Dietmar Haubfleisch: 'Schülerarbeiten' als Quelle zur Erschließung der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität der Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) in der Weimarer Republik. In: Towards a History of Everyday Educational Reality. Ed. by Marc Depaepe, Max Liedtke and Frank Simon (=Paedagogica Historica. International Journal of the History of Education. New series, 31,1), Gent 1995, S. 151-180. - Wieder: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0002/welcome.html

'Schülerarbeiten' als Quelle zur Erschließung der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität der Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) in der Weimarer Republik


Von Dietmar Haubfleisch



Text - Abbildung Fehlt noch! - Quellenanhang - Summary


Auf der Insel Scharfenberg, inmitten des Tegeler Sees, in herrlicher Wald- und Seenlandschaft im Nordwesten Berlins, wurde im Frühjahr 1922 ein städtisches Jungeninternat gegründet, das sich unter der Leitung des Pädagogen Wilhelm Blume (1884-1970) als 'Schulfarm Insel Scharfenberg' zu einer der bedeutendsten öffentlichen reformpädagogischen - von der heutigen bildungshistorischen Forschung jedoch weithin vergessenen - Versuchsschulen der Weimarer Republik entwickelte [Anm. 1].

Der folgende Beitrag möchte aus der Menge der gedruckten Quellen und der Fülle bislang weitgehend unbeachtet gebliebener schriftlicher und bildlicher Archivalien, die sich in einer Reihe von Archiven wie auch in Privatbesitz ehemaliger Lehrkräfte und Schüler der Schulfarm [Anm. 2] (bzw. deren Nachkommen) befinden [Anm. 3], 'Schülerarbeiten' vorstellen und anschließend ihre Bedeutung für die Erforschung der Unterrichts- und Erziehungsrealität der Schulfarm knapp analysieren.


Im Schuljahr 1922/23 unterrichtete auf Scharfenberg u.a. auch die Schweizer Reformpädagogin und Pazifistin Elisabeth Rotten, die mit Wilhelm Blume ein Leben lang freundschaftlich verbunden blieb und aufgrund ihrer vielfältigen internationalen Kontakte als eine der wichtigsten pädagogischen Förderinnen dieser Reformschule angesehen werden kann. Im Sommer 1928 bot Elisabeth Rotten als Herausgeberin des 'Werdenden Zeitalters' - einer der wichtigsten deutschsprachigen reformpädagogischen Zeitschriften der 20er und frühen 30er Jahre [Anm. 4] - an, "eine Scharfenberg-Nummer herauszugeben", mit deren Hilfe die Schulfarm Gelegenheit erhalten solle, ihre "Anfänge, Erfahrungen und Ziele kostenlos vor eine interessierte Öffentlichkeit [zu] bringen" [Anm. 5]. Die Inselgemeinschaft nahm dieses Angebot dankend an und beschloß, die 'Scharfenberg-Nummer' als ein Gemeinschaftswerk zu schaffen: Mit der Redaktion des Werkes wurde eine Kommission beauftragt [Anm. 6]; die Texte, so entschied man weiter, sollten "nicht allein die Lehrer [...] schreiben, sondern das Heft soll sich mosaikartig aus Beiträgen aller zusammensetzen." [Anm. 7] Und so geschah es dann auch: Im September und noch zu Beginn des Oktobers wurde "mit Hochdruck" [Anm. 8] an dem Werk gearbeitet. Im Oktober erschien die Arbeit, die - von einem kurzen weiteren Beitrag abgesehen [Anm. 9] -, das gesamte Oktoberheft des Jahrganges 1928 des 'Werdenden Zeitalters' umfaßte - und als solches auch als Einzelheft, gewissermaßen als kleines, selbständiges 'Scharfenbergbuch' erworben werden konnte [Anm. 10].

Das Werk erhielt den Titel 'Aus dem Leben der Schulfarm Insel Scharfenberg'. Ein Zusatz verdeutlichte den Lesern, daß es sich hier um "Bilder, Dokumente, Selbstzeugnisse von Eltern, Lehrern, Schülern" der Schulfarm handelte, redigiert von Wilhelm Blume und "H. Samter, E. Schipkus, B. Schmoll, K. Martinu, J. Heinrichsdorff, L. Knoll, H. Setzer als gewählte Scharfenbergheft-Schülerkommission" (S. 329).

Zu Beginn der Publikation, einer Collage, die an Lebendigkeit und Direktheit von keinem anderen Text der (bzw. über die) Schulfarm übertroffen wurde [Anm. 11] - und der von daher unbedingt eine Wiederveröffentlichung (Reprint) lohnen würde -, hieß es zur Art der Selbstdarstellung, gleichsam ein pädagogisches Credo für die Scharfenberger Pädagogik formulierend: "Wir wollen mit unsern Lesern so verfahren, wie wir es in unserm Unterricht anstreben. Das heißt: nicht Darlegungen als Fertigfabrikate bieten, sondern 'selbst finden lassen'; aus Schnitten, Dokumenten, Selbstzeugnissen von Schülern, Lehrern. Eltern möge man sich ein Bild vom Werden, Sein und Wollen dieses Berliner Schulexperiments machen; wenn Widersprüche nicht ganz aufgehen, sind sie wohl auch in der Wirklichkeit vorhanden." (S. 329)

Stück für Stück werden in dem Gemeinschaftswerk der Inselgemeinschaft, unterbrochen von zahlreichen künstlerischen Schüler- und Lehrerarbeiten (Linolschnitte u.a.), einzelne Elemente der Schulfarm behandelt - bis am Ende eine Collage entsteht, die einen detaillierten (und nicht zuletzt) faszinierenden Einblick in Entwicklung und Wesen der Schulfarm gewährt.

Am Beginn steht ein - auf einer bereits zuvor publizierten Arbeit des Scharfenberger Lehrers Wilhelm Radvann basierender - Aufsatz 'Zur Geschichte der Insel Scharfenberg im Tegeler See' (S. 330-332) [Anm. 12], zu deren Vorbesitzer u.a. die Familie von Humboldt und der Naturforscher Carl Bolle, der von seinen weltweiten Forschungsreisen Pflanzen mitbrachte, sie auf Scharfenberg erfolgreich akklimatisierte und so aus der Insel eine Art 'botanischen Wundergarten' machte, gehörten. Es folgt ein Überblick darüber, 'Wie auf die Humboldt- und Bolleinsel eine Schule kam' (S. 332-338): ein Kapitel über die Vorgeschichte der Schulfarm, die mit einer 'Lesevereinigung', einer wandervogelähnlichen Schülergruppe um den jungen Lehrer Blume am Humboldt-Gymnasium im Berliner Wedding, begann, einen wichtigen Impuls durch den sog. 'Wynekenerlaß' vom November des Jahres 1918 erhielt und 1921 schließlich zu einem zeitlich eng befristeten 'Sommerschulversuch' Blumes und zweier Kollegen mit einer Klasse des Humboldt-Gymnasiums auf der Insel führte.

Der Vorgeschichte folgen Hinweise auf einige ausgewählte 'Entwicklungsetappen' (S. 339-346) der Schulfarm in den Jahren von 1922 bis 1928, so u.a. auf die Abschaffung der Zensuren bald nach Beginn des Schulversuches (S. 339) und auf die sog. 'Novemberpunkte' (S. 339) des Jahres 1922, einer schriftlichen Fixierung zentraler Grundsätze der Inselgemeinschaft. Der seit 1923 auf der Insel tätige Landwirt Paul Glasenapp berichtet anhand von Aufzeichnungen aus Wirtschaftsbüchern über 'Entstehung und Bedeutung unserer Landwirtschaft' (S. 340-342), die der Schulfarm zu ihrem Namen verhalf; in dem Abschnitt über die 'Abituriumsfrage' (S. 342-245) - dem sich dazugehörige 'Randbemerkungen des Leiters nach dem 6. Scharfenberger Abiturium' (S. 345f.) anschließen - wird hervorgehoben, daß die Schulfarm die für sie zunächst gar nicht vorgesehene, für eine Unterrichtsreformarbeit aber unerläßliche Abituriumsberechtigung ausschließlich der persönlichen Intervention des damaligen preußischen Staatssekretärs Carl Heinrich Becker verdankte.

In den beiden letztgenannten, über das Scharfenberger Abitur handelnden Abschnitten werden bereits einige Bausteine der Scharfenberger Unterrichtsorganisation angedeutet, so z.B. die Einrichtung von Doppelstunden- und Wochenplan, die der Vermeidung unnötiger Unterrichtszersplitterung dienen sollten, vor allem aber auch die Tatsache, daß die Scharfenberger Schüler u.a. durch 'förmliche Stundenplankonferenzen' (S. 343), durch Vergleiche mit anderen Erziehungsmodellen (S. 343) wie durch Entwicklung eigener 'Utopien' (S. 343) aktiv an der Gestaltung der Unterrichtsorganisation mitbeteiligt wurden.

Dem einleitenden Teil folgend, wendet sich das erste Hauptkapitel ausschließlich dem Unterricht zu (S. 346-366). Aus der Sicht des ehemaligen Scharfenberg-Schülers Wolfgang Pewesin wird der 'Kulturunterricht' (S. 346-348) als eine "Vereinigung der geschichtlichen Fächer: Geschichte, Deutsch, Philosophie, Religion, Kunstgeschichte, Geographie" (S. 346) im Unterricht der Oberstufe, "wie er einem Studenten der Geschichte nachträglich erscheint" (S. 346), beschrieben. Ein anderer Student und ehemaliger Schüler der Schulfarm, Gerhard Metz, beschreibt seine 'Rückerinnerung an den Deutschkurs' (S. 348f.), dem von ihm gewählten Fächerschwerpunkt in der Oberstufe.

Heinrich Pridik schildert seine 'Hospitanten-Eindrücke vom Gesamtunterricht in Scharfenberg' (S. 349-352) - als "Zusammenfassung der vier Kernfächer: Deutsch, Geschichte, Erdkunde und Religion" (S. 350), gewisermaßen ein Äquivalent zum Kulturunterricht auf der Scharfenberger Mittelstufe (Zwischenstufe). Der Skizze Pridiks schließen sich weitere Kleinbeiträge zum 'Gesamtunterricht' an: Kurze 'Indiskretionen aus dem privaten Sammelheft eines Zwischenstüflers' (S. 352), eine Schilderung über 'Stilübungen am Epidiaskop' (S. 353), 'Wie der Gesamtunterricht der Jüngsten 1928 in Gang kam' (S. 353-355) von dem Schüler Ernst Melamerson und eine 'Sonderbare Preisfrage. Erlebnisse eines 13-jährigen Kommissionsmitgliedes' (S. 356-357) von dem Schüler Bernd Burgemeister.

Dem folgen zwei Beiträge von Scharfenberger Lehrkräften: Der Neuphilologe Wilhelm Moslé bringt einen Beitrag über die 'Gruppenarbeit im englischen Anfangsunterricht' (S. 357f.) der Scharfenberger Mittelstufe. 'Scharfenbergs mathematischer Unterricht' (S. 358-359) ist anschließend das Thema des ehemaligen Scharfenberger Mathematikers Ernst Sorge, der hier seiner Auffassung Ausdruck verleiht, daß "die rein theoretische Mathematik auf der Schule nur mit Vorsicht und Beschränkung aufs Einfachere getrieben werden [könne]" (S. 358): wohl erlaube der Mathematikkurs der Oberstufe "das Grübeln über ferner liegende mathematische Rätsel" (S. 358), sehr viel "wichtiger und natürlicher" sei es aber, "auf der Insel der Tat praktische Mathematik zu treiben" (S. 358): "Messen und zeichnen kann man in Scharfenberg in unerschöpflichem Ausmaß. Einige Jungen des Mathematikkurses maßen unter Zuhilfenahme von Stahlbandmaß, Holzwinkelmesser, Winkelspiegel und Theodolit in einigen Monaten die ganze Insel aus. Hierbei galt es erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden; die Bandmaße mußten öfter durch dichtes Gebüsch oder an einspringenden Buchten übers Wasser gelegt werden. Bei der starken Bewaldung der Insel war die Sichtweite gering. Dennoch können die Messungen als beachtenswert genau gelten. Bei Vielecken von mehreren hundert Metern Umfang wichen Anfangs- und Endpunkte nach der Zeichnung nie um mehr als 6 m voneinander ab. Nach diesen Messungen fertigte ein Schüler eine Karte der Insel im Maßstab 1:2000 an und behandelte in einer Jahresarbeit das Verfahren und seine Hilfsmittel. Die Karte wurde wiederum von Schülern der Zwischenstufe in verschiedene andere Maßstäbe - bis zu Wandkartengröße - übertragen und außerdem durch Wiegen einer auf Zinkblech aufgeklebten Karte oder durch Auszählung auf Millimeterpapier zur Flächenbestimmung der Insel verwertet. Trigonometrische Messungen wurden nötig, als wir die Schallgeschwindigkeit durch Echoversuche auf dem Tegeler See bestimmten. Wir brauchten dabei die Ebtfernung der Insel vom Festland. Sie wurde auf Grund vieler Theodolitmessungen von Schülern der Zwischenstufe durch Zeichnen, von Schülern der Oberstufe durch Rechnung gefunden. [...]." (S. 359)

