Quelle: | Berlin, Landesarchiv: Rep. 140, Acc. 4573: Schulfarm Insel Scharfenberg |
Veröffentlichung: | Marburg 1999: https://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q61.html - Kap. 'Die 12jährige Zwischenherrschaft' zuvor in: Gutschalk, Rolf, Scharfenberg während der NS-Zeit. Einige Dokumente, in: 60 Jahre Schulfarm Insel Scharfenberg. 1922-1982. Jubiläums-Festschrift anläßlich des 60-jährigen Bestehens der Schulfarm Insel Scharfenberg (=Sonderheft der Fähre), Berlin 1982, S. 33-47; hier S. 46f. (als Dok. Nr. 10) |
Literatur: | Haubfleisch, Dietmar: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 39), Frankfurt [u.a.] 2001, bes. S. 880-884. |
"Sieben Wochen lang bin ich jetzt im neuen Scharfenberg, Jeder Außenstehende wird sagen, da läßt sich kaum mehr als die Beschreibung des Anfangs bieten. In jedem Anfang liegt aber die Zukunft verborgen.
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Ich kam hierher mit dem Wunsch, eine Möglichkeit zu finden, aufbauend zu arbeiten. Ich hatte genug von den blossen Ruf: Ändert das Schulwesen, und Ihr ändert das Volk. Was auf Scharfenberg nun anders werden sollte, wußte ich nicht. Ich empfand, die Leitung der neuen Schule lag in den Händen eines wahren Menschen mit einem Herzen voll Bereitschaft und Güte für Kinder. Die wichtigste Voraussetzung für die Schaffung des neuen Scharfenberg war da. Der Leiter war weiter derselbe, der die Inselschule einst gegründet und sie bis 1933 zu der Schulfarm ausgebaut hatte, die in Schulkreisen ein Begriff wurde. Und drittens schien es mir besonders wichtig, daß dieser Leiter sich bewußt war, daß wir heute nicht ohne weiteres an die abgebrochene Linie von 1933 anknüpfen können, daß wir alles Gute der verflossenen Zeiten benutzend von unseren jetzigen Gegebenheiten Weg und Ziel stecken müssen.
Die meisten unserer Kinder haben bereits ein hartes Schicksal erfahren müssen. 4 Jungen haben gar keine Eltern mehr, 24 haben keinen Vater, 2 haben keine Mutter; 10 Schüler sind Flüchtlinge aus Gebieten östlich der Oder. 4 Jungen sind aus Familien der "Opfer des Faschismus!" Fast alle Kinder haben ihre elterliche Wohnung durch Kriegseinwirkung verloren.
Der Gesundheitszustand unserer Kinder war denn auch bei der Aufnahme nicht sehr günstig. Nur zwei Jungen erreichten mit einem Untergewicht von nur 1 kg annähernd das Durchschnittsgewicht. Die meisten Jungen wogen 5-7 kg. zu wenig. Als Mangelerscheinungen machen sich besonders Hautkrankheiten unangenehm bemerkbar. 20 Jungen wurden nach der schulärztlichen Untersuchung als "lungengefährdet" erklärt.
Die geistige Kapazität, die die Kinder im Unterricht an den Tag legen, ist verhältnismäßig groß. Das schulfachliche Wissen und Können entspricht ihr allerdings nicht ganz.
Für die seelische Verfassung der Kinder mag folgendes Beispiel sprechen: Im Aufsatzunterricht hatte die 40-Schülerstarke a-Klasse die Aufgabe bekommen, ein Selbstgespräch zuschreiben. Nur 9 Jungen wählten ein "friedliches" Thema wie "Selbstgespräch einer Mutter beim Kochen", "Selbstgespräch des Robinson Crusoe" u.ä. Alle anderen Schüler wählten Selbstgespräche von Dieben, Mördern, Brandstiftern und Einbrechern. Ist dieses kleine Erlebnis einer Deutschlehrerin nicht ein grauenhafter Beweis für die Auswirkung einer verflossenen Zeit? Aber wir fühlen, diese Jungen sind noch alle zu retten, noch sind sie weich und formbar.
