Zum strukturellen Antisemitismus in der politischen Theorie Carl Schmitts

Carl Schmitt (1888-1985) ist bis heute einer der meistgelesenen Autor:innen der gesellschafts- und rechtswissenschaftlichen Landschaft. Ab den 1910er Jahren publizierte er zahlreich zu verschiedensten Themen um Politik, Staat und Recht. Mit seinen Werken prägte Schmitt ein halbes Jahrhundert von Sta...

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Main Author: Scholz, Luca Philip
Contributors: Universitätsprofessorin Dr‘in Ursula Birsl
Format: Masters Thesis
Language:German
Published: Philipps-Universität Marburg 2024
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Online Access:PDF Full Text
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Description
Summary:Carl Schmitt (1888-1985) ist bis heute einer der meistgelesenen Autor:innen der gesellschafts- und rechtswissenschaftlichen Landschaft. Ab den 1910er Jahren publizierte er zahlreich zu verschiedensten Themen um Politik, Staat und Recht. Mit seinen Werken prägte Schmitt ein halbes Jahrhundert von Staatsrecht, Staatslehre und paradoxerweise auch der Demokratietheorie. Zu seinen bekanntesten Konzepten zählen die Dichotomie von Freund und Feind als Zentrum des Politischen, seine Definition der Souveränität und das demokratietheoretische Verständnis einer „Identität von Regierenden und Regierten“. Allgemein unterteilt sich die Forschung zu Carl Schmitt in drei Bereiche. 1. Biografische Untersuchungen, 2. Untersuchungen zu seiner Zeit im historischen Nationalsozialismus und 3. die Beschäftigung mit seinen großen Werken seiner frühen Staatstheorie, vor allem der 1920er und frühen 30er-Jahren. Schmitts Werk basiert aber auch schon in den Frühwerken – anders als es bei jemandem der als Staats- und Demokratietheoretiker firmiert erwartet werden darf – nicht etwa auf emanzipatorischem Gedankengut, einem pluralistischen Gesellschaftsverständnis und einer institutionellen Einbindung des Demos, sondern genau auf dem Gegenteil. Sein Lebenswerk kreist um Subjektfeindlichkeit, Autoritarismus und Homogenitäts- und Vernichtungsfantasien. Sie ziehen sich wie ein roter Faden von den frühen Werken ab 1914, bis zu seinem späten Wirken über 50 Jahre später. Weder ideologische Verbündete noch erbitterte Feinde haben Carl Schmitt je abgesprochen, einer der schärfsten Denker seiner Zeit gewesen zu sein. Er produzierte in seiner Schaffenszeit eine Unmenge an Monografien, Fachartikeln, Rezensionen u. v. m.. Einige Werke erschienen noch post mortem. Sicher war Schmitt einer der einflussreichsten Theoretiker:innen des letzten Jahrhunderts. Er entwarf bahnbrechende Konzepte sowie erklärungsstarke Modelle und prägte ein halbes Jahrhundert der deutschen Rechtswissenschaft und politischen Theorie wie kein Anderer. Kaum ein Denker zeigt so sehr, wie wichtig sowohl die politische Theorie als auch die Ideengeschichte zum Verständnis der Gegenwart sind wie Carl Schmitt. Sein Werk ist vielfältig, faszinierend und umfangreich. Es ist eine sprichwörtliche Goldgrube an Ideen (damals) neuer Konzepte und bis in die Gegenwart wirkmächtiger Vorstellungen von Gemeinschaft, Gesellschaft und Politik. Es ist allerdings auch ein vielfältiger Fundus antisemitischer, nationalsozialistischer und menschenfeindlicher Ideologien, die nicht ohne Grund mit einem großen kritischen Interesse beäugt werden. Kurzum und um in der Analogie zu bleiben: Carl Schmitts Werk ist ein vergifteter Schatz der politischen Theorie. Sein Lebenswerk widmete er der Diktatur. „Auctoritas, non veritas facit legem“ ist der Kernsatz seines dezisionistischen Idols, Thomas Hobbes, auf den er sich immer wieder beruft: „Autorität, nicht Wahrheit schafft das Gesetz“ Allen Teilen seiner Theorie ist die autoritäre Durchtriebenheit klar anzumerken. Im Mittelpunkt steht immer die Entscheidung, nie der Prozess. Das übt eine ungebrochene Faszination auf Personen verschiedener autoritär orientierter Spektren aus. Ob Antiimperialismus, undemokratischen Konservatismus oder die verschiedenen Spielarten des Rechtsextremismus: Wo es eine Begründung braucht, den Prozess zu übergehen, und direkt eine Entscheidung durchzusetzen, wo das Subjekt zu Gunsten des Kollektivs vernachlässigt wird, und wo es eine klare Abgrenzung vom „Feind“ braucht, da ist Schmitts politische Theorie stets zur Stelle. Bisher fehlte es an einer Studie die sich mit der Frage beschäftigte ob Schmitts Schriften nicht auch außerhalb des Nationalsozialismus von dem für das Regime wichtigste Deutungsmuster durchzogen sind: Dem Antisemitismus. Die vorliegende Untersuchung nimmt sich der Aufgabe an dieses Desiderat zu schließen. Es wird vergleichend zwischen drei Schaffensphasen untersucht inwiefern Schmitts Schriften antisemitische Versatzstücke, oder möglicherweise auch eine geschlossene antisemitische Haltung zur Welt beinhalten. Dabei werden für die Zeit vor dem Dritten Reich die drei zentralen Werke seiner Staatstheorie einer Betrachtung unterzogen: Politische Theologie [1922], Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus (1923), Der Begriff des Politischen (1927). Für seiner Schaffenszeit im Nationalsozialismus liegen der Untersuchung die beiden Fachartikel Der Führer schützt das Recht (1934) und Die deutsche Rechtswissenschaft im Kampf gegen den jüdischen Geist (1936) zugrunde. Die Zeit nach dem NS wird durch Theorie des Partisanen: Zwischenbemerkung zum Begriff des Politischen (1963) vertreten. Die Werke werden entlang des Antisemitismusbegriffs von Samuel Salzborn auf ihren strukturellen Antisemitismus hin untersucht. Das Ergebnis der Studie weißt dabei ganz klar auf eine strukturelle Verankerung einer antisemitischen Haltung zur Welt in allen Epochen seines Schaffens, explizit auch vor dem Nationalsozialismus.
Physical Description:95 Pages
DOI:10.17192/ed.2024.0007