In dieselbe Richtung wie Sorges Ausführungen zielen auch die nachfolgenden Beiträge. 'Der naturwissenschaftliche Unterricht auf Scharfenberg' (S. 359-360) wird von dem ehemaligen Schüler Martin Grotjahn behandelt: Er beschreibt, wie die nahegelegenen Industrieanlagen der Borsigwerke im Nordosten und der Spandauer Siemenswerke im Südwesten des Tegeler Sees für den physikalischen und chemischen Unterricht "Gelegenheit zu eigenen Beobachtungen technischer und chemischer Vorgänge" (S. 360) böten. Was den Biologieunterricht anbelangt, so bräuchte "Anschauungsmaterial [...] dem Scharfenberger [Schüler] nicht an ausgerupften und verschrumpften Pflanzen demonstriert werden, sondern es drängte sich ihm täglich und stündlich auf" (S. 358f.): "Scharfenberg ist ein verwilderter Garten und weist deshalb an Bäumen, Sträuchern und Kräutern Kostbarkeiten auf, wie man sie in einem ungepflegten Naturpark nur selten findet." (S. 360) Und für zoologische Untersuchungen böten "See, Insel und Landwirtschaft [...] übergenug Gelegenheit zu Beobachtungen" (S. 360):

"Auf der Spielwiese legt eine Ringelnatter Eier. Auf dem Scharfenberg nisten Rotkehlchen. Im Brutapparat schlüpfen die Kücken. Eine Ente hat Fallsucht. Ein tot aufgefundener Pirol geht von Hand zu Hand. Man betrachtet den Habicht, der an der Hühnerfarm geschossen wurde. Man stopft eine Möve aus. Bei der Schwergeburt eines Kalbes mit Gebärmuttervorfall sind Schüler die Assistenten des Tierarztes. Eine ganze Nacht hindurch haben Schüler Umschläge gemacht, Klystierspritzen in den Darm eingeführt und so schließlich unseren kleinen Rappen von der Kolik gerettet." (S. 360)

Grotjahns Beitrag folgen als Kleinbeiträge: 'Aus einem naturwissenschaftlichen Schülertagebuch' (S. 361) - das von Martin Grotjahn über einen Zeitraum von zwei Jahren geführt wurde und, "1500 Seiten mit 800 Zeichnungen und den Berichten von 72 Sektionen" (S. 361) enthielt; der 'ornithologische Bestand Scharfenbergs im Jahre 1924/25' (S. 361f.) von dem Schüler Rolf Wernecke und 'Die Praeparatensammlung des Naturkurses' (S. 362f.) von dem Schüler Heinz Heimhold. Den Abschluß des Unterrichtskapitels bilden 'Einige Bemerkungen über die kulturelle und pädagogische Bedeutung der Mathematik und der Naturwissenschaften' (S. 363-366) - grundlegende philosophische Erwägungen - von dem Lehrer Walter Ackermann .

Das zweite Hauptkapitel wendet sich einem weiteren Schwerpunkt der Scharfenberger Versuchsschularbeit, der 'Gemeinschaftsarbeit in Scharfenberg' (S. 366-374), zu. Zunächst wird - basierend auf einem thematischen Entwurf und einer Materialsammlung des Schülers Bruno George, ausgeführt von Wilhelm Blume - auf die 'Geschichte der Arbeit' eingegangen (S. 366-371): Geschildert wird, wie aufgrund wirtschaftlicher Notwendigkeiten wie auch pädagogischer Überlegungen nahezu alle im Inselleben anfallenden Arbeiten von der Inselgemeinschaft selbst erledigt wurden, wie sich die Organisation dieser Arbeiten - Einrichtung täglicher Dienste und 'Ämter', Entstehung von Fachgruppen, wie den Malern, Tischlern und Schlossern u.a., Einführung der 'Arbeitswoche' usw. - entwickelte: "Dieser ganze Arbeitskomplex vom Waschdienst angefangen bis hin zum Werkstättenzeugnis ist zunächst wirtschaftlich wertvoll; wir sparen dadurch Hausmädchen, Knechte, die Unkosten für stundenweit herkommende Handwerker - von der entscheidenden Beihilfe der landwirtschaftlichen Eigenproduktion hier ganz zu schweigen. Sehr viele unserer Schüler könnten bei den geringen finanziellen Mitteln ihrer Eltern hier nicht aufwachsen, wenn wir nicht alle uns dieser 'Arbeit' widmeten; oder sie müßten um Freistellen bitten. Hier brauchen und sollen sie sich nicht irgendwie abhängig oder als Almosenempfänger fühlen; was sie nicht bezahlen, schaffen sie sich und anderen durch ihrer Hände Arbeit. Hier geht das Wirtschaftliche ins Ethische über; die wirtschaftliche Notwendigkeit ist der Ursprung unserer Gemeinschaftsarbeit gewesen; jetzt sehen wir nachträglich auch die mitgeborene rein menschliche Wirkung. Zumal seit die aus Volksschulkreisen stammenden Schüler überwiegen, beginnt diese Seite fast zum wichtigeren Faktor zu werden. Es geht nicht an, die Jungen aus ihrem Milieu herauszunehmen, sie, wie es in manchen staatlichen Internaten geschieht, in den empfänglichsten Jugendjahren den Dingen fern nur der Wissenschaft und dem Sport leben zu lassen, als ob das so sein müßte oder überhaupt das Erstrebenswerte wäre. Schlimm für ihre Charakterempfindung, wenn sie die Handarbeit, die ihre Eltern ernährt hat, wegen ihrer bißchen geistigen Begabung verachten, auf ihre einstigen Schulkameraden, die jetzt schon im Handwerk oder in der Fabrik stehen, herabschauen lernen, wenn sie dann nach den Moden und Bräuchen der sogenannten höheren Schichten schielen, nur sich möglichst schnell und vorteilhaft 'den Errungenschaften der modernen Zivilisation' einzuordnen streben. Eine Aufbauschule darf nicht auf bloß intellektuelle Hochzüchtung ausgehen; sie muß etwas anderes werden als eine vierte 'höhere Schule' [...]." (S. 370)

Diesem Grundsatzbeitrag folgen weitere Detailbeiträge zum Thema: Zunächst berichtet der Schüler Erich Melamerson (basierend auf anderen Textversuchen einiger seiner Mitschüler) über 'Unsere Arbeitswoche' (S. 371f.); dem folgen als 'Einzelberichte aus der Gruppenarbeit' (S. 372-374) die Schülerbeiträge: 'Was unsere Tischlergruppe zu tun hat' (S. 372-374) von Werner Knoll und 'Die Neubaukolonne' (S. 373f.) von Max Weckmann.

'Die Selbstverwaltung auf der Insel' - nach dem Unterricht und der Gemeinschaftsarbeit das dritte Kernelement des Schulversuches - ist das Thema des dritten Hauptkapitels (S. 374-387). Es beginnt mit einer Abhandlung über 'Die Abendaussprache' (S. 374f.) als dem entscheidenden 'Forum' der Gemeinschaft, dem die Regelung des Gemeinschaftslebens, die Diskussion und Lösung der die Gemeinschaft betreffenden Probleme zukam, gewissermaßen der 'Vollversammlung' aller Mitglieder der Inselgemeinschaft, in der jedes Mitglied jedes Thema zur Diskussion stellen und - bei gleicher Stimme für Lehrer und Schüler - zur Abstimmung bringen konnte; ein getroffener Beschluß war dann solange 'Gesetz', bis ein neuer Mehrheitsbeschluß dies änderte.

Es folgt eine Ausführung über den am 11. August begangenen 'Verfassungstag 1928' (S. 375f.) - dem zentralen politischen Feiertag der Weimarer Republik, der auf der Insel, anders als an vielen anderen Schulen der Zeit, eine wichtige Rolle spielte. Ein dritter Aufsatz stellt den 'Ausschuß' (S. 377) als ein aus Lehrern und Schülern bestehendes Selbstverwaltungsgremium der Schulfarm vor. Eine vierte Darstellung handelt über 'Das Stimmrecht' (S. 377-379), das den neuen Schülern nach einer Probezeit von der Inselgemeinschaft in einer Abendaussprachen-Sitzung durch Wahl gewährt oder aber nicht gewährt wurde - wobei letzteres nach zweimaliger Wiederholung zur Nichtaufnahme des Schülers in die Inselgemeinschaft führte.

Dem schließen sich einzelne 'Sonderberichte aus neuen Selbstverwaltungsprovinzen' (S. 379-387) an: 'Die Scharfenberger Schülerfeuerwehr' (S. 379f.) - "entstanden aus dem Zwang der Selbsthilfe, aber auch aus dem Bestreben, mit der Nachbarschaft über den See engere Fühlung zu bekommen" (S. 379) - von dem Schüler Erich Meyer, 'Die Scharfenberger Hühnerfarm' (S. 380) von dem Schüler Heinz Reinsch, 'Der Milchdienst' (S. 381) von dem Schüler Heinz Ruthenberg, 'Die Schülerzeitung in Scharfenberg' (S. 381-383) von dem Schüler Bruno George - mit anschließenden 'Proben aus der Inselzeitung' (S. 383f.); der Schüler Erwin Oeser berichtet über 'Gestalt und Wert der Zeitungsberichte' (S. 385), die der Gemeinschaft von den dazu gewählten 'Zeitungsberichterstattern' zu einzelnen Themenbereichen (Politik, Feuilleton, Naturwissenschaften, Sport u.a.) vorgetragen wurden, es folgen ein wichtiger Anhang über 'Die Politik in Scharfenberg' von dem Schüler Fritz Blümel (S. 385f.) und von dem ehemaligen Scharfenbergschüler Paul Heinrichsdorff eine Darstellung über 'Die freie Mitarbeit der ehemaligen Schüler' (S. 387) - einem Charakteristikum der Schulfarm.

'Die Stellung der Eltern in Scharfenberg' (S. 387-394) wird als viertes Hauptkapitel behandelt. Richard Woldt, Vater der Scharfenbergschüler Johannes und Helmut Woldt, berichtet zunächst über 'Grundsätzliches' (S. 387f.) zum Thema - vor allem hebt er den hohen Stellenwert der für ein Internat ungewöhnlich starken Elternmitarbeit auf der Insel hervor. Diesen bestätigen auch weitere Beiträge: Auszüge 'Aus Protokollen verschiedener Schulgemeinden' (S. 388-391) - der aus Schülern, Eltern, Lehrern und Angestellten bestehenden 'Vollversammlung der Inselgemeinschaft'; 'Eindrücke von der Oktoberschulgemeinde (Ein Elternbrief an den Leiter)' (S. 391) von dem Schlosser und Schülervater Buschke; ein Bericht der zweifachen Schülermutter Annie Heinrichsdorff über den 'Elternarbeitsausschuß' (S. 391-393), ein 'Schlußwort' (S. 393f.) eines anderen Elternteils und als 'Anhang' ein Bericht über den 'Verein der Freunde der Scharfenbergschulidee e.V.' (S. 394) von dem Schülervater Emil Metz.

Den Abschluß der Scharfenberger Selbstdarstellung bildet das fünfte, 'Abgrenzungen' (S. 395-404) betitelte Hauptkapitel. Der ehemalige Scharfenberger Lehrer Erich Bandmann schreibt hier unter dem Thema 'Der Lehrer und Scharfenberg' (S. 395-404) u.a. über die (selbsterlebten) Schwierigkeiten des 'neuen Lehrerdaseins', das eine grundlegende Abkehr vom traditionellen Lehrerbild bedeute(te). In einem Aufsatz 'Über Scharfenberg im Vergleich mit den Landerziehungsheimen' (S. 397f.) zeigt der Lehrer Walter Ackermann die Nähe der Schulfarm zu den Landerziehungsheimen auf, bezeichnet Scharfenberg (aufgrund seiner Kostenstruktur, seiner sozialen Schichtung u.a.) zugleich aber auch als Überwindung der Landerziehungsheime - vor allem, da es hier "endlich [...] gelungen [sei], das Landerziehungsheim jedem gesunden und innerlich hierzu bereiten Jungen zugänglich zu machen." (S. 397f.). Karl Berisch, Scharfenberger Abiturient, der auch Schüler in Wickersdorf gewesen war, kontrastiert in einem Vergleich zwischen 'Scharfenberg und Wickersdorf' (S. 398-400) das von Wynekenschen Jugendkulturideen geprägte und erstarrende Wickersdorf mit dem jugendgemäßeren, undogmatischen, 'realistischeren', städtischeren und entwicklungsfähigen Scharfenberg.

