Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. Marburg 1998: http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0003/k10.html - 1993 sprachlich geringfügig korrigiertes und bei einzelnen Beiträgen um einige Anmerkungen ergänztes Typoskript der 1991 erstellten Textfassung, bisher veröffentlicht als: Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus (=Pedagogiska Rapporter, 9), Vasa [Finnland] 1996 sowie in japanischer Übersetzung als: Klafki, Wolfgang: Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. In: Klafki, Wolfgang: Erziehung - Humanität - Demokratie. Erziehungswissenschaft und Schule an der Wende zum 21. Jahrhundert. Neun Vorträge. Eingel. und hrsg. von Michio Ogasawara. Tokyo 1992. S. 157-178.


Wolfgang Klafki

Die gegenwärtigen Kontroversen in der deutschen Erziehungswissenschaft über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus


1. Einführung

Ungefähr seit 1985 gibt es innerhalb der Erziehungswissenschaft der Bundesrepublik eine immer lebhafter und schärfer werdende Diskussion über das Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik zum Nationalsozialismus. Sie wird in Sammelbänden, in namhaften Zeitschriften - so u. a. in der Zeitschrift für Pädagogik - und auf Tagungen ausgefochten; auch auf dem Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft im März 1990 in Bielefeld gab es ein großes öffentliches Forum und zwei Symposien bzw. Arbeitsgruppen zu diesem Thema . [1]

In manchen Beiträgen, auch auf dem eben erwähnten Bielefelder Kongreß und in der Literatur, wurde und wird die Erörterung über die Geisteswissenschaftliche Pädagogik hinaus ausgeweitet, z. B. auch auf Peter Petersen, [2] einen der seit den 20er Jahren auch international bekannten deutschen Reformpädagogen, oder auf Theodor Wilhelm, seit 1959 Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Kiel, und seine höchst problematische publizistische Tätigkeit in der nationalsozialistischen Zeit. [3] Aber auf solche und weitere, zweifellos wichtige Zusammenhänge kann ich in diesem Beitrag nicht eingehen. Ich beschränke mich hier ausschließlich auf die im Titel meines Vortrages genannte Frage.

Dazu aber sagen einige der Diskutanden heute: Erstens haben die älteren Vertreter der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die nach 1945 in der Bundesrepublik wieder ihre Arbeit fortsetzten, also Eduard Spranger, Herman Nohl, Theodor Litt, Erich Weniger, Wilhelm Flitner (um nur die bekanntesten Repräsentanten zu nennen), es versäumt, ihre eigene Vergangenheit, ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus vor und nach 1933 gründlich, offen und selbstkritisch aufzuarbeiten. Zweitens müsse man aber auch den Angehörigen der jüngeren Generation westdeutscher Pädagogen, die erst nach 1945 Erziehungswissenschaft studierten und dann in dieser Disziplin als Forscher und Hochschullehrer tätig wurden, den entsprechenden Vorwurf machen: Sie hätten es versäumt, sich mit den Einstellungen, die ihre akademischen Lehrer und Vorläufer zum Nationalsozialismus eingenommen hatten, gründlich auseinanderzusetzen; sie hätten dieses peinliche Thema offensichtlich verdrängt. Ob man hier von "Verdrängung" sprechen kann, möchte ich in Frage stellen. Aber der Vorwurf des Versäumnisses trifft z. T. zu. Ich bejahe auch das Motiv, das die scharfen Kritiker m. E. dazu bewegt, so hartnäckig auf einer an die Wurzeln gehenden Aufklärung jener historischen Zusammenhänge zu bestehen: Denn die Frage nach dem Verhältnis der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik als einer besonders einflußreichen Richtung der deutschen theoretischen Pädagogik unseres Jahrhundert zum Nationalsozialismus ist ja nicht nur eine Frage vergangener Geschichte. Vielmehr führt sie auf das generelle Problem der Beziehung von Pädagogik und Politik. Gerade weil die Herrschaft des Nationalsozialismus die dunkelste Periode der deutschen Geschichte darstellt, darf sie nicht vergessen oder verschwiegen werden. Auch die deutsche Erziehungswissenschaft muß sich also rückhaltlos der Aufarbeitung dieser Phase ihrer Geschichte vor und in der Zeit des Nationalsozialismus stellen. Und ich möchte hinzufügen: Weil der deutsche Nationalsozialismus die extremste, die furchtbarste Zuspitzung des Faschismus als eines internationalen politischen Phänomens darstellte, deshalb kann die Beschäftigung mit diesem Thema nicht nur für die Deutschen eine lehrreiche Lektion sein.