Dieser Schülerbestand gibt uns zunächst folgende Aufgabe: Bei Schonung der körperlichen Kräfte unserer Kinder ihren Wissensstand schnell durch gutdurchdachten, systematischen, methodischen Unterricht zu heben und vor allem die Herzen der Kinder für friedliche Lebensideale zu gewinnen.
Wir streichen Turnen aus dem Unterrichtsplan. Uns genügt vorläufig eine 10-Minuten lang dauernde morgendliche Gymnastik zur Lockerung und Ermunterung und das gelegentliche Tummelspiel. An anderer Stelle wird von land- und handwerklicher Arbeit geredet werden müssen, die für die körperliche Betätigung als Ausgleich zur geistigen Arbeit sorgt.
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Anknüpfungspunkte und Themen für unseren Unterricht in allen Fächern gibt uns die Insel reichlich. Wir brauchen auf keine neuen Lehrbücher zu warten. Das Thema: Insel, Wasser, Wald erfüllt alle Fächer in diesen ersten Wochen. Hier wird die Geschichte der Insel durchgenommen, eine Möglichkeit, von einer politisch ungefärbten Seite her das fehlebde Zeitbild- und chronologische Empfinden zu schaffen. Robinson Crusoe und Homerische Inselwelt werden erlebt. Ein Medaillon Homers befindet sich am Bollehaus! Weiche und zarte, lustige und herzhafte Volkslieder und Texte von Mathias und Hermann Claudius aus dem oben erwähnten Stoffkreis werden bei Arbeit und Spiel und an unseren gemeinsamen Abenden, an denen erzählt und vorgelesen wird, gesungen. Wie sind die Stimmen "verschrien". Noch lebt in den Herzen der Jungen der Klang der H.J.-Trommeln und das dröhnende Pauken ihrer H.J.-Lieder, bei denen "die morschen Knochen" einer Welt erzittern sollten. (Bald werden eine Anzahl "Landsknechte" - und Spielschartrommeln, die sich noch in einer Kammer auf unserer Insel fanden, in einem unter zu erwähnenden Handwerksunterricht zu Garten und Spieltischen und Hockern verarbeitet werden.) Eine kleine Musiziergruppe (Klavier, Geige und Flöten) ist im Begriff zu entstehen.
Für den Geographie-, Zeichen- und Biologieunterricht bietet der Inselstoffkreis einen herrlichen Arbeitsansatzpunkt. Alle Schüler sind inzwischen schon Pilzkenner geworden; in überraschend kurzer Zeit haben sie Körbe voll Stockschüpplingen, Hallimasch, Graukappen, Gelblingen ebenso die durch Masse wirkenden Parasols und die schmackhaften Feld-Champignons gesammelt. Auch das Abernten der Eßkastanien, der Rot- und Weißdorn-, Els- Mehlbeer- und Wildapfelbäume, der Hagebutten und Hollunderfrüchte sowie der Wacholderbeeren hatten zugleich theoretischen und praktischen Wert. Der Rahmen des Schulfachs wird auch sonst bei den Inselführungen häufig gesprengt; eins greift ins andere und wird mit der Zeit zu einer organischen Einheit. Der hier auf Scharfenberg gehandhabte Ganzheitsunterricht entspricht unserer Forderung, auf die einfachen natürlichen Grundlagen unseres Lebens zurück zu gehen. Der Unterricht soll aus der Gegenwart und dem das Kind umgebenden Leben erwachsen. Bestimmte Lebenskreise werden gleichzeitig in allen Fächern behandelt. So bleibt durch diese Gesamtschau die Einheit des Lebens im Bewußtsein des Kindes erhalten. Daneben soll bei geschickter Stoffanordnung auch der Fachunterricht stehen. Jedes Fach löst mit der ihm eigenen Struktur ganz bestimmte Kräfte im Schüler aus, die wir keines Falls missen können. Ganzheits- und Fachunterricht können beide den Übungsunterricht heute nicht entbehren; er beansprucht auf Scharfenberg augenblicklich noch einen recht großen Raum. Ohne ein Kapital an Kenntnissen und Fertigkeiten kommt kein Mensch im Leben aus.
