nicht standardisierte Größen der Kapitalmarktkommunikation dar. Mit Blick auf ihre Zielsetzung stehen sie in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den Größen der Rechnungslegung, aber auch mit der von Unternehmen praktizierten Corporate Governance, die als institutionelles Regelwerk den Erfolg von Unternehmen sichern soll. Entsprechend lässt sich fragen, welche Einflussfaktoren im Kontext von Rechnungslegung und Corporate Governance (Credit-)Ratings erklären können und was die Motivation von Unternehmen bestimmt, sich freiwillig einem Rating zu unterwerfen.
Die vorgelegte Dissertationsschrift, die sich in insgesamt fünf Beiträge unterteilt, beleuchtet die zuvor skizzierten Fragestellungen im Kontext von Corporate Governance, Rechnungslegung und (Credit-)Ratings. Sie befasst sich inhaltlich zunächst mit dem empirischen Zusammenhang zwischen dem deutschen Corporate Governance-System und Fragen einer zweckentsprechenden Rechnungslegung. Darüber hinaus werden – basierend auf einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der empirischen Forschung zu (Credit-)Ratings – die Determinanten von (Credit-)Ratings sowie das Entscheidungsverhalten von Unternehmen im Hinblick auf (Credit-)Ratings auf der Grundlage einer umfassenden internationalen Stichprobe analysiert. Ferner wird am Fall deutscher Großunternehmen die Frage behandelt, ob das Leitbild des kapitalmarktorientierten „Exit-Modell“ für die aktuellen Regulierungsbemühungen auf europäischer und deutscher Ebene insofern angemessen ist, als kapitalmarktorientierte Unternehmen im Vergleich zu bankorientierten Gesellschaften eine überlegene Performance aufweisen.
Die Analysen zum Zusammenhang von Corporate Governance, Rechnungslegung und (Credit-)Ratings zeigen durchgängig, dass in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung sowie länderspezifischen Unterschieden in der Unternehmensverfassung die kritiklose Übertragung des US-amerikanischen Corporate Governance-Systems auf andere Länder nicht sinnvoll scheint. So zeigen die über einen langen Zeitraum erhobenen Befunde zur Unternehmensfinanzierung deutscher Großunternehmen deutlich, dass aus der Sicht deutscher Entscheidungsträger in Unternehmen ein kapitalmarktorientiertes Umfeld nur bedingt interessant zu sein scheint und damit der seitens der Standardsetter forcierten kapitalmarktorientierten Regulierung den Boden entzieht [„(legal) form over (economic) substance“]. Vergleichbare Ergebnisse zeigen sich im Kontext der Analysen zur Bedeutung und zum „Inhalt“ von (Credit-)Ratings, machen diese einerseits deutlich, dass Corporate Governance keinen umfassenden systematischen, sondern eher einen punktuellen Einfluss auf Ratingurteile nimmt und zudem maßgeblich vom unterstellten Corporate Governance-System abhängt („Kulturabhängigkeit von Ratings“). Untermauert werden diese relativierenden und durchgängig im Rahmen kritischer Analysen durchgeführten Untersuchungen durch den Nachweis für Deutschland, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht systematisch erfolgreicher agieren als ihre bankenorientierten Pendants.
Philipps-Universität Marburg
Economics
https://doi.org/10.17192/es2016.0003
opus:6435
urn:nbn:de:hebis:04-es2016-00038
Philipps-Universität Marburg
Rechnungslegung
Essays on Corporate Governance, Financial Accounting and Credit Ratings - International Empirical Evidence
Wirtschaftswissenschaften
corporate governance
https://doi.org/10.17192/es2016.0003
Abstract of the thesis "Essays on Corporate Governance, Financial Accounting and Credit Ratings - International Empirical Evidence"
text
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
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opus:6435
Rating
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Universitätsbibliothek Marburg
Empirie
financial accounting
Economics
Wirtschaft
German
2016-02-04
2015
14
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Im Zuge des spätestens seit Anfang der 1990er-Jahre intensivierten Systemwettbewerbs um das „attraktivste“ System der Unternehmensverfassung (Corporate Governance) bemühen sich die nationalen Standardsetter intensiv um eine Fortentwicklung der jeweils eigenen Institutionen und Regulierungen, um Investoren bzw. Kapital anzulocken und dadurch die Wohlfahrt des eigenen Landes zu verbessern. In diesem (Regulierungs-)Wettbewerb scheint das angelsächsische „Exit-Modell“ der sich zur Nachahmung anbietende Referenzpunkt zu sein. Entsprechend liegt die Leitidee der aktuellen Regulierungsbemühungen vor allem in der zielgerichteten und überwiegend akzeptierten Fortentwicklung von Kapitalmarktinstitutionen und damit – als Folge – einer stärkeren Kapitalmarktorientierung von (Groß-)Unternehmen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Kapitalmarktinstitutionen ist das jeweilige System der Rechnungslegung, das in vielen Ländern zugunsten der shareholderorientierten internationalen Standards (IFRS) fortentwickelt wird. Diese zeichnen sich durch einen hohen Informations- und Entscheidungsbezug für Kapitalmarktakteure aus und dienen folglich – entgegen der europäischen und asiatischen Tradition – weniger dem Gläubigerschutz. Fraglich ist an dieser Stelle, ob und inwieweit eine derartige Veränderung sinnvoll ist, da sich das Finanzierungsverhalten von Unternehmen ggf. nicht in diese Richtung entwickelt.