In einem Aufsatz über das Verhältnis von 'Stadtschule und Scharfenberg' (S. 400-402) schildern der ehemalige Scharfenberger Lehrer Julius Wolff wie auch der Referendar Wilhelm Richter in seinem die 'Scharfenberg- Nummer' abschließenden Aufsatz über 'Scharfenberg und die Großstadt' (S. 402-404) das Spannungsverhältnis der 'Stadtrandschule' Scharfenberg mit ihrer Großtstadtnähe einer- und ihrer ländlichen Idylle andererseits.


Von allen Archiven besitzt das Archiv der - wenn auch in stark veränderter Form - heute noch bestehenden Schulfarm Insel Scharfenberg [Anm. 13] die größte Vielfalt (und wohl auch Zahl) an schriftlichen und bildlichen Archivalien zum Thema. Vor allem befindet sich hier eine Quelle, die als die zentrale Quelle der Schulfarm schlechthin bezeichnet werden kann - und die aufgrund ihres hohen Aussagewertes wie ihres schlechten Erhaltungszustandes dringend einer Sicherheitsverfilmung bedürfte: es handelt sich um eine siebenbändige, quarto-formatige 'Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg', die, von Mai 1922 (mit Rückblicken auf die Vorgeschichte) bis Juli 1929 (und zwei vereinzelten Beiträgen vom Januar 1932) nahezu lückenlos, von der gesamten Schulgemeinschaft handschriftlich geführt, eine außergewöhnlich dichte Auskunft über fast alle Bereiche des Schulversuches gibt [Anm. 14].

Zum Teil tägliche Eintragungen, zum Teil längere Zeiträume umfassende Sammel-Berichte wechseln miteinander ab. Chronikalische Berichte Blumes werden abgelöst von Berichten anderer Scharfenberger Lehrer und Beiträgen von Schülern. Ergänzt werden diese Bestandteile der Chronik durch Eintragungen von Eltern und Inselbesuchern. Das Erlebnis eines Thomas Mann Vortrags steht neben der Darstellung einer Beratung über die Notwendigkeit von Ersparnismöglichkeiten von Petroleum; der Bericht über ein naives Weihnachtsgeschenk steht neben einer philosophischen Abhandlung. Berichte von Ernte-, Theater- und Sportfesten, von Museumsbesuchen und Exkursionen stehen neben Scharfenberger Anektoden, diese wiederum neben Listen neu eintretender Scharfenberger Schüler. Das alles ist durchsetzt mit einer Vielzahl von Fotografien und bildnerischen Schülerarbeiten (Zeichnungen, Scherenschnitten u.v.a.m.) - die nicht zuletzt auch einen deutlichen Hinweis auf den (auch) starken musischen Charakter der Schulfarm geben.

Dadurch entsteht eine bunte Fascette - ein lebendiger und tiefer Einblick in den Scharfenberger Alltag, der z.B. sogar in architektonisch-bauliche Gestaltungsfragen gewährt, z.B. durch ein Foto, das den Schüler Arnold Fritz 1925 beim Anbringen großer, auf eigenen Entwürfen basierender Wandfresken mit Liebesszenen aus der Weltliteratur (Odysseus und Nausikaa, Waltharre und Hildegund, Don Quichote und Dulcinea u.a.) zeigt [Anm. 15], oder durch Architekturzeichnungen, die Scharfenberger Schüler anläßlich der Planungen zur baulichen Erweiterungen der Schulfarm im Jahre 1927 anfertigten [Anm. 16].

Innerhalb der Chronik nehmen die Protokolle der oben schon genannten Abendaussprachen eine quantitativ wie qualitativ herausragende Stellung ein: Die zum Teil von Blume, zum Teil von den Schülern (und nur in wenigen Ausnahmefällen von anderen Scharfenberger Lehrern) erstellten Protokolle von 88 Abendaussprachen des Zeitraums von 1922 bis 1929 [Anm. 17], die in transkripierter Form einen Umfang von ca. 400 Seiten einnehmen, vermitteln einen nahezu vollständigen Über- und tiefen Einblick über diese zentrale Institution der Schulfarm, ihre Themen und die Art der Auseinandersetzungen und damit nicht zuletzt auch über die Dimension der Selbstverwaltung auf Scharfenberg [Anm. 18] - die die Bezeichnung der Schulfarmen als 'radikaldemokratisches Freiheitsexperiment' [Anm. 19] gerechtfertigt erscheinen läßt.

Die Protokolle der Abendaussprachen enthalten u.a. auch Hinweise auf den Umgang der Gemeinschaft mit der Chronik: Es wurde ständig in den einzelnen Bänden geblättert und gelesen. Man erinnerte sich einst geschehener Dinge, an Ferienerlebnisse, an einstige Schüler und Lehrer. Auch bei anstehenden Problemen bezog man sich des öfteren auf die Chronikbände, falls man dort früher ähnliche Probleme - und eventuell auch Lösungen - gefunden hatte. Die neuen Schüler wurden anhand der Bände mit den 'Sitten', den Gewohnheiten auf Scharfenberg vertraut gemacht.

Es wird aber auch deutlich, daß man einmal in der Chronik Festgeschriebenes nicht als 'Gesetz', die Chronik nicht als 'Gesetzblatt', einmal entschiedene Probleme nicht zwingend als 'Präzedenzfälle' betrachtete - sondern daß man durchaus Distanz zu eigenen Entscheidungen, Mut zu neuen, veränderten Situationen besser angemessenen Entscheidungen hatte [Anm. 20]. D.h., die Chronik diente (auch) der Traditionsbildung - ohne daß aber diese Tradition überbewertet und eine Erstarrung des Versuches somit verhindert wurde.

Die Chronik, in der auch Mißstände (relativ) offen dargestellt werden, wurde aber nicht nur von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft geschrieben: Sie kann zudem nachweislich als ein Instrument der 'Selbstkontrolle' des Schulversuches und ein 'Protokoll' über Entstehung und Entwicklung des Schulversuches für Besucher wie für die 'Nachwelt' gesehen werden.

Vergleicht man die Scharfenberger Chronik mit der Selbstdarstellung im 'Werdenden Zeitalter', so fallen Ähnlichkeit der Anlage (als 'Collage' von in erster Linie von Schülern und Lehrern geschaffenen Bild- und Textteilen) wie auch der Inhalte auf (wobei sich bei einem solchen Vergleich die Schilderung einer Abendaussprache im 'Werdenden Zeitalter' als eine idealtypische Collage aus mehreren Abendaussprachen erweist).

Weder der Zeitpunkt des Abbrechens der Chronikführung im Jahr 1929, noch der Zeitpunkt des Zustandekommens des Artikels im 'Werdenden Zeitalter' waren zufällig: Bis in die Jahre 1928/29 hatte sich die Schulfarm zu einem stabilen Schulversuch entwickelt - deren innere (und äußere) Entwicklung zu einem gewissen Abschluß gekommen war. Nunmehr bestand weniger Interesse an einer schriftlichen Fixierung der weiteren Entwicklung; und nunmehr konnte und sollte gewissermaßen ein Fazit gezogen werden und eine jahrelang gereifte, erfolgreiche Reformarbeit selbstbewußt und stolz präsentiert werden!


Zu den im Archiv der Schulfarm erhalten gebliebenen Quellen gehören - leider nicht vollständig - auch Exemplare der Scharfenberger Schülerzeitungen, insbesondere der von 1927 bis 1929 erscheinenden 'Ernte' - auch diese wieder bestehend aus bildlichen Darstellungen und Texten von Schülern und Lehrern.

Von den erhalten gebliebenen Schülerarbeiten, die im Kontext des Scharfenberger Unterrichts entstanden sind, sind hier insbesondere zwei Gruppen hervorzuheben:

Einmal handelt es sich um die 'Sammelhefte' der Scharfenberger Mittelstufe, über die auch Pridik im 'Werdenden Zeitalter' berichtet hatte: Schülerarbeiten wurden "nach einer Abstimmung über ihren Wert bei günstigem Ausfall in einer 'Sammelmappe' gesammelt" (S. 351), z.B. in Mappen zu 'Dorflehrgängen' in der Lüneburger Heide "mit Hauszeichnungen, Kirchenbeschreibungen, Grabinschriften, Viehstatistiken" (S. 351); mehrere Mappen bzw. Themen "kreisen um das auf einer Schulfarm naheliegende Thema 'der Bauer' [...]; [...] die Eindrücke und Szenenbilder von dem Besuch der Florian Geyer-Aufführung im Staatstheater sind zusammen mit Erlebnissen von Proben und Freilichtdarstellungen des eigenen 'Bauerntheaters' gebunden; Aufsätze über fränkisches Bauerntum zur Hans-Sachs-Zeit, über Gryphius und seine Geliebte Dornrose, Streitschriften über die Frage: Wer hat Recht - die Ritter oder die Bauern? schließen sich an. 'Wie wir den Besuch des Berliner Volkskunde- Museums für unser Bauernthema fruchtbar gemacht haben' - war eine andere Mappe betitelt [...]. Damaschkes Bodenreform, Max Eyth als Begründer der deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft, die Tendenzen des Bauernbundes, Melioration, die Flachbearbeitung [sic!], die Kartoffelpflanzmaschine, die Überschußländer an Molkereiprodukten in der Welt, die rentabelste Verwendung der Phönixberegnungsanlage auf unserer Insel, die Zusammensetzung unseres Schweinefutters waren Überschriften, auf die man bei flüchtigem Blättern in dem die 'grüne Ausstellungswoche' behandelten 'Bande' stieß." (S. 351):

"Auch die schönsten Zeichnungen werden in die Sammelmappe geklebt, werden Allgemeingut. Ein Schriftkünstler malt die Unterschrift dazu. Gruppenstolz statt persönlichen Ehrgeizes!" (S. 351)

Weiter handelt es sich um die Quartals-, bzw. Halbjahres- und Jahresarbeiten der Scharfenberger Oberstufenschüler, die diese "über gesetzte Themata aus ihren Lieblingsgebieten" [Anm. 21] zu schreiben hatten: Dazu gehören z.B. Arbeiten mit literarisch-landeskundlich-politischem Schwerpunkt - so von Ewald Albrecht über 'Julius Caesar. Reflected in Some Roman and English Literature' (1932) [Anm. 22], von Hellmut Jaesrich über 'das große und das kleine Britannien. Betrachtungen zum Status der Dominions' (1926) [Anm. 23] und von Herbert Bestehorn über 'Ford - Gandhi - Lenin. Eine Auseinandersetzung mit unserer Zeit' (1932) [Anm. 24] -, Arbeiten mit tendentiell geographisch-geologisch-physikalischen Schwerpunkten - so von Werner Astheimer über 'die Moselschlinge bei Zell, Bau eines Reliefs mit methodischem und wissenschaftlichem Begleittext' (1926) [Anm. 25] und von Hellmut Heyn über 'die Glocknergruppe in den Hohen Tauern - Bau eines Modells - methodischer und wissenschaftlicher Begleittext' (1927) [Anm. 26] - sowie schließlich Arbeiten mit dezidiert 'Scharfenberger' Themen - wie z.B. von Walter Jenke über die 'Vermessung der Insel Scharfenberg' (1926) [Anm. 27], eine Arbeit von Heinz Franke mit dem Thema 'Untersuchung der Wohn- und Arbeitsräume der Schulfarm Scharfenberg vom lichttechnischen Standpunkt [aus gesehen]' (o.J.) [Anm. 28] - eine 66seitige, mit Tabellen, Statistiken und Grafiken versehene Arbeit, in deren Bewertung es heißt: "Die Arbeit ist aus der praktischen Betätigung Frankes als 'Lichtwart' in der Schulfarm Scharfenberg erwachsen. Als solcher hat Franke 2 Jahre lang mit großer Gewissenhaftigkeit die Lichtleitungen überwacht und die notwendigen Reparaturen und Änderungen ausgeführt. In der vorliegenden Arbeit untersucht er die wichtigsten Räume der Schulfarm vom lichttechnischen Standpunkt und macht in den Fällen, in denen die Beleuchtung nicht den hygienischen Anforderungen genügt, Vorschläge zur Abstellung dieser Mängel. Die zu dieser Arbeit notwendigen Messungen hat Franke mit dem Osram-Beleuchtungsmesser ausgeführt, der uns gelegentlich eines Besuches des Osram Lichthauses von der Firma in dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt wurde." [Anm. 29]

Ein anderer Schüler, Karl Schreck, schrieb u.a. anhand eigener Fettgehaltmessungen in einer 86 Seiten Text umfassenden und zusätzlich mit zahlreichen statistischen Anhängen versehenen Arbeit über seine 'Untersuchungen der Scharfenberger Milch' (1934) [Anm. 30]; in der Beurteilung dieser Arbeit durch den Lehrer Wenke heißt es, diese sei "vom biologischen Standpunkt aus [...] mit 'sehr gut' zu bezeichnen", er halte sie auch "schon deswegen für wertvoll, weil sie sich eingehend mit Scharfenberger Verhältnissen befaßt" [Anm. 31].

