Quelle: | Berlin, Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA, Rep. 76 VI, Sekt. 14 z, Nr. 48 II, Bl. 76-134 [immer nur aus einer Seite ('r') bestehend]. |
Veröffentlichung: | Marburg 1999: https://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1999/0001/q12.html |
Literatur: | Haubfleisch, Dietmar: Schulfarm Insel Scharfenberg. Mikroanalyse der reformpädagogischen Unterrichts- und Erziehungsrealität einer demokratischen Versuchsschule im Berlin der Weimarer Republik (=Studien zur Bildungsreform, 39), Frankfurt [u.a.] 2001, bes. S. 199-206. |
Sie möchte | ihren Angehörigen der ständigen Beeinflussung durch die Grossstadt mit ihren tausenderlei von aussenkommenden Eindrücken, ihrem Kunst- und Literaturgeschwätz, ihren politischen Augenblickerregungen entziehen ((Bl. 95 - S. 14)) und ihr Leben aufs Engste mit der Natur verbinden, nicht nur durch den Brauch, bei irgend geeigneter Witterung den Unterricht unter freiem Himmel zu halten; |
Sie möchte | ferner im Gegensatz zu dem meist einseitigen Intellektualismus der bisherigen Schulbildung die Kunst zu einem wesentlichen Bestandteil ihres Lebens machen, dem Einzelnen Gelegenheit geben, ihre künstlerischen Ausdrucksmittel je nach Neigung und Talent in Wort, Ton, Farbe, Rhythmus Handwerk zu entwickeln; durch gemeinsames Ausüben und vertiefendes Aufnehmen die Empfänglichkeit und das Verständnis dafür steigern, Sinn für Stil in Kunst und Leben wecken. |
Sie möchte | in der geschlossenen, sich selbst verwaltenden undkameradschaftlich lebenden Siedlungsgemeinschaft, in der alle für alle die zur Führung des gemeinsamen Lebens notwendigen Dienste verrichten, zu Einfachheit, frischer Selbständigkeit, zu einer gesunden Offenheit in allen Dingen, ohne Reglementierung zu einer eigenen inneren Disziplin und zu einem wachen Verantwortlichkeitsgefühl für ein grösseres Ganze erziehen; |
Sie möchte | auch den wissenschaftlichen Unterricht mehr als bisher den Anlagen der einzelnen anpassen, seine Auswahl und seinen Gang durch das natürliche geistige Wachstum der jungen Menschen und ihrer inneren Bedürfnisse mitbestimmen lassen, denen zu folgen und zu dienen, vor allem das dauernde Zusammenleben im Internat mit dem Lehrer die Möglichkeit bietet; sie möchte alles daran setzen, die Schüler dahin zu bringen, dass sie die Kraft, die sie zu dem, was ((Bl. 96 - S. 15)) sie lernen notwendig brauchen, immer in sich selbst suchen und finden; sie möchte so, ohne seine Qualität und Intensivität irgend wie zu vernachlässigen, zu einem Unterricht kommen, bei dem nicht das Lehren und Zensieren, sondern auch das mit- und selbsttätige Schaffen und die Freude an der Arbeit um ihrer selbst willen die Hauptsache ist; dahin zunächst äusserlich den Weg zu bereiten, möchte sie die Zahl der Pflichtfächer vermindern, und die jetzt meist nach dem Schubkastensystem getrennten, in ihrer Isolierung oft als zweckloser Gedächtnisballast empfundenen sogenannten allgemein bildenden Unterrichtsgegenstände unter weitgehendster Konzentration zu einem das Weltbild vermittelnden Kernunterricht vereinigen und daneben zu ernstester Vertiefung in einem nach eigenem Ermessen gewählten Kurs von Neigungsfächern anleiten; weiss sie doch, dass das Fundament, auf dem sie ruht, - das Gemeinschaftsgefühl zwischen Lehrern und Schülern in dieser Altersstufe sich am leichtesten und echtesten an gemeinsamer geistiger Tätigkeit entzündet und von hieraus wieder und wieder seine nachhaltigsten Impulse empfängt. |