Einige Sorgen macht uns die Religionsfrage. Laut Anordnung ist die religiöse Unterweisung dem Elternhaus und der Kirche Vorbehalten. Wohl hat der Großteil unserer Schüler ein Elternhaus, aber dieses Elternhaus hat ja den größten Teil des Einflusses an uns abgegeben. Von unseren 70 Jungen sind 49 evangelisch, 8 katholisch und 13 konfessionslos. Um die Gemeinsamkeit nicht zu zersplittern, finden wir uns alle einmal wöchentlich zu einem "besinnlichen Abend" zusammen. Religionsunterweisung ohne konfessionelle Grundlage. Die religio, die Bindung an eine höhere Macht, wie sie sich im Märchen und der Mythologie der Völker ausspricht, soll erlebt werden.
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Wie diese religio im Islam, im Christentum und anderen Religionen aussieht, soll aufgezeigt werden. Daß wir die christliche Religion als Mitgestalterin europäischer Kultur besonders gründlich betrachten werden, ist verständlich. Zur Toleranz der echten Grundlage der Demokratie, zu erziehen, ist unser Ziel (So wurde in diesem Sinne gleich in diesen ersten Wochen von Tolstoi "Im Kaffeehaus von Surate" [Anm. 12] vorgelesen und Lessings Ringparabel erzählt.) Diese besinnlichen Abende finden im Einverständnis der Eltern statt. Zur Erteilung des fakultativen Konfirmandenunterrichts kommt freilich der Tegelorter Pfarrer, "ein Jüngling näher dem Manne", auf die Insel.
An jedem zweiten Sonntag ist Besuchstag. Es ist unser Bestreben, die Eltern am Schulleben teilnehmen zu lassen. So trifft sich an diesen Nachmittagen alles zwanglos zu einer Unterhaltungsstunde in einem unserer Säle. Lehrer berichten von Schwierigkeiten und Erfolgen im Unterricht und im Zusammenleben. Schülern wird die Möglichkeit gegeben, gute Einzelleistungen der vergangenen 14 Tage vor das Forum der Elternschaft zu bringen; Aufsätze werden verlesen ein gutes Referat wird vorgetragen, Gedichte werdengesprochen, neue Lieder werden vor und mit den Eltern gesungen, eine englische Stunde wird im Ausschnitt gezeigt, sogar die Methodik des Mathematikunterrichts in praxi veranschaulicht. An diesen Nachmittagen haben selbstverständlich die Eltern auch Gelegenheit, Wünsche und Klagen vorzubringen. Im allgemeinen läßt sich feststellen, daß sie unsere Arbeit verständnisvoll begleiten.
In diesen ersten Wochen nach der Wiedereröffnung Scharfenbergs war es uns wenig möglich, den Farmcharakter der Schule zu betonen; wohl konnten die Kinder Kartoffeln buddeln und den zukünftigen Gemüsegarten umgraben oder den Holzdienst versehen. Aber zum eigentlichen Farmbetrieb gehört ja das Vieh, das wir leider Gottes nicht mehr haben. So unterschied sich letztlich unsere Schule in den ersten 4 Wochen noch wenig von einem guten Internat.
Die heranrückende Weihnachtszeit kam uns zur Hilfe. Wir hatten auf dem Inselgelände Werkstätten, wenn auch mit nur unvollständigem Handwerkzeug. Begeistert griffen die Schüler den Gedanken auf, in diesen Werkstätten Weihnachtsgeschenke für die Eltern herzustellen. Der Plan einer Art Weihnachtsmesse nimmt Gestalt an. Unser Grundsatz nirgends lediglich spielerische Betätigung zu betreiben, sollte auch hier gewahrt werden. So haben wir einen alten Tischler- und Stellmachermeister, der auf der Insel bei seiner verheirateten Tochter lebt, gebeten, acht unserer Jungen in den Grundarbeiten seines Handwerks zu unterweisen. Sie werden zunächst keine Ziehwagen, Fußbänke, Bücherborde- und Stützen, Wiegen und Schaukelpferde unter seiner Anleitung herstellen. Eine zweite Handwerksgruppe bildete sich von selber: die Korbflechter. Ein Junge dessen Großvater Korbflechter von Beruf ist, hat bereits früher zu Hause geholfen und besitzt gute Vorkenntnisse. Seine Scheu, den einfachen Großvater hierher als Lehrmeister mitzubringen, wird überwunden, in dem wir ihm den Wert seines Ahnen klarmachen. So wird Vater Scholz einige unserer Jungen, die sich bereits mit Hacke und Beil die zum Flechten nötigen Wurzeln geschlagen haben, künftig an den Nachmittagen in seiner Kunst unterweisen.