Ab Ostern 1927 konnten solche selbständigen 'Jahresarbeiten' als eine eine schriftliche Prüfung ersetzende Leistung zum Abiturium eingebracht werden [Anm. 32]; zum Abiturium 1932 entschied man sich auf Scharfenberg gar, die im Kontext einer Unterrichtseinheit über den Harzraum (mit Exkursionen) entstandenen Arbeiten in Form von kollektiv erbrachten Leistungen in insgesamt sechs gemeinsamen Mappen vorzulegen [Anm. 33]: "[...] als das hundertfach durchgefeilte Werkchen von immerhin 400 Tippseiten in der letzten Deutschkurssitzung, von Mitgliedern geschrieben und gebunden, vollendet vorlag, empfanden alle aufs stärkste etwas von dem, was Kerschensteiner Vollendungserlebnis nennt, wenn er es auch nur in technischen Fächern in der Schule in der Regel für möglich hält." [Anm. 34]

Die im Kontext des Scharfenberger Unterrichts entstandenen Arbeiten zeigen das hohe 'Leistungsniveau' (Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten), das das der 'Normalschulen' der Zeit weit überragte, ebenso wie die (partiell) erhalten gebliebenen Abituriumsunterlagen [Anm. 35].

Zu letzteren zählen u.a. Abituriumsgutachten ('Charakteristika'), die Blume als Schulleiter über die Abiturienten zu erstellen hatte. Zum Abiturium des Jahres 1932 heißt es in einer Niederschrift aus der Feder des behördlichen Abituriumleiters Franz Schmidt: "Die Gutachten zeigen eine ganz außerordentlich eingehende Erfassung der Schülerpersönlichkeiten, wie sie an anderen Schulen nicht erreicht wird." [Anm. 36]

Gewissermaßen als 'Gegenstück' zu diesen Persönlichkeitsbildern Blumes hatten die Schüler ihren Abituriumsmeldungen Lebensläufe ('Bildungsgänge') beizulegen, zu denen Schmidt 1932 bemerkte: "Die Lebensläufe zeigen gute, bewußte Erfassung des eigenen Werdeganges, besser als an anderen Schulen." [Anm. 37]

Welche Qualität die Lebensläufe - auch als Quelle für die Erforschung der Unterrichts- und Erziehungsrealität auf Scharfenberg - haben, soll der 'Bildungsgang' des Scharfenberger Abiturienten Erwin Witt in einem Quellenhang zu diesem Beitrag verdeutlichen.

Hermann Röhrs schrieb 1992 in seinem Aufsatz 'Die Reformpädagogik - Illusion oder Realität?', in dem er den 'Ertrag' der reformpädagogischen Praxis zu bestimmen sucht, über die 'Leistungen', die Schüler an reformpädagogisch orientierten Schulen erbracht hätten [Anm. 38]: Die Ergebnisse der Schüler von Reformschulen würden sich von denen an 'Normalschulen' erzielten u.a. unterscheiden durch bessere fachliche Kenntnisse, insbesondere aber hätten sie eine präzisere, systematischere und objektivere Denkweise, eine ausgeprägte Kreativität und Erfindungsgabe entwickelt: diese Ergebnisse seien, so Röhrs, "Folge der selbsttätigen Arbeitsweise aufgrund der methodischen Mündigkeit, die die Auseinandersetzung mit relativ neuen Fragestellungen erlaubt. Als spezifisch reformerzieherische Ergebnisse müssen die bewährte Soziabilität und politische Mündigkeit genannt werden, die erlauben, das Gruppenleben fördernd mitzugestalten und politisch Verantwortung mitzutragen" [Anm. 39]. Röhrs Thesen lassen sich anhand der vorhandenen Quellen voll und ganz auch für die Schulfarm bzw. ihre Schüler bestätigen.

Scharfenberg entließ junge Menschen - die ihre Scharfenberger Jahre differenziert, aber durchweg als positiv, als eine Zeit, die Spaß gemacht hat, als eine Zeit glücklichen Daseins interpretieren - als sozial und demokratisch gesinnte, politisch verantwortliche Individuen, die den 'aufrechten Gang' zu gehen wußten. Nicht 'zufällig' emigrierten von den ehemaligen Scharfenberger Schülern einige unter der Hitlerdiktatur; eine detaillierte Untersuchung anderer, in Deutschland verbliebener Schüler bietet die ganze Palette 'nichtangepaßten Verhaltens' - von Nonkonformität, über Verweigerung und Protest bis hin zu aktivem Widerstand, den zwei Scharfenberger Schüler, Hans Coppi und Hanno Günther, mit ihrem Leben bezahlten.

Um die Frage der 'Persönlichkeitsbildung' an einer eindrucksvollen Schülerarbeit nochmals zu verdeutlichen, sei hier abschließend auf eine bildliche Quelle hingewiesen: eine Arbeit (Feder und Aquarell) des 17jährigen Scharfenberger Schülers (und späteren Kunsthistorikers) Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth, die (exemplarisch) aufzeigt, wie auf Scharfenberg künstlerisches Talent gefördert, politisches Bewußtsein und Analysefähigkeit, Selbstbewußtsein und 'Widerstandsfähigkeit' entwickelt und 'stabilisiert' wurden:

Die politische Karikatur zeigt die personifizierten Kräfte der poltischen Parteien und Tendenzen am Vorabend des zweiten (und entscheidenden) Wahlgangs zur Wiederwahl des Reichspräsidenten (und ehemaligen Generalfeldmarschalls) Paul von Hindenburg am 10.04.1932: Hindenburg in der Mitte ist als Zeichen der Kraftlosigkeit despektierlich als Vogelscheuche gezeichnet. An seinem Pfahl sägen gemeinsam die Vertreter der äußersten Rechten (SA-Mann) und Linken (Rotfrontkämpfer der KPD). Noch wird Hindenburg gestützt durch Reichskanzler Brüning (Zentrum), der nur noch mit Notverordnungen und Kürzungen des maroden Etats regiert, am Bürovorsteherpult hockend und rechnend, am Federhalter kauend, und gehalten von Düsterberg. Der Berliner Oberbürgermeister Dr. Sahm, Leiter der überparteilichen Initiative zur Wiederwahl Hindenburgs, wird gehalten vom Kapital und gestützt durch einen Vertreter des SPD-'Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold'. Von der einen Seite kommt Ernst Thälmann, Vorsitzender der KPD, mit Hammer- und Sichel-Fahne und einem Messer (als Anspielung auf die blutigen Straßenschlachten in Berlin ab 1931). Von der anderen Seite steigt Hitler mit Hakenkreuz-Fahne und Revolver empor, um Hindenburgs 'Stamm' umzutreten. Industrielle, durch Zigarre beziehungsweise Geldsack als solche gekennzeichnet, befinden sich auf beiden Seiten [Anm. 40].


Abbildung Schmoll !!!


Schlußbemerkungen

Der vorliegende Sammelband über 'Schülerarbeiten als Quelle pädagogischer Historiographie' [Towards a History of Everyday Educational Reality. Ed. by Marc Depaepe, Max Liedtke and Frank Simon (=Paedagogica Historica. International Journal of the History of Education. New series, 31,1), Gent 1995] zielt auf eine 'Alltagsgeschichte von Erziehung und Schule'. Im Bewußtsein einer 'latenten Diskrepanz zwischen realem Geschichtsverlauf und der 'Geschichte der Verordnungen'' weist er den 'Niederschriften von Schülern' 'einen individuellen Charakter' zu, die eine größere Annäherung an die konkrete erziehungs- und schulgeschichtliche Situation' erlauben. Der Band verweist damit auf ein eklatantes Forschungsdefizit, das von wenigen Ausnahmen abgesehen - von denen hier die Arbeit 'Die Schulpraxis der Pädagogischen Bewegung des 20. Jahrhunderts' von Dieter Hoof (1969) hervorgehoben sei [Anm. 41] - erst in letzter Zeit zu reduzieren begonnen wird [Anm. 42].

Im (vorliegenden) Falle der Schulfarm Insel Scharfenberg liegen, wie gezeigt, eine ganze Reihe von Schülerarbeiten vor.

Diese Arbeiten, die keinesfalls nur in unterrichtlichen Kontexten entstanden sind, haben ihren Ausgangspunkt häufig im (Scharfenberger) Leben der Inselbewohner gefunden, beschränken sich (dabei) nicht auf einige wenige Themenbereiche, sondern beziehen sich auf nahezu alle Bereiche des Insellebens.

Individualleistungen der Schüler werden - als solche erkennbar bleibend - nicht selten mit Arbeiten von Mitschülern und/oder Lehrern, Eltern u.a. zu Gemeinschaftsarbeiten gestaltet, wodurch - insbesondere mit der beschriebenen Publikation im 'Werdenden Zeitalter' und mit der Chronik der Schulfarm - 'ungewöhnliche', einzigartige Quellen entstanden sein dürften.

Daß heute noch so zahlreiche Archivalien über die Schulfarm vorliegen, kann als ein Glücksfall bezeichnet werden. Daß so viele und derart gestaltete Quellen überhaupt entstanden sind, charakterisiert das Selbstverständnis der Schulfarm als einer von allen Beteiligten gleichermaßen selbst geschaffenen (radikal-) demokratischen Erziehungs- und Lebensgemeinschaft, die als 'Schule der Tat', als 'Produktionsschule' unter 'Entfaltung der schöpferischen Kräfte' eine selbstgestaltete Gemeinschaft aller an dem Versuch Beteiligter sein wollte.

Die Scharfenberger Schülerarbeiten stellen zweifellos EINE (!) sehr vielfältige, herausragende und (damit) nicht zu vernachlässigende Quellengruppe für die Erforschung der Unterrichts- und Erziehungsrealität der Schulfarm Insel Scharfenberg dar.

Doch: Es ist ein unumstößliches Faktum, daß sich - schon alleine aufgrund einer in der Regel nur unvollständig erhalten gebliebenen Überlieferung - grundsätzlich jede historische Situation einer exakten Rekonstruktion versperrt. Um sich einer solchen zumindest annähern zu können, gilt es - u.a. um die schon unvollständig erhaltene Quellenmenge durch unzulässige Selektionen nicht noch weiter zu reduzieren - als zu unbedingt zu erfüllende Bedingung im Sinne einer 'histoire totale', ALLE (!) zu einem gewählten Thema erreichbaren Quellen heranzuziehen [Anm. 43].






Quellenanhang

Bildungsgang von Erwin Witt, Abiturient der Schulfarm Insel Scharfenberg (1934) [Anm. 44].

Mein Vater entstammt einer ostpreußischen Bauernfamilie. Nicht weit von dem ermländischen Städtchen Heilsberg befand sich das väterliche Gut. Da er zu den jüngeren Geschwistern zählte, der älteste Sohn aber den Hof erben sollte, so wurde er Schlosser und wanderte aus. Er zog nach Berlin, richtete sich hier eine kleine Werkstatt ein und heiratete bald darauf meine Mutter, die auch einer Bauernwirtschaft Ermlands entstammt. Hier in Berlin wurde ich dann als zweiter Sohn am 11.12.1914 geboren.

Einige Monate später kam mein Vater auf Urlaub zu uns, und als er wieder zur russischen Front zurückfuhr, nahm er mich zu seinen Geschwistern nach Ostpreußen mit. Bis zum Jahre 1920 blieb ich hier bei meinen Verwandten. Im Sommer kam dann meine Mutter zur Abstimmung nach Ostpreußen, und als sie wieder nach Berlin zurückfuhr, begleitete ich sie. Noch heute erzählt sie zuweilen, wie ich zuerst garnicht mitkommen wollte und immer wieder besorgt fragte, ob die Berliner denn auch Honig und Fleisch zu essen bekämen; denn daß die Städter, und zumal die Berliner, alle am Verhungern wären, hatten mir meine Onkel im Scherz erzählt, und ich hatte daran ernsthaft geglaubt.