Parallel zur skizzierten Entwicklung in der Rechnungslegung hat mit dem (Credit-)Rating zudem eine alternative bzw. konkurrierende Informationskennzahl an Bedeutung gewonnen, mit der Kapitalmarktteilnehmer in hoch aggregierter Form ebenfalls über die Lage und die Risikoposition von Unternehmen informiert werden sollen. Im Unterschied zur Rechnungslegung unterliegen Ratings (bisher) allerdings keiner speziellen Regulierung, sondern stellen freiwillige und inhaltlich nicht standardisierte Größen der Kapitalmarktkommunikation dar. Mit Blick auf ihre Zielsetzung stehen sie in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit den Größen der Rechnungslegung, aber auch mit der von Unternehmen praktizierten Corporate Governance, die als institutionelles Regelwerk den Erfolg von Unternehmen sichern soll. Entsprechend lässt sich fragen, welche Einflussfaktoren im Kontext von Rechnungslegung und Corporate Governance (Credit-)Ratings erklären können und was die Motivation von Unternehmen bestimmt, sich freiwillig einem Rating zu unterwerfen.
Die vorgelegte Dissertationsschrift, die sich in insgesamt fünf Beiträge unterteilt, beleuchtet die zuvor skizzierten Fragestellungen im Kontext von Corporate Governance, Rechnungslegung und (Credit-)Ratings. Sie befasst sich inhaltlich zunächst mit dem empirischen Zusammenhang zwischen dem deutschen Corporate Governance-System und Fragen einer zweckentsprechenden Rechnungslegung. Darüber hinaus werden – basierend auf einer gründlichen Auseinandersetzung mit dem aktuellen Stand der empirischen Forschung zu (Credit-)Ratings – die Determinanten von (Credit-)Ratings sowie das Entscheidungsverhalten von Unternehmen im Hinblick auf (Credit-)Ratings auf der Grundlage einer umfassenden internationalen Stichprobe analysiert. Ferner wird am Fall deutscher Großunternehmen die Frage behandelt, ob das Leitbild des kapitalmarktorientierten „Exit-Modell“ für die aktuellen Regulierungsbemühungen auf europäischer und deutscher Ebene insofern angemessen ist, als kapitalmarktorientierte Unternehmen im Vergleich zu bankorientierten Gesellschaften eine überlegene Performance aufweisen.
Die Analysen zum Zusammenhang von Corporate Governance, Rechnungslegung und (Credit-)Ratings zeigen durchgängig, dass in Abhängigkeit von der konkreten Ausgestaltung sowie länderspezifischen Unterschieden in der Unternehmensverfassung die kritiklose Übertragung des US-amerikanischen Corporate Governance-Systems auf andere Länder nicht sinnvoll scheint. So zeigen die über einen langen Zeitraum erhobenen Befunde zur Unternehmensfinanzierung deutscher Großunternehmen deutlich, dass aus der Sicht deutscher Entscheidungsträger in Unternehmen ein kapitalmarktorientiertes Umfeld nur bedingt interessant zu sein scheint und damit der seitens der Standardsetter forcierten kapitalmarktorientierten Regulierung den Boden entzieht [„(legal) form over (economic) substance“]. Vergleichbare Ergebnisse zeigen sich im Kontext der Analysen zur Bedeutung und zum „Inhalt“ von (Credit-)Ratings, machen diese einerseits deutlich, dass Corporate Governance keinen umfassenden systematischen, sondern eher einen punktuellen Einfluss auf Ratingurteile nimmt und zudem maßgeblich vom unterstellten Corporate Governance-System abhängt („Kulturabhängigkeit von Ratings“). Untermauert werden diese relativierenden und durchgängig im Rahmen kritischer Analysen durchgeführten Untersuchungen durch den Nachweis für Deutschland, dass kapitalmarktorientierte Unternehmen nicht systematisch erfolgreicher agieren als ihre bankenorientierten Pendants.