Die Lektüre des Robinson macht sich in unserem praktischen Leben bemerkbar. Unsere Inseljungen begeistern sich für die menschlichen Urhandwerke. Wie dem Robinson auf seiner Insel kein Werkzeug zur Verfügung steht, so müssen sich auch unsere Schnitzer mit dem primitivsten Gerät begnügen. Nur mit ihren Taschen- oder Küchenmessern ausgestattet stellen sie Löffel, Gabeln, Papiermesser, Salzfässer u.a. her. Diese Arbeit ist aus dem Spiel erwachsen. Unsere Jungen schnitzelten an bunten Weidenstöcken- und Pfeifchen, wo sie nur gingen und standen. Sie hatten Freude am scharfen Messer und am Fliegen der Späne. Wir brauchten nur dieses Spiel sinnvoll zur Arbeit zu lenken. Wieviel größer ist jetzt ihre Freude am fertigen Werkchen und sei es auch nur ein schlanker Brieföffner oder ein Kistchen. Ganz von selber erwacht der Wunsch nach der Verzierung, für den Zeichenlehrer der geeignete Augenblick mit der Geschmackserziehung zu beginnen. So schließt sich hier gleichzeitig eine andere Lücke im Schulunterricht. Im allgemeinen wendet sich der Zeichenunterricht an das künstlerische begabte Kind. Das Durchschnittskind nimmt weiter keine Segnung des Zeichenunterrichtes ins Leben mit hinaus. Es gewinnt aber durch Schnitzen, Basteln, Bemalen von kleinen Gegenständen, Aufteilen von großen Flächen durch farbigen Anstrich usw. Fähigkeiten, an denen es Freude hat und die es im späteren Leben verwerten kann.
Die ersten Schnitz- und Flecht- und Tischlerarbeiten gelangen überraschend gut, so daß mir der Gedanke gekommen ist, die Bindung zu den Berufen der Väter unserer Schüler nicht nur von der landwirtschaftlichen Seite aus zu ahlten, sondern auch das Handwerk hinzutreten zu lassen. Es müßte in dem 6-7jährigen Aufenthalt unserer Schüler auf Scharfenberg erreicht werden, daß sie zugleich auch die Gesellenprüfung in einem Handwerk, besondere Betonung ist auf das Kunsthandwerk zu legen, machen. So soll der 18jährige Scharfenberger Abiturient, Schlosser (Kunstschlosser)-geselle, Elektriker, Modelltischler und Schnitzer, oder Buchbinder sein. Neben ihm soll gleichzeitig und wertig der Scharfenberger Abiturient stehen, der vor einem amtlichen landwirtschaftlichen Prüfungsausschuß seine Elevenzeit oder Gärtnerlehrer beendet. In dieser Verbindung von Abiturium und Gesellenprüfung liegt ein neues Ziel Scharfenbergs. Hier ist eine praktische, erreichbare Möglichkeit gezeigt, die Kluft zwischen dem geistig und körperlich schaffenden Menschen zu beseitigen. Von selber fällt bei so ausgebildeten jungen Menschen das "Klassenbewußtsein;" ganz zu schweigen von Klassenhaß. In diesem Sinne ist die Scharfenberger Erziehung politisch.
Es könnte uns der Einwand gemacht werden, daß es wohl für die Jungen zu anstrengend sei, einerseits den Stoff der höheren Schule zu bewältigen, andererseits eine Art Handwerkslehre zu absolvieren. Wir werden selbstverständlich den Unterrichtsstoff, der bisher vermittelt wurde, streng sichten und hoffen, durch unser Unterrichtsverfahren manche übliche Kraftverschwendung einzusparen. Gelingt es uns, eine einigermaßen gute Ernährung unserer Schüler - z.Zt. haben wir sie noch nicht - sicherzustellen, dann können wir dem Grundsatz, daß straffe körperliche Arbeit die beste Erholung für geistige Arbeit schafft, vertrauen. Selbstverständlich muß der Tagesplan auch Zeit für das Tummeln und den Spaziergang in frischer Luft vorsehen.