Und doch ging ich schließlich ohne Widerstreben mit meinen Eltern nach Berlin. Die bevorstehende Seefahrt (etwas mir bis dahin völlig Neues und Unbekanntes), die hohen, vielstöckigen Mietshäuser und der große Verkehr, von dem mir meine Mutter so viel zu erzählen wußte, all das schien mir sechsjährigem Knirps so verlockend und begehrenswert, daß ich beinahe fröhlich war, dem Landleben einstweilen Lebewohl zu sagen.

In Berlin trat ich dann in die 20. Gemeindeschule in Lichtenberg ein. Doch gefiel mir das Leben in der Stadt nicht sonderlich. Der Reiz des neuen, des so angenehmen Fremdseins war bald verflogen, und ich begann mich wieder nach Ostpreußen, nach dem ungebundenen Leben auf dem Lande zurückzusehnen. Es währte wohl noch 1 1/2 Jahre, bis mein Vater meinem Drängen nachgab und mich wieder in die Ostprovinz zu meinen Verwandten brachte.

Unser Grundstück lag ungefähr 1500 m außerhalb des Dorfes, und ich hatte daher täglich eine halbe Stunde Wegs zur Schule. Im Sommer war der Schulweg angenehm und abwechslungsreich. Im Winter aber, wenn der Sturm den Schnee zu hohen Schanzen zusammentrieb, wenn es 'stiemte' d.h. starkes Schneetreiben war, dann schien es schon weniger verlockend, jeden Morgen in der Dunkelheit quer-über-Feld zur Schule zu laufen. War das Wetter bisweilen gar zu schlecht, so sattelte mir mein Onkel einen unserer Schimmel, und los ging's im Trapp dem Dorfe zu.

Reiten und Fahren war überhaupt meine Lieblingsbeschäftigung. In der Schule lernte ich leicht und brauchte mich deshalb nachmittags mit Aufgaben nicht zu plagen. Kam ich nach Hause, so schob ich meinen Schulranzen unter die Ofenbank, und dann ging's aufs Feld. Im Winter half ich auf dem Schuppen beim 'Maschieren' (dem Ausdreschen des Getreides), im Sommer holte ich die Pferde von der Koppel oder brachte den Mähern das Vesperbrot aufs Feld. Ich lernte vierspännig schälen, fuhr die vollen Erntewagen in die Scheune und sprach den unverfälschten Dialekt, kurz, ich lebte mich während der 2 Jahre prächtig ein.

Nach Berlin wollte ich nie mehr zurück. Meine Eltern jedoch waren anderer Meinung. Ich sollte eine höhere Schule besuchen und mußte sofort nach Berlin kommen.

Ein Jahr ging ich noch in die Gemeindeschule in Lichtenberg, dann machte ich die Aufnahmeprüfung für die Mittelschule.

Da ich einen weiten Schulweg hatte und diesen täglich oft zweimal machen mußte (Spielturnen, Chor, katholischer Religionsunterricht fielen auf den Nachmittag), so war ich für gewöhnlich den größten Teil des Tages auf der Straße unterwegs. Das graue harte Steinpflaster und die staubgeschwängerte Luft des Berliner Ostens waren recht unterschiedlich zu der reinen Landathmosphäre, aus der ich kam. Ich habe mich denn auch während der 3 Jahre in der Mittelschule nicht an die nach Büchern und Examen riechenden Klassenräume gewöhnen können. Jedes Jahr, wenn ich aus den Sommerferien, die ich in Ostpreußen verlebte, zurückkehrte, wurde mir das Fremde meiner Umgebung besonders fühlbar.

Wir suchten nach einem Ausweg. Da hörte mein Vater von einer Inselschule nahe bei Berlin.

Ein scharfer Ostwind fegte über den See, als ich im Februar 1928 zum ersten Mal nach Scharfenberg kam. Es lag hoher Schnee, und der Tegeler Wald war wie tot. Drüben, am anderen Ufer aber, war ein geschäftiges Treiben. Ich erfuhr: Scharfenberg hatte seinen allwöchentlichen Arbeitstag.

Daß Jungen auch ohne Kommandoworte und patroullierenden Aufpasser arbeiten können, war für mich überraschend, und ich staunte, wie zwanglos-selbstverständlich sich hier alles abwickelte. Dort schob ein älterer Junge einen vollbeladenen Mistkarren über den Hof, hier zimmerten zwei jüngere Kameraden an einem reparaturbedürftigen Stuhl, Scherzworte flogen hin- und herüber; ich merkte bald, hier weht ein frischer, gesunder Zug, hier wirst Du Dich leicht einfühlen können.

Nach bestandener Aufnahmeprüfung trat ich zu Ostern des Jahres 1928 in Scharfenberg ein.

Mein erster Winter auf unserer Schulfarm war der berühmte Kältewinter 28/29, und hier erlebte ich gleich echtestes Scharfenberg. Früh um 6 Uhr, wenn es noch Dunkel war, standen wir auf. Das kostete jeden Morgen ein ganz Teil Selbstüberwindung, denn da unsere Schlafsäle ungeheizt waren, die Fenster über Nacht noch dazu offen standen, so herrschte drinnen ungefähr dieselbe Temperatur wie draußen. Unsere Handtücher, die wir nach der allabendlichen kalten Dusche für gewöhnlich über die Bettlehne hingen, waren wie Bretter und wir mußten acht geben, daß sie nicht Rachen und dabei die Gewebe zerstört würden. Schnell ging es dann, nur mit Turnhose, Schuhen und Strümpfen bekleidet, hinaus zum Uferweg, wo wir uns wegen des schneidenden Ostwindes eng aneinander drängten. Bald tauchten die Scheunenbewohner, von uns mit Hallo und 'Guten Morgen' begrüßt, aus dem Dunkel auf; wir schlossen uns ihnen an, holten die Insassen des Holzhauses ab, und liefen dann gemeinsam unseren Dauerlauf zu Ende.

Doch einen höheren, weil über den Wert des rein sportlich-körperlichen hinausgehenden, Sinn hat unsere Gemeinschaftsarbeit. Hier finden wir uns alle, nach vorausgegangenen Schulunterricht am Vormittag, zu gemeinsamer Tätigkeit zusammen. Die Gärtner im Garten, die Landwirte auf dem Felde, die Tischler an der Hobelbank, die Schlosser an der Esse; ein jeder arbeitet an seinem Platze; - nicht für sich, sondern für die Gemeinschaft, für den Gesamtkörper unserer Inselschule. Unsere Gemeinschaftsarbeit erhält erst dadurch ihren besonderen Wert, weil durch sie unsere jüngste Generation (die Untertertianer) schon frühzeitig und unauffällig hingelenkt wird auf den Grundsatz: uneigennützige Arbeit am Ganzen. Das veranlaßt den einzelnen Jungen zur Aufgabe seines naturgegebenen egozentrieschen Standpunktes und gibt ihm von vornherein einen höheren, würdigeren Blickpunkt, als ihn ein kleiner Egoist wohl haben möchte.

Einfachheit in der Lebensführung, Pflege des Gemeinschaftsgefühls und Stärkung des Verantwortungsbewußtseins, das ist es, was wir hier in Scharfenberg anstreben. Der Zug des betont Primitiven, Einfachen, prägt sich nicht nur in unserer Kleidung aus, (bei uns waren auch im Winter nicht kniefreie Hosen verpönt, was uns bei der Tegeler Bevölkerung in den Verruf barbarischer Sonderlinge brachte), auch der Unterricht war nach diesen, durch unsere insulare Lage geradezu bedingten Prinzipien entsprechend abgewandelt worden. Radio und Telephon gab es bei uns nicht. Die vielseitige Zerstreuung und Ablenkung, unter der die unterrichtlichen Leistungen der Stadtschüler leiden, fielen bei uns fort. Wir trieben Konzentrationsunterricht.

Die Deutschkundlichen Fächer, bei uns mit dem Sammelbegriff 'Gesamt' benannt, wurden in einem Lehrfach zusammengefaßt. Unter dem gleichen Gesichtspunkt, die Konzentration im Unterricht möglichst weitgehend zu fördern, wurden unsere Unterrichststunden verlängert. Statt in 45 minütigen Kurzstunden zerrissen, war unsere Unterrichtszeit in jeweils 1 1/2 Zeitstunden aufgeteilt, Ja, in Physik erwies es sich auf der Unterstufe wegen der viel Zeit erfordernden Einzelversuche am geeignetsten, zwei unserer sogenannten Doppelstunden zusammenzulegen.

Der Gesamtunterricht war für mich natürlich etwas ganz Neues. In der Mittelschule behandelten wir beispielsweise in Geschichte die Griechen, ohne daß jemand von uns gewußt hätte, wie denn Korinth, Athen, Sparta eigentlich zueinander lagen, wo sich die Ebene von Marathon befand u.s.w. Unser Geschichtslehrer erteilte uns auch Unterricht in Geographie. Statt den Erdkundeunterricht nun aber zur Ergänzung unserer Geschichtsstudien zu verwerten, lehrte er uns gleichzeitig einmal die Züge des Xerres und Darius und die Struktur der nördlichen Alpenzüge.

Im Scharfenberger Gesamtunterricht hatten wir uns im 3. Jahre Indien zum Thema gewählt, doch beschränkten wir uns hierbei keineswegs darauf, unser Thema nur nach einer Seite, der geographischen beispielsweise, auszuweiten, wir machten uns auch mit seiner Geschichte vertraut; einige von uns hielten kleine Referate über indische Veden, indisches Religions- und Kastenwesen, andere wieder lasen Bücher über die wirtschaftliche Bedeutung dieses Landes, wir unterrichteten uns in Sonderstunden (wobei auch englische Texte herangezogen wurden) über die Stellung und Eingliederung seines 320-Millionenvolkes in das englische Empire u.s.w.

Diese Art des Arbeitsunterrichtes war in ihrer reinsten Form im Englischunterricht vorhanden. Wir waren alle Anfänger in dieser Sprache und brachten daher allesamt ein erhöhtes Interesse für das 'neue' Unterrichtsfach mit. Unser Lehrer, Herr [Wilhelm] Moslé, teilte uns in Arbeitsgruppen zu je 4-5 Mann ein, die, jede für sich, selbständig arbeiteten. Hier wurde nun Quartett gespielt (die Spielkarten waren mit englischen Frage- und Antwortsätzen bedruckt, so daß sich zwangsläufig eine Unterhaltung in englischer Sprache ergab), English songs wie 'Old King Coal', 'Little Jack Horner', 'Humpty Dumpty' wurden zwischendurch gesungen oder leichte, mit Bildern unterhaltsam illustrierte Texte gelesen. Herr Moslé aber ging von Gruppe zu Gruppe, half uns über grammatische Schwierigkeiten hinweg, verbesserte unsere Aussprache und rief uns, wenn nötig, zu gemeinsamer Arbeit zusammen. Diese Art des Unterrichtens gefiel uns allen außerordentlich. Wir waren immer tüchtig bei der Sache und machten daher auch in der Erlernung des fremden Idioms gute Fortschritte.

In jener Zeit faßte ich eine Vorliebe für die neueren Fremdsprachen, die sich im Verlauf der folgenden Jahre nur noch vertiefte.

Im französischen Unterricht war es ähnlich. Auch hier bekam ich in Herrn Professor [Carl] Cohn einen Lehrer, der mir in jeder Beziehung mehr bot, als alle Lehrer, die ich bis dahin kennengelernt hatte. Es war wunderbar mit ihm Racinesche Verse zu lesen; wie nahe brachte er uns, bei der Lektüre des Revolutionsromans 'Danton', den stimmgewaltigen Helden von 1794, der vor Fonquier Tinville und im Angesicht der Guillotine sich zu einer Verteidigungsrede aufrafft, die das Volk rasend macht, und es im leidenschaftlichen Proteststurm gegen die Schranken des Revolutionstribunals wirft.

Und welche Mühe gab er sich mit unseren schriftlichen Arbeiten!

Ich habe noch Hefte aus jener Zeit, in denen oft das Rot-Geschriebene die schwarzen Buchstaben erdrückt; und doch war die Arbeit 'satisfaisant', wenn nicht gar 'bien fait'. Beim Eintritt in die Oberstufe fiel mir die Kurswahl denn auch nicht schwer, und obwohl ich leise den Deutschkurs als zweite Möglichkeit erwog, entschied ich mich doch für das mir Näherliegende: den Neusprachenkurs.