2016-09-21
Shen, Chunqian
Shen
Chunqian
https://archiv.ub.uni-marburg.de/es/2016/0003/cover.png
financial crisis
Regulierung
Starting with the de-regulation of national markets at the beginning of the 1990s over the last decades standard setters around the world have worked hard to further develop national corporate governance-systems in order to attract investors and thereby to increase the welfare of their own country. In this process of regulatory competition the Anglo-Saxon ‘exit-system’, which is characterized by highly efficient capital markets and is typical for the United States of America (USA) and Great Britain, seems to be the undoubted and aspired point of reference. Resulting from this, the ‘role model’ for the current regulatory policy focusses on the more intensive use of capital market institutions as well as of other corresponding governance-mechanisms. As an essential part of these capital market institutions the systems of financial accounting have been developed in favor of the shareholder-oriented international standards (IFRS) in many countries. Those standards are characterized by a high information content and decision usefulness with respect to capital market players and thus are not supposed to serve – in contrast to European and Asian traditions – the protection of creditors. At this point it is questionable whether and to what extent such a change is reasonable with regard to the financing behavior of firms.
Parallel to this development, credit ratings issued by rating agencies have gathered more and more interest in academia as well as in practical applications as a relatively new and alternative source of information for investors acting on capital markets. In its original meaning such ratings express a forward-looking opinion about the ability of an issuer to fulfill a complete and timely payment of obligations. Thus, credit ratings characterize highly aggregated opinions about the economic situation and hence the risk position of firms. Credit ratings have not been regulated yet, but instead represent a voluntary element of the capital market communication of firms. With regard to their primary objective to allow for a consolidated judgement about the company under investigation, credit ratings are closely linked to the purpose of financial reporting as well as to the corporate governance of firms which is supposed to improve the economic efficiency and growth as well as investor confidence by ensuring the stakes of equity and debt holders. It can therefore be asked which features in the context of financial reporting and corporate governance determine credit ratings and what drives the motivation of companies to voluntarily pursue a rating.
The dissertation, consisting of five separate contributions, sheds light on the issues outlined above in the context of corporate governance, accounting and credit ratings. Firstly, it deals with the empirical relationship between the German corporate governance-system and the adequacy of a certain type of financial accounting. Secondly – starting with a thorough analysis of the state of the art of empirical research on credit ratings – the dissertation deals with the determinants of credit ratings and the rating behavior of companies based on an extensive international sample. Thirdly, it is analyzed – with regard to large German corporations – if the (new) regulatory ‘role model’ of a capital market-based ‘exit model’ of corporate governance in Germany and Europe respectively is adequate in the sense that capital market-affine firms outperform the bank-oriented counterparts.
The analysis of the relationship between corporate governance, accounting and credit ratings consistently show that depending on the actual design of the corporate governance as well as due to country-specific differences the uniform adoption of the US corporate governance-system does not seem to be appropriate for other countries. Based on long term empirical evidence with regard to the financing patterns of large German companies it can be shown that from the perspective of decision-makers of German companies a capital market-orientated environment seems only to be of limited interest and thus deprives ground to any regulation with a strong capital market-orientations [‘(legal) form over (economic) substance ’]. Comparable results are derived in the context of the analysis on the relevance and the ‘content’ of credit ratings which on the one hand show that corporate governance has no systematic, but rather a selective influence on credit ratings and on the other hand rating agencies use country- and/or regional-specific criteria to account for corporate governance (‘cultural dependence on credit ratings’). These findings are in line with the empirical performance effects of large German corporations: Capital market-based entities do not outperform their bank-oriented counterparts.
Corporate Governance
Finanzkrise
urn:nbn:de:hebis:04-es2016-00038
credit ratings
policy making
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