Jacob Burckhardt - Ein Kunsthistoriker auf Reisen : Karl Christ zum 75. Geburtstag

Ausgedehnte Reisen zur Betrachtung von Kunst bildeten die unentbehrliche Basis für Burckhardts wissenschaftliche Publikationen, für seine Tätigkeit als Dozent der Kunstgeschichte und, zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn, auch zur materiellen Sicherung seiner Existenz. Schon als junger Student war...

Full description

Saved in:
Bibliographic Details
Main Author: Siebert, Irmgard
Format: Article
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 1997
Subjects:
Online Access:Online Access
Tags: Add Tag
No Tags, Be the first to tag this record!
Description
Summary:Ausgedehnte Reisen zur Betrachtung von Kunst bildeten die unentbehrliche Basis für Burckhardts wissenschaftliche Publikationen, für seine Tätigkeit als Dozent der Kunstgeschichte und, zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn, auch zur materiellen Sicherung seiner Existenz. Schon als junger Student war er der Ansicht, daß eine "sogenannte Pläsierreise" für einen "wahrhaft Gebildeten ein reines Unding und eine Unmöglichkeit " sei. Die von ihm selbst gelegentlich als "tugendhafte Bildungsreise" (IV, 251) abgetanen Galerie- und Architekturstudien bildeten, insbesondere wenn sie in den Süden führten, eine unversiegbare Quelle nicht nur des Kunstgenusses: "Ich muß lachen", schreibt der 60jährige Burckhardt aus Forli in der Romagna, "wenn ich daran denke daß es Leute giebt, welche sehr unglücklich wären, wenn sie meine tour durch diese einzelnen Nester unter der Firma einer Vergnügungstour mitmachen müßten, weil sie unter Vergnügen etwas Anderes verstehen als ich, und an dem unermeßlichen Reichthum Italiens keinen eigentlichen Antheil nehmen." (VI, 265) Die Sehnsucht Mignons, die auch Burckhardt umtreibt, läßt ihn nicht nur leiden, sondern auch glücklich sein. "Ich weiß, es jetzt", schreibt er 1846, "daß ich außerhalb Rom's nie mehr recht glücklich sein werde und daß mein ganzes Streben sich thörichter Weise in dem Gedanken concentriren wird, wieder hinzukommen und wäre es auch als Lakai eines Engländers." (III, 36f.) Diese jugendliche Überschwenglichkeit, die Überzeugung, menschliches Glück hinge an einem bestimmten Aufenthaltsort, wird zwar zunehmend von weiseren Einsichten überlagert, doch vermögen diese seinen Traum vom wahren Leben unter italienischer Sonne nicht völlig auszulöschen. Besonders nach den arbeits- und entbehrungsreichen Jahren der beruflichen Konsolidierung in Zürich und Basel, die von einem 20jährigen Verzicht auf Italien begleitet wurden, gewinnen während der Italienreise der Jahre 1875/76 die alten Gefühle nahezu ungebrochen wieder Kontur. In den Briefen aus dieser Zeit häufen sich Beobachtungen über die unbeschwerte Lebensart Italiens und die Schönheit und Klugheit seiner Menschen. Was den Modernitätsmüden darüber hinaus anzieht, ist das Sichgleichbleiben der Menschen und des Landes: "Italien aber ist ja Italia aeterna und heut wie vor 29 Jahren jagen sie auf ungesattelten Pferden dahin nicht nur weil sie Gleichgewicht und Schluß haben sondern auch weil sie mit Schmutz an das Thier festgebacken sind, und so ist es in allen Dingen; Verkehr und Gespräch mit den Leuten sind unendlich amusant, und Menschen sind und bleiben sie und werden es auch nächstes Jahr noch sein."