Hier galt es nun, zwei in ihrem Charakter völlig verschiedenartige Fremdsprachen: das Französische und das Englische zu verbinden, daß die hierbei zu überwindenen Schwierigkeiten ganz beträchtlich sind zeigt sich schon daran, daß es nur wenig Neuphilologen gibt, die beide Idiome wirklich gleichwertig beherrschen. Ich persönlich fand mich aber mit diesen Schwierigkeiten verhältnismäßig leicht ab. Zog mich einerseits das Formgefühl des Franzosen und das klare, straffe analytische Wesen seiner Sprache an, so liebte ich im Englischen, gleichsam wie zum innernen Ausgleich, die lockere, freie und vielfältigere Ausdrucksweise. Die englische Sprache liegt uns Deutschen, ihres germanischen Einschlags wegen, in der Regel ja auch bedeutend besser, als diejenige unseres westlichen Nachbarvolkes. Ich habe mich beiden Sprachen fortan in gleicher Weise gewidmet und habe daher auch in beiden eine gewisse Fertigkeit in der Ausdrucksweise erlangt. Zur größeren Vervollkommenung meiner sprachlichen Kenntnisse plante ich vor ungefähr 2 Jahren mich an einem Schüleraustausch zu beteiligen. Dies scheiterte aber an der Unlust meiner Kurskameraden einerseits und den schlechten Erfahrungen, die wir mit französischen Austauschschülern, zwei Studenten, ein Jahr vorher gemacht hatten.

Leider wurde die Konzentration und Einseitigkeit unseres Kursunterrichtes durch allzu häufigen Lehrerwechsel getrübt.

In den letzten Monaten allein hatten wir nach dem Tode unseres Dr. [Richard] Tourbier 3 verschiedenen Kursleiter. Vielleicht hat gerade diese Störung verhindert, daß ich mich allzusehr auf meine Kursfächer beschränkte; denn so habe ich mich auch mit den mehr naturwissenschaftlich-mathematischen Gebieten eingehender beschäftigen können und bin daher, im ganzen gesehen, ziemlich gleichmäßig vorgebildet.

Unser Leben in Scharfenberg gliedert sich in 2 Teile: in das Unterrichtliche und in das außerhalb der Schulzeit liegende. Bevor wir nach Scharfenberg kamen, widmeten wir den größten Teil des nachmittags dem Elternhaus, womit das Problem der Freizeit für uns eindeutig gelöst war. Auf unserer Inselschule mußte also, damit am Nachmittag kein Loch entstünde, etwas Anderes, Gleichwertiges an diese Stelle treten. Hieran hat es bei uns auch nie gemangelt; denn in einer Gemeinschaft, die 100 Jungen umfaßt, ergibt sich ganz natürlich eine Mannigfaltigkeit der Abwechslung; sei es die Ausübung der durch eine geordnete Verwaltung bedingten Ämter, oder aber die Verschiedenartigkeit der Interessen und Neigungen der Jungen selbst. Bei uns hat das Problem der Organisation der Freizeit als solches nie bestanden.

Von besonderer Bedeutung für unser Leben in Scharfenberg sind unsere Feste. Wie beim Arbeitsnachmittag finden sich hier alle Scharfenberger zu ihren Festvorbereitungen zusammen. Ich habe bei jedem Erntefest von neuem beobachten können, wie nach gemeinsamer Tätigkeit (was Vernachlässigung aller Sonderinteressen erforderte) die Schülerschaft geschlossener war und sich erneut bewußt als Einheit fühlte.

In meiner ersten Scharfenberger Zeit verstand ich von all' dem naturgemäß noch recht wenig und nahm auch einen entsprechend geringen Anteil an allem. Mit meiner fortschreitenden geistigen und körperlichen Entwicklung wuchs ich langsam ins Scharfenberger Leben mit seinen Pflichten, Aufgaben und Forderungen hinein.

In Scharfenberg habe ich eine Vorliebe fürs Theaterspielen bekommen; denn in Scharfenberg wird viel Theater gespielt. Im Neubausaal, unserem Hauptunterrichtssaal, ist hinten eine kleine Bühne eingebaut, die zwar zu Aufführungen von kleineren Einzelszenen vorzüglich geeignet ist, größeren Darbietungen jedoch nicht ganz genügt.

Schöner und größer, weil nicht an Raum und Ort eng gebunden, kann dagegen eine Aufführung im Freien gestaltet werden; und diesen Vorteil einer Wiesen-Wald-Wasserumgebung haben wir nie zu nutzen vergessen. Ein Scharfenberger Fest ohne Theaterstück ist undenkbar, und so kommt es, daß bei unserem Erntefest, das sich mit wachsender Nutzung unseres Bodens allmählich zum Hauptereignis des Jahres herausgebildet hat, ein Theaterstück gewöhnlich in den Mittelpunkt gerückt ist. Wie bei den technischen Vorbereitungen, wurden auch beim Verteilen der Rollen möglichst alle Scharfenberger berücksichtigt.

Bei meinem ersten Erntefest auf Scharfenberg sollte ich die Rolle eines alten, ehrwürdigen Eremiten spielen, obwohl ich damals eine helle, hohe Kinderstimme hatte. Es muß sich denn wohl auch recht putzig angehört haben. Mitten in der Rede wurde ich plötzlich gewahr, daß ich mit viel zu hoher, einem alten Einsiedler recht unähnlicher Stimme sprach, und versuchte nun, möglichst unauffällig, auf die für mich tiefmöglichste Tonlage herunterzukommen.

Bis zum nächsten Erntefest hatte ich in Aufführungen kleinere Einzelszenen und bei Deklamationsstunden im Gesamtunterricht bewiesen, daß ich Verse und auch Prosa gut zu sprechen verstand. Als wir daher im folgenden Herbste Kayßlers 'Simplizius' aufführten, spielte ich schon eine der Hauptrollen: Prinzessin Jarinda. Hier merkte ich zum ersten Mal, wie laut man spechen, und wie übertrieben-stark man artikulieren muß, um im Freilichttheater auch noch den 25 m entfernt sitzenden Zuschauern verständlich zu bleiben.

Auf weit höherer Stufe, weil unter fachmännischer Leitung vorbereitet, stand unsere Aufführung im nächstfolgenden Jahre.

Schon monatelang vorher erhielten wir Unterricht bei einem Sprechtechniker, der mit seiner Methode des Bauchatmens, verbunden mit einer ausgezeichneten Pflege der Artikulation, uns dazu befähigte, die 'Braut von Messina' in würdiger Weise zur Darbietung zu bringen. Wir Hauptdarsteller (ich spielte die Königinmutter Isabella) wurden hierbei einen besonders intensiven Training unterzogen. Unermüdlich mußten wir die Rollen 'durchflüstern' und zwar dabei die Konsonanten mit solcher Präzision und Scharfe artikulieren, daß man jedes Wort auf 50m Entfernung noch deutlich verstehen konnte. Die Aufführung selbst bewies dann erst, wie wichtig unsere gründliche Vorbereitung gewesen war. Es wehte an diesem Tage ein leichter Wind von den Zuschauern her, und wenn auch dieser widrige Umstand die elementarwuchtige Wirkung unserer Massenchöre nicht zu beeinträchtigen vermochte, wir Einzeldarsteller hätten wohl ohne jene gründliche Vorbereitung die nahezu 3 Stunden währende Aufführung kaum durchgestanden.

Es ist stets ein langer, mühsamer Weg vom ersten Lesen des Stückes bis zur eigentlichen Aufführung. Meine erste Aufgabe war gewöhnlich, mich mit der Person, die ich verkörpern sollte, vertraut zu machen. Ich erreichte das, indem ich mir die Rolle öfters laut vorlas. Auf einem Spaziergang durch die Insel brachte ich mir in Muße durch wiederholtes sorgfältiges Durchsrechen den Tonfall bei und gliederte den Text durch Anmerken der Hebungen, Pausen und Senkungen, wobei ich nicht versäumte, mich mehr und mehr in die von mir darzustellende Person hineinzudenken und mich mit ihrem Charakter, ihren Eigenheiten vertraut zu machen. Nun konnte ich schon mit meinen Mitspielern einzeln Szenen lesen.

Es ist zweckmäßig, gleich diese Anfangsproben möglichst da abzuhalten, wo später die Bühne stehen soll. Dadurch gewöhnen sich die Darsteller schon früh an den ihren zur Verfügung stehenden Raum und verfallen nachher nicht in den Fehler, daß sie einander verdecken und behindern, was sehr die Wirkung des Bühnenbildes beeinträchtigt.

Noch auf eine andere Ungeschicktheit, die besonders Anfängern eigen ist, hat der Regisseur schon hierbei zu achten. Diese glauben gewöhnlich, daß man sich einer Person, mit der man spricht, auch voll zukehren muüsse. Auf die alltägliche Unterhaltung trifft dies sicherlich zu. Wollte man diese Regel aber auf die Bühne übertragen, so würde der Sprecher oft gezwungen sein, den Zuschauern den Rücken zuzukehren, was die Verständlichkeit stark beeinträchtigen würde.

Auf der Bühne kann und muß man deshalb, wenn irgend möglich, sich zu den Zuschauern kehren, und es genügt oft schon eine einfache Handbewegung nach der Seite des Gegenspielers, um den Eindruck der unmittelbaren Anrede zu erwecken.

Probe folgt nun auf Probe. In der Zwischenzeit wird fleißig 'Rolle gelernt'. Doch auch hier ist einiges zu beachten.

Bei jedem Hersagen des Textes, handele es sich auch nur um ein einfaches Rekapitulieren, nie darf man dabei ins gedankenlose Herunterrasseln der Worte, ins 'Leiern' verfallen. Ich vermied diesen Fehler am leichtesten, indem ich die Rolle langsam 'durchflüsterte', d.h. stimmlos sprach. Hierbei schonte ich einerseits meine Stimmbänder, die ja bei Theaterproben im Freien besonders stark beansprucht werden und konnte dafür meine ganze Aufmerksamkeit der richtigen Satzbetonung und der schärferen Artikulation der Konsonaten zuwenden.

Dasselbe trifft für jede Art der Deklamation und des auswendigen Hersagens überhaupt zu. Ich habe stets an mir selbst erfahren, wie nachteilig sich diese lässige Unachtsamkeit auswirkt. War der Schwung, die innere Anteilnahme erst einmal zerstört, so fiel es mir nachher sehr schwer, diesen Mangel wieder auszugleichen.

Haben sich die Darsteller alle vom Manuskript 'frei gemacht', so treten die Vorbereitungen in ein neues Stadium: das eigentliche 'Spiel' beginnt. Man beherrscht nun den Text, die Handlung kommt in Fluß, man spielt sich aufeinander ein. Doch es genügt keineswegs, wenn nur die Schauspieler unter sich 'Kontakt haben'. Auch die Zuschauer müssen gleichsam mit magischen Fäden in den Bannkreis der Handlung einbezogen sein. Erst wenn das Publikum mitgeht und das Stück Phase um Phase mit steigender Anteilnahme verfolgt, kann der einzelne Darsteller sein Bestes geben und damit der Erfolg vollkommen werden.

Bei Aufführungen an unserem Erntefest konnten wir von vornherein mit einem dankbaren Publikum rechnen. Die Eltern der Schüler, Gönner der Schulfarm oder ehemalige Scharfenberger sind hierbei weitaus in der Mehrzahl. Sie kommen nicht zu uns, um hohe künstlerische Leistungen zu schauen, (dies Bedürfnis könnten sie in Berlin ja besser befriedigen); als Menschen von echtem Scharfenberger Geist ist ihnen das 'Was' weit wichtiger als das 'Wie'; denn 'es kommt ja weniger darauf an, was man macht, wenn man nur was macht.'

Scharfenberg will seine heranwachsende Jugend zur Produktivität, zur Freude am Schaffen erziehen; denn eine Schule erfüllt ihren wesentlichen Zweck erst dann, wenn in ihr die jungen Menschen Vitalität sammeln für ihr späteres Leben, für die Jahre der Reife.

Da die Aufführung unserer 'Braut von Messina' am Erntefestsonntag gut gelungen war, wollten wir einmal den Versuch wagen und die Aufführung vor fremden Publikum wiederholen. Von unseren selbstgefertigten Werbeplakaten aufmerksam gemacht, fand sich bei uns eine stattliche Besucherzahl ein. Sei es nun, daß das regnerische Wetter uns die Stimmung verdorben hatte, oder aber die Überwindung der abfänglichen kalten Zurückhaltung unserer Besucher doch zu große Schwierigkeiten machte, wir waren wenigstens alle der Meinung, daß die Uraufführung am Erntefest besser gewesen war und uns auch mehr Spaß gemacht hatte.

Viel Aufmerksamkeit erregte bei unseren Gästen der neue Mannschaftswagen unserer Schülerfeuerwehr, den wir, um allen Eventualitäten vorzubeugen, am Ufer des Sees in Stellung gebracht hatten.

Unsere Scharfenberger Feuerwehr, der ich seit 2 Jahren angehöre, arbeitet mit der freiwilligen Tegelorter Wehr zusammen. Bei mancher Gelegenheit haben wir schon einander Hilfe gebracht.