Nun hat es schon vor diesen jüngeren Kontroversen in der Pädagogik der Bundesrepublik und z. T. in der pädagogischen Literatur der DDR einige Untersuchungen gegeben, die unserer Frage nachgegangen sind: "Wie stand die Geisteswissenschaftliche Pädagogik vor und nach 1933 oder wie standen einzelne ihrer Vertreter zum Nationalsozialismus?" Ich weise hier auf einige Kapitel in dem Buch von Karl-Christoph Lingelbach mit dem Titel "Erziehung und Erziehungstheorien im nationalsozialistischen Deutschland" hin, einem Standardwerk, das 1970 zuerst erschien und 1987 eine überarbeitete und wesentlich erweiterte Auflage erlebte. [4] Ich darf auch auf eine eigene Abhandlung über Theodor Litts Stellung zur Weimarer Republik und seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus aus dem Jahre 1967 verweisen , [5] die später in erweiterter Form in meine Gesamtdarstellung der Pädagogik Litts [6] eingegangen ist. Das sind zwei von mehreren Beispielen. Aber solche frühen Beiträge sind vereinzelt geblieben. Daher muß die Frage gestellt werden: Wie kann man den Tatbestand erklären, daß das Thema erst jetzt, seit etwa 5 Jahren, so intensiv und so kontrovers erörtert wird? Sie beschäftigt mich seit längerem, aber ich muß Ihnen die Antwort einstweilen schuldig bleiben, und ich finde auch bei anderen Mitdiskutanden keine hinreichende Erklärung. Es hätte mindestens nahegelegen, daß jene kritischen Rückfragen an die Geisteswissenschaftliche Pädagogik schon vor etwa zwei Jahrzehnten, an der Wende von den 60er zu den 70er Jahren, eine breite Diskussion ausgelöst hätten, also in der Phase entschiedener Bildungsreformansätze in der Bundesrepublik, der Phase der Studentenbewegung, der scharfen Gesellschafts- und Wissenschaftskritik aus der Sicht westdeutscher Marxisten und der "Kritischen Theorie" der sogenannten "Frankfurter Schule der Sozialphilosophie" um Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas und andere. In jener Zeit und seit jener Zeit haben sich ja erhebliche Teile der Erziehungswissenschaft in der Bundesrepublik verändert, hin zu einem gesellschaftskritischen Selbstverständnis der Pädagogik. Aber noch einmal: Damals ist das Thema "Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus" nicht zu einem zentralen Diskussionspunkt mit großer Ausstrahlung geworden.


2. Die zentrale Kontroverse

Zunächst werde ich in einem noch sehr allgemein gehaltenen Abschnitt skizzieren, welches der zentrale Punkt der gegenwärtigen Kontroverse ist. Man kann diesen "springenden Punkt" vorweg durch eine These und die Gegenthese kennzeichnen. Stichwortartig wird die These, von der die jüngeren Diskussion ihren Ausgang nahm, meistens als Kontinuitätsthese, die entgegenstehende Auffassung als Diskontinuitätsthese bezeichnet. Daß beide Begriffe eine gewisse Vergröberung enthalten, wird im folgenden deutlich werden.

Die Begriffe "Kontinuität" und "Diskontinuität" beziehen sich jeweils auf die Beziehung zwischen politischen und pädagogischen Positionen, die die Geisteswissenschaftliche Pädagogik oder besser: einzelne ihrer Vertreter vor 1933 vertraten, zum politischen und pädagogischen Programm der Nationalsozialisten, nachdem sie im Frühjahr 1933 die Macht übernommen hatten.