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Unsere Weihnachtsvorbereitungen ließen noch einen weiteren Plan reifen: bei dem von Haus aus unbemittelten Scharfenberger Schüler kommt es darauf an, Geldmittel zu schaffen, die ihm seine Ausbildung gewährleisten. Wir wollen von dem Grundsatz ausgehen, den Stadtsäckel so wenig wie möglich zu belasten, so wenig wie möglich Stipendien anzunehmen, sondern selber die nötigen Mittel zu schaffen. So haben bereits die Schüler Grün- und Sträuße verkauft, um das Geld für die Korbflechtausbildung zu haben, so werden sie die Produkte ihrer Tischlertätigkeit verkaufen, um den Tischlermeister zu bezahlen. Diese sind die ersten kleinen Versuche. In der Zukunft könnte es anders werden. Wie die Landwirtschafts- und Gärtnerlehrlinge zu unserem Lebensunterhalt beisteuern, ist klar ersichtlich. Eigengeernteter Kohl, Brot von selbstgebautem Getreide werden uns noch einmal so gut munden wie das beziehungslos erworbene Nahrungsgut. Die Handwerker wollen später in der Stadt einen "Scharfenberger-Laden" eröffnen; in diesem Geschäft wollen sie ihre selbstverfertigten Gegenstände verkaufen. Das erzieherische Moment dieser kaufmännischen Betätigung ist nicht zu erkennen. Scharfenberger Schüler werden gezwungen, sind sie erst einmal an die Öffentlichkeit getreten, sich immer um neue Ideen - und Kinder sind reich an Einfällen - zu bemühen, und auch im Vorhandensein immer schöner Waren das Publikum zu befriedigen. So kann der Scharfenberger Lehrer nicht nur seine Schüler, sondern auch einen größeren Kreis z.B. zum Gebrauch geschmackvollen Hausrates erziehen. Haben unsere Weihnachtsvorbereitungen nicht selber das schönste Weihnachtsgeschenk gegeben? Sie haben uns auf einen neuen Weg in die Zukunft gestellt.
"Siege oder Niederlagen:
Immer gilt es neu zu wagen."
(Richard Dehmel)
Wir sind zwar eine Insel, wollen aber nicht insular sein noch werden, d.h. wir suchen Verbindung mit der Stadt durch die eben angedeuteten Kanäle und hoffen von hier aus auch an der Neugestaltung der Schule überhaupt mitzubauen, und nicht etwa hier nur eine Sonderschule entstehen zu lassen.
In diesem Sinne möchte ich zum Schluß noch eine Erkenntnis aufschreiben. Hier auf unserer Insel zeigt es sich bestimmt, ob einer der neue Lehrer ist, den die Zeit braucht. Ich wende mich an Dich, Du junger Lehrerbruder, dem das Leben der letzten Jahre nur das nackte Gesicht einer erbarmungslosen Wirklichkeit, das Gewöhnliche und Gemeine im Menschen gezeigt hat. Ich weiß, Du trägst die schwermütige Sehnsucht im Herzen, von nun an nur das andere Gesicht des Lebens zu sehen, das uns zum Erhabenen und Schönen, zur Menschlichkeit führt. Du fühlst in Dir die Berufung, zu dieser Menschlichkeit zu erziehen! Willst Du prüfen, ob Du das Zeug zu dieser Erziehung in Dir hast, dann komme zu uns und erprobe Dich. Wenn Du aus dem Kahn steigst und zu unseren Jungen stößt, dann hast Du Dein "Privatleben" verloren; es ist fort, verschluckt wie jetzt die Novembernebel die Sicht nach dem Festland verschluckt. Wenn dieses Ganz-mit-den-Kindern-leben Dich befriedigt, Dich nicht arm und krank macht, wenn Du mit wachen Sinnen das siebzigfache Wünschen der Jungenherzen aufnehmen und leiten kannst. Wenn Dich diese sich an Dich klammernden Jungensehnsüchte nicht lähmen, sondern heben, hinauftragen zur klareren Schau menschlichen Seins und Dich beglücken, dann hast Du die erste wahre Lehrerprüfung bestanden. Dann wird Dir unsere Insel, die Insel der Prüfung, zum Segen.