Wir Feuerwehrleute waren auf Scharfenberg jedoch nicht die einzigen, die eine Uniform trugen und regelmäßige Übungen inner- und außerhalb Scharfenbergs abhielten. Auch eine Kameradschaft der H.J. und eine Jungvolkgruppe gibt es bei uns schon seit langem. Durch die umwälzenden politischen Ereignisse in Deutschland angeregt, beschäftige auch ich mich eingehende mit den Zielen der nationalen Jugendbewegung, und da ich fand, daß sie ungefähr die gleichen ethischen Grundforderungen vertrat wie sie in Scharfenberg schon seit langem richtungsgebend waren, so trat ich ein. Doch ich wurde, das muß ich offen sagen, ziemlich enttäuscht; denn gerade um das Führerprinzip, von dem ich so viel Gutes erhofft hatte, war und ist es hier noch übel bestellt.

Die Führer, welche doch in allem Vorbild sein sollten, waren dieser Auszeichnung mit einer einzigen Ausnahme keineswegs würdig. Sie sind in erster Linie dafür verantwortlich, daß mit dem Anwachsen der H.J. ein rüder Ton in Scharfenberg einriß. Sie vergaßen, daß man einen geraden Menschen nicht mit einer grünen oder grauen Kordel imponieren kann, wenn sich ganz offensichtlich dahinter nur ein Jammerlappen verbirgt. Es war schmerzlich für uns Mitglieder der H.J. Vorwürfe dieser Art von anderen Scharfenbergern anhören zu müssen. Da sagte man uns oft: 'Was habt ihr denn vor uns, die wir nicht in einer Schar sind, voraus?' Jungen, die sich um Pöstchen raufen, in moralischer Hinsicht aber den Scharfenberger Forderungen nicht genügen, könnten uns als Vorgesetzte wenig bieten.'

Diese Einwände sind ohne Zweifel zum großen Teil berechtigt, und es zeugt von einer allgemeinen inneren Unreife und Schwäche unserer Gruppe, daß sie bisher noch nicht diese Mängel zu beheben vermochte.

Je näher das Abitur rückte, desto mehr wandte ich mich naturgemäß den geistigen Interessen zu und löste mich allmählich von allem, was außerhalb desselben liegt. Gleichzeitig beschäftigte ich mich auch immer mehr die Frage der Berufswahl.

Ich möchte gerne die neuen Sprachen studieren; doch da mein Vater schwerkriegsbeschädigt ist, noch dazu mehrere Jahre hindurch arbeitslos war, wird dieser Wunsch wohl kaum in Erfüllung gehen können. Andernfalls würde ich mich damit trösten müssen, das Sprachenstudium vorläufig als private Liebhaberei weiter zu treiben.

Einstweilen werde ich mich jedoch um eine Beamten- oder kaufmännische Stelle bemühen müssen.






Summary:

The 'Schulfarm Insel Scharfenberg' (Berlin), a boarding school for boys, which was founded in 1922, was one of the most important experimental state schools belonging to the new education movement of the Weimar Republic. In contrast to its significance it has been more or less forgotten by researchers of the history of education.

There exists a great number of published and unpublished written and pictorial sources for the study of its history, among them also pupils' works.

These varied works, which were not only produced in the context of lessons and subjects, were often inspired by the daily life on the island of Scharfenberg. Their themes were not restricted to a few aspects of life but covered almost every part of it.

The essays and works of art which the boys produced show that the school saw itself as a radically democratic community in which life and education were based on the same rights for each member. Everybody actively took part in creating the lifestyle and educational principles of the 'Schulfarm'.

For the exploration of daily life and educational practice at the 'Schulfarm' it is important to study all the available sources and in this context the works of the pupils are important materials.






Anmerkungen

Anm. 1:
Weitere Auskünfte über die Schulfarm: Dietmar Haubfleisch, Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik, Frankfurt [u.a.] 1999 [vgl. Kurzinfo] - Und: Quellen zur Geschichte der Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin). Hrsg. von Dietmar Haubfleisch, Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/welcome.html - Sowie z.B.: Dietmar Haubfleisch, Berliner Reformpädagogik in der Weimarer Republik. Überblick, Forschungsergebnisse und -perspektiven. In: Die Reform des Bildungswesens im Ost-West-Dialog. Geschichte, Aufgaben, Probleme. Hrsg. von Hermann Röhrs und Andreas Pehnke (=Greifswalder Studien zur Erziehungswissenschaft, 1), Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 117-132; unveränd. wieder in: Ebd., 2., erw. Aufl., Frankfurt [u.a.] 1998, S. 143-158; leicht akt. wieder: Marburg 1998: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0013.html - Dietmar Haubfleisch, Die Schulfarm Insel Scharfenberg. Ein Beitrag zur Überwindung der traditionellen Schule in der Weimarer Republik. In: Schule ist mehr als Unterricht. Beispiele aus der Praxis ganztägiger Erziehung. Hrsg. von Christian KUBINA (=Materialien zur Schulentwicklung, 18), Wiesbaden 1992, S. 126-140; mit akt. Anmerkungsteil wieder: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0010.html - Dietmar Haubfleisch, Schulfarm Insel Scharfenberg. Reformpädagogische Versuchsschularbeit im Berlin der Weimarer Rpublik. In: "Die alte Schule überwinden". Reformpädagogische Versuchsschulen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. Hrsg. von Ullrich AMLUNG, Dietmar Haubfleisch, Jörg-W. Link und Hanno Schmitt (=Sozialhistorische Untersuchungen zur Reformpädagogik und Erwachsenenbildung, 15), Frankfurt 1993, S. 65-88 [künftig zit. als: Haubfleisch, Schulfarm (1993a)]. - Dietmar Haubfleisch, Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik [Forschungsbericht]. In: Mitteilungen & Materialien. Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum e.V., Berlin, Heft Nr. 39/1993, S. 115-119 [künftig zit. als: Haubfleisch, Schulfarm (1993b)]. - Dietmar Haubfleisch, 'Schülerarbeiten' als Quelle zur Erschließung der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität der Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) in der Weimarer Republik. In: Towards a History of Everyday Educational Reality. Ed. by Marc Depaepe, Max Liedtke and Frank Simon (=Paedagogica Historica. International Journal of the History of Education. New series, 31,1), Gent 1995, S. 151-180. - Wieder: Marburg 1999: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0002/welcome.html - Dietmar Haubfleisch, Die Schulfarm Insel Scharfenberg in der NS-Zeit. In: Weimarer Versuchs- und Reformschulen am Übergang zur NS-Zeit. Beiträge zur schulgeschichtlichen Tagung vom 16. - 17. November 1993 im Hamburger Schulmuseum. Hrsg. von Reiner Lehberger (=Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichtsgeschichte, 6), Hamburg 1994, S. 84-96. - U.d.T. 'Die Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) in der NS-Zeit' und im Anmerkungsteil leicht verändert wieder: Marburg 1997: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1997/0007.html - Dietmar Haubfleisch, Die Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) nach 1945. In: Schulen der Reformpädagogik nach 1945. Beiträge zur dritten schulgeschichtlichen Tagung vom 15. bis 16. November 1994 im Hamburger Schulmuseum. Hrsg. von Reiner Lehberger (=Hamburger Schriftenreihe zur Schul- und Unterrichtsgeschichte, 7), Hamburg 1995, S. 57-93. - Im Anmerkungsteil leicht verändert wieder: Marburg 1997: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1997/0008.html - Dietmar Haubfleisch, Schulfarm Insel Scharfenberg (Berlin) - oder: Vom Nutzen der Geschichte. In: Zeitschrift für Erlebnispädagogik, Jg. 16 (1996), Heft 2/3: Februar/März, S. 5-19. - Leicht veränd. Neuausg., unter Weglassung der Abbildungen, Marburg 1996: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1996/0001.html -

Anm. 2:
Die 'Erinnerungen' der ehemaligen Lehrkräfte und Schüler als eine wichtige Quelle seien in diesem Zusammenhang hier wenigstens kurz erwähnt.

Anm. 3:
Vgl. zu den Quellenbeständen zum Thema (bislang): Haubfleisch, Schulfarm (1993b), S. 116-118.

Anm. 4:
Das Werdende Zeitalter. Hrsg. von Elisabeth Rotten [ab Jg. 5 (1926) gemeinsam mit Karl Wilker], [wechselnde Erscheinungsorte]. Jg. 1 (1922) - 11 (1932). - Dazu: Das Werdende Zeitalter (Internationale Erziehungs-Rundschau). Register sämtlicher Aufsätze und Rezensionen einer reformpädagogischen Zeitschrift in der Weimarer Republik. Zusammengestellt und eingeleitet von Dietmar Haubfleisch und Jörg-W. Link (=Archivhilfe, 8), Oer-Erkenschwick 1994 ; Auszug der Einleitung (S. 5-16) wieder in: Mitteilungen & Materialien. Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum e.V., Berlin, Heft Nr. 42/1994, S. 97-99; Einleitung in leicht korr. Fassung u.d.T.: 'Dietmar Haubfleisch / Jörg-W. Link: Einleitung zum Register der reformpädagogischen Zeitschrift 'Das Werdende Zeitalter' ('Internationale Erziehungs-Rundschau')' wieder: Marburg 1996: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1996/0012.html

Anm. 5:
Protokoll der 84. Abendaussprache (1928). In: Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg, Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg [künftig zit. als: Berlin, LA, SIS: CH], VII, o.S. - Bereits 1926 war im 'Werdenden Zeitalter' ein kurzer Bericht über die Schulfarm von Gerhard Metz, der von 1922 bis 1926 Schüler der Schulfarm gewesen war, veröffentlicht worden: Gerhard Metz, Schulfarm Scharfenberg. In: Das Werdende Zeitalter. Eine Monatsschrift für Erneuerung der Erziehung, Jg. 5 (1926), S. 179-183. - Zu Beginn des Jahres 1928 erschien ein zweiter, von Elisabeth Rotten verfaßter Artikel, der ausführlicher auf die Schulfarm einging: Elisabeth Rotten, Das Janusgesicht der Schule. In: Das Werdende Zeitalter. Eine Monatsschrift für Erneuerung der Erziehung, Jg. 7 (1928), S. 1-4.

Anm. 6:
Protokoll der 84. Abendaussprache (1928). In: Berlin, LA, SIS: CH, VII, o.S: "Die erste Frage ist: Sollen wir mit oder ohne Kommission arbeiten? [...]. Schließlich nach langer Debatte [...] entscheidet man sich für eine Sieben-Männer-Kommission."

Anm. 7:
Protokoll der 84. Abendaussprache (1928). In: Berlin, LA, SIS: CH, VII, o.S. - Im Protokoll der 85. Abendaussprache vom 09.08.1928. In: Berlin, LA, SIS: CH, VII, o.S., hört man vom Fortschreiten der Arbeit: "Darauf nahm die Kommission für das 'Werdende Zeitalter' das Wort, indem sie noch einmal um rege Mitarbeit bat. Sie hätte zwar schon eine Reihe von Beiträgen erhalten, aber meistenteils von Außenstehenden, die Inselbewohner ließen noch auf sich warten. Der Endtermin wurde auf den 15. August festgesetzt."

Anm. 8:
Berlin, LA, SIS: CH, VII, o.S.


Anm. 9:
Friedrich Kilchemann, Aus der Kleinarbeit des Weltbundes. Vereinigung der Pädagogischen Locarnofreunde in der Schweiz. In: Das Werdende Zeitalter. Eine Monatsschrift für Erneuerung der Erziehung, Jg. 7 (1928), S. 405- 408.

Anm. 10:
Als Einzelheft ist es so heute noch im Besitz ehemaliger Scharfenbergschüler bzw. deren Nachkommen.

Anm. 11:
Neben der 'Scharfenberg-Nummer' im 'Werdenden Zeitalter' gibt es über die Schulfarm eine ganze Reihe weiterer gedruckter Quellen, von denen hier hervorgehoben seien: die erste umfangreichere Selbstdarstellung der Schulfarm: Wilhelm Blume, Die Schulfarm auf der städtischen Insel Scharfenberg bei Berlin. In: Deutsche Schulversuche. Hrsg. von Franz Hilker, Berlin 1924, S. 312-330, außerdem der sich mit der Publikation im 'Werdenden Zeitalter' vielfach kreuzende und diesen vor allem durch eingehendere pädagogische Reflexionen ergänzende Aufsatz: Wilhelm Blume, Die Schulfarm Insel Scharfenberg. In: Das Berliner Schulwesen. Hrsg. von Jens Nydahl. Bearbeitet unter Mitwirkung Berliner Schulmänner von Erwin Kalischer, Berlin 1928, S. 135-186 und S. 568f.; kurzer Auszug wieder in: Die deutsche Jugendbewegung 1920 bis 1933. Die bündische Zeit. Hrsg. von Werner Kindt (=Dokumentation der Jugendbewegung, 3), Düsseldorf [u.a.] 1974, S. 1462-1466.

Anm. 12:
Wilhelm Radvann, Beiträge zur Geschichte der Insel Scharfenberg im Tegeler See. In: Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins, Jg. 46 (1929), S. 12- 25.

Anm. 13:
Adresse: Schulfarm Insel Scharfenberg, 13505 Berlin.

Anm. 14:
Berlin, LA, SIS: Chronik der Schulfarm Insel Scharfenberg, 7 Bde. (1922-1929/32) [Bd. I (1922), Bd. II (1922-1923), Bd. III (1923), Bd. IV (1923-1924), Bd. V (1924-1927), Bd. VI (1927), Bd. VII (1928-1929/1932)]. - Walter Lehmann, Die Schulfarm Insel Scharfenberg. In: Pädagogisches Zentralblatt, Jg. 5 (1925), S. 145-167, hier S. 155: "Die Lektüre der von Lehrern und Schülern gemeinsam geführten Chronik gewährt köstliche Einblicke in das Schulleben dieser Werdenden [=der Jugendlichen]."

Anm. 15:
Das Foto ist u.a. abgebildet in: Blume, Schulfarm (1928), S. 153. - Berlin, LA, SIS: CH, V, S. 172f.: "Bald nach Schulbeginn [im Frühjahr 1925] [...] fing Arnold Fritz mit der Ausmalung des sogenannten Blumezimmers an, das er in den nächsten 2 Monaten mit einem Bilderfries nach eigener Wahl und eigenem Entwurf versehen durfte: ein Auftrag, der eine Folge der Weihnachtsausmalung des Verstibüls war. Der Photograph der Atlanticphotogesellschaft, der uns in dieser Zeit einmal wieder heimsucht [...], hat unseren Wandmaler bei der Arbeit festgehalten. Dort malt er gerade am Don Quichotebild - auch die anderen 6 Bilder stellen Liebesszenen der Weltliteratur dar, wie sie in den Schränken darunter aufgestellt sind."

Anm. 16:
S. z.B.: Berlin, LA, SIS: CH, V, S. 310-312.

Anm. 17:
Es fanden in diesem Zeitraum insgesamt 93 Abendaussprachen statt; von diesen fehlen in den Chronikbänden lediglich 8 Protokolle; das Protokoll einer weiteren, der 18. Abendaussprache vom 20.10.1922 (im ersten Band der Chronik), ist unleserlich, da die betreffende Seite diagonal herausgerissen ist.

Anm. 18:
Es kann als den Stellenwert der Abendaussprachen treffend charakterisierend bezeichnet werden, wenn der neu in die Scharfenberger Gemeinschaft eintretende Lehrer Bandmann in der 31. Abendaussprache vom 16.05.1923 erklärte, er habe in den beiden Aussprachen, an denen er bislang teilgenommen habe, "über Scharfenberg viel mehr erfahren [...], als ich es sonst getan hätte" (Protokoll der 31. Abendaussprache vom 16.05.1923. In: Berlin, LA, SIS: CH, II, S. 8).

Anm. 19:
S. z.B.: Wilhelm Richter, Radikaldemokratisches Freiheitsexperiment. Zum Tode Wilhelm Blumes, des Gründers von Scharfenberg - Schon damals Kern- und Kursunterricht. In: Der Tagesspiegel. Unabhängige Berliner Morgenzeitung vom 29.11.1970; u.d.T. 'Nachruf auf Wilhelm Blume [...]' wieder in: Wilhelm Richter, Schulerinnerungen, Berlin 1976, S. 58-61 [als Dok. Nr. III].

Anm. 20:
S. z.B.: Protokoll der 47. Abendaussprache (1924). In: Berlin, LA, SIS: CH, V, S. 31, sowie: Protokoll der 86. Abendaussprache (1927). In: Berlin, LA, SIS: CH, VII, o.S.

Anm. 21:
Aus dem Leben, S. 344.

Anm. 22:
Berlin, LA, SIS: Ewald Albrecht, Julius Caesar. Reflected in Some Roman and English Literature, Jahresarbeit 1932 (mit Beurteilung von Richard Tourbier).

Anm. 23:
Berlin, LA, SIS: Hellmut Jaesrich, Das große und das kleine Britannien, Jahresarbeit, 1926 (mit Beurteilungen u.a. von Wilhelm Blume). - Vgl.: Aus dem Leben, S. 346.

Anm. 24:
Berlin, LA, SIS: Herbert Bestehorn, Ford - Gandhi - Lenin. Eine Auseinandersetzung mit unserer Zeit, hdsch. Jahresarbeit, November 1932.

Anm. 25:
Berlin, LA, SIS: Werner Astheimer, Die Moselschleife bei Zell. Bau eines Modells, methodischer und wissenschaftlicher Begleittext. Jahresarbeit, November 1926 (mit Beurteilungen u.a. von Ernst Sorge und Wilhelm Blume).

Anm. 26:
Berlin, LA, SIS: Hellmut Heyn, Die Glocknergruppe in den Hohen Tauern - Bau eines Modells - methodischer und wissenschaftlicher Begleittext'. Jahresarbeit, Februar 1927 (mit Beurteilungen u.a. von Ernst Sorge).

Anm. 27:
Berlin, LA, SIS: Walter Jenke, Die Vermessung der Insel, Jahresarbeit, November 1926 (mit Beurteilungen u.a. von Ernst Sorge).

Anm. 28:
Berlin, LA, SIS: Heinz Franke, Untersuchung der Wohn- und Arbeitsräume der Schulfarm Scharfenberg vom lichttechnischen Standpunkt, Halbjahresarbeit, o.J. (mit Beurteilungen von Otto Friesecke).

Anm. 29:
Berlin, LA, SIS: Heinz Franke, Untersuchung der Wohn- und Arbeitsräume der Schulfarm Scharfenberg vom lichttechnischen Standpunkt, Halbjahresarbeit, o.J. (mit Beurteilungen von Otto Friesecke).

Anm. 30:
Berlin, LA, SIS: Karl Schreck, Untersuchungen der Scharfenberger Milch. Jahresarbeit zum Abitur Ostern 1934 (mit Beurteilungen von Kurt Wenke).

Anm. 31:
Berlin, LA, SIS: Karl Schreck, Untersuchungen der Scharfenberger Milch. Jahresarbeit zum Abitur Ostern 1934 (mit Beurteilungen von Kurt Wenke).

Anm. 32:
S. dazu bes.: Versetzungs- und Prüfungsbestimmungen für die öffentlichen höheren Lehranstalten in Preußen. Amtliche Bestimmungen. Zusammengestellt und erläutert von Karl Metzner und Karl Thiele. Zusammengefaßte neue Aufl. (Stand vom 6. August 1928) (=Weidmannsche Taschenausgaben von Verfügungen der Preußischen Unterrichtsverwaltung, 41), Berlin 1929. - Vgl. dazu: Haubfleisch, Schulfarm (1993a), S. 79f.

Anm. 33:
Ein Teil dieser Mappen findet sich in: Berlin, LA, SIS. - Eine Beschreibung der sechs Mappen findet sich in: Berlin, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung / Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung / Archiv (BBF): Sammlungen der ehemaligen Gutachterstelle für das deutsche Schul- und Studienwesen: Jahresberichte für das Schuljahr 1932/33, Bd. 248d, Nr. 88: Berlin, Schulfarm Insel Scharfenberg (Blume), S. 25-27. - Vgl. dazu auch: Wilhelm Blume/Gerhard Frühbrodt, Das dreizehnte Schuljahr. 7 Kapitel zu seiner Problematik und praktischen Gestaltung (=Vergleichende Erziehung. Schriftenreihe der Pädagogischen Arbeitsstelle, 4), Wiesbaden 1955, S. 103-118 (=Kap. 'Ein Jahresprotokoll als Einlage zur Verdeutlichung des Methodischen').

Anm. 34:
Berlin, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung / Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung / Archiv (BBF): Sammlungen der ehemaligen Gutachterstelle für das deutsche Schul- und Studienwesen: Jahresberichte für das Schuljahr 1932/33, Bd. 248d, Nr. 88: Berlin, Schulfarm Insel Scharfenberg (Blume), S. 27.

Anm. 35:
Vgl. dazu auch: Ernst Wiechert, Ein Mensch ist niemals arbeitslos. Eine Abiturrede, gehalten von Ernst Wichert im Jahre 1929 in Königsberg. In: Die Zeit vom 24. Juli 1981; das Zitat findet sich auch wieder in: Wolfgang Pewesin, Rede, gehalten auf der Feier zum 60jährigen Bestehen der Schulfarm Insel Scharfenberg am 22. Mai 1982, in: 60 Jahrfeier. Eine Nachlese (=Neue Scharfenberg-Hefte, 4), Berlin 1983, S. 5-16, hier S. 6f.: "[Wir] sind [...] nicht ganz ohne Verständnis und Anerkennung geblieben, nicht nur in den [eigenen] Mauern, sondern auch daraußen. Eure Abiturientenaufsätze hat ein Ministerialrat [=Metzner!] gelesen, dem alle Schulen Ostpreußens und Groß-Berlins unterstehen. Und er hat mir gesagt, solche [Abituriums-] Aufsätze bekomme er nur noch von einer Stelle zu lesen. Es ist eine Insel bei Tegel, und auf ihr, nur durch eine Fähre zu erreichen, liegt ein kleiner Staat, eine Aufbauschule ohne Lehrplan, mit Schülern, die den Acker selbst bestellen und ihr Schulgeld nach Selbsteinschätzung zahlen [...], eine Hochbegabtenrepublik [!] mit Selbstverwaltung. Von dieser Schule stammen die Aufsätze, die mit den eurigen zu vergleichen sind. Und als ich es hörte, war es mir eine große Freude [...]." - Quellen zu den Abiturien 1923-1929 und 1932-35 befinden sich im Archiv der Schulfarm, im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (Berlin) sowie im Bundesarchiv (Berlin).

Anm. 36:
Berlin, LA, SIS: Prüfungsunterlagen, Mappe 3: Reifeprüfungen 1925-1935.

Anm. 37:
Berlin, LA, SIS: Prüfungsunterlagen, Mappe 3: Reifeprüfungen 1925-1935.

Anm. 38:
Hermann Röhrs, Die Reformpädagogik - Illusion oder Realität? Ein Kapitel der internationalen Reformpädagogik. In: Pädagogik und Schulalltag, Jg. 47 (1992), S. 562-583; wieder in: Hermann Röhrs, Reformpädagogik und innere Bildungsreform (=Hermann Röhrs, Gesammelte Schriftenm, 12), Weinheim 1998, S. 140-165; hier bes. (1992) S. 571-579.

Anm. 39:
Röhrs, Reformpädagogik (1992), S. 579.

Anm. 40:
Die Arbeit befindet sich in der Berlinische Galerie im Archiv J.A. Schmoll gen. Eisenwerth; abgebildet ist sie bislang in: Josef Adolf Schmoll gen. Eisenwerth, Ein Gespräch mit Dorothèe Gelderblom, Bielefeld, 3. Juli 1988. In: Rollenbilder im Nationalsozialismus - Umgang mit dem Erbe. Hrsg. von Stefanie Poley, Bad Honnef 1991, S. 382-389, hier S. 387.

Anm. 41:
Dieter Hoof, Die Schulpraxis der Pädagogischen Bewegung des 20. Jahrhunderts. Berichte und Unterrichtsbilder, Bad Heilbrunn 1969 (s. bes. Hoofs kritische Bemerkungen auf S. 9 und S. 28).

Anm. 42:
Vgl. den Sammelband: 'Die alte Schule überwinden'. Reformpädagogische Versuchsschulen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus, Hrsg. von Ullrich Amlung, Dietmar Haubfleisch, Jörg.-W. Link und Hanno Schmitt (=Sozialhistorische Untersuchungen zur Reformpädagogik und Erwachsenenbildung, 15), Frankfurt 1993.- Inhaltsverzeichnis wieder: Marburg 1997: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1997/0001.html

Anm. 43:
Vgl. hierzu etwa: Georges Duby/Guy Lardreau, Geschichte und Geschichtswissenschaft. Dialoge, Frankfurt 1982 [zuerst franz. 1980], bes. S. 184.

Anm. 44:
Berlin, LA, SIS: Prüfungsunterlagen, Mappe 3: Reifeprüfungen der Schulfarm Insel Scharfenberg 1925- 1935, hier: Reifeprüfung 1934, Bildungsgang von Erwin Witt, Abiturient der Schulfarm Insel Scharfenberg (1934).