Die Kontinuitätsthese besagt folgendes: Zwischen einigen zentralen politischen und pädagogischen Elementen im Denken maßgeblicher Repräsentanten der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik in der Zeit der 20er und der beginnenden 30er Jahre unseres Jahrhunderts einerseits und einigen Kernelementen der politischen und pädagogischen Programmatik der Nationalsozialisten andererseits gebe es erhebliche Ähnlichkeiten, z. T. sogar Übereinstimmungen. Allerdings behauptet keiner der Vertreter dieser Position, daß auch nur einer der namhaften geisteswissenschaftlichen Pädagogen Faschist bzw. Nationalsozialist im vollen Sinne des Wortes gewesen sei, und zwar nicht nur deshalb, weil keiner von ihnen irgendwann der NSDAP (der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei) angehört hat, sondern weil es einige deutliche Distanzierungs- und Kritikmomente im Denken der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik gegenüber dem Nationalsozialismus gegeben habe. Aber die Verwandtschaften, Ähnlichkeiten, Affinitäten, Kontinuitäten wären letzten Endes, mindestens in der ersten Zeit der Naziherrschaft, schwerwiegender gewesen als die Distanzierungsmomente.

Aus dieser Kennzeichnung der ersten Position ergibt sich bereits an dieser Stelle, daß man ihre zentrale Behauptung eigentlich präziser formulieren muß: nämlich als These vom Überwiegen der Kontinuitätsmomente im Verhältnis zu den Diskontinuitätsmomenten. Auch in dieser genaueren Formulierung führt die Kernthese ihre Verfechter aber zu folgendem Urteil: Die Geisteswissenschaftliche Pädagogik sei mitverantwortlich und mitschuldig am Erstarken des Nationalsozialismus, weil sie sich nicht eindeutig von ihm distanziert habe. Sie sei, mindestens indirekt und vielleicht ungewollt, schon vor 1933 zu einem der vielen Wegbereiter für die Zerstörung der Weimarer Demokratie geworden, und in der Anfangsphase der Naziherrschaft habe sie dem Nationalsozialismus, wenn auch mit gewissen Vorbehalten, in wesentlichen Punkten zugestimmt.

Wie lautet die Gegenthese? Auch ihre Vertreter betonen, daß es zwischen Teilelementen im politischen und pädagogischen Denken einiger Vertreter der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik und ihrer Deutung des Nationalsozialismus - seines politischen und seines pädagogischen Programms - gewisse Ähnlichkeiten und Berührungspunkte gegeben habe. Aber die Denkelemente der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik, die unvereinbar mit dem nationalsozialistischen Programm einer politisierten Erziehung waren, hätten eindeutig überwogen, vor 1933 und - von einer ambivalenten Zwischenphase unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten abgesehen - auch nach 1933. Das heißt also: Zwischen der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik vor 1933 und der nach 1933 herrschenden NS-Politik und -Pädagogik könne man vorwiegend Diskontinuität feststellen.

Bevor ich mich der Frage zuwende, wie These und Gegenthese von beiden Positionen begründet werden, nenne ich die Hauptvertreter der unterschiedlichen Auffassungen. Meine Aufzählung ist nicht vollständig, und die Nennung weniger Namen bedeutet nicht, daß die Diskussion des Problems auf diese kleine Zahl von Vertretern der heutigen Erziehungswissenschaft in Deutschland beschränkt ist.

Die wichtigsten Verfechter der These vom Überwiegen der Kontinuitätsmomente sind der an der Universität Paderborn lehrende Kollege Wolfgang Keim, [7] weiter Adalbert Rang [8] von der Kunsthochschule Berlin, der seit einigen Jahren eine Gastprofessur in Amsterdam innehat, Kurt Beutler [9] von der Universität Hannover und Klaus Himmelstein , [10] der bei Wolfgang Keim promoviert worden ist und ebenfalls an der Universität Paderborn lehrt.

Die Gegenthese vom Überwiegen der Diskontinuitätsmomente wird vor allem von Ulrich Herrmann, [11] dem namhaften Bildungshistoriker von der Universität Tübingen (inzwischen an der Kunsthochschule Ulm), durch Heinz Elmar Tenorth, [12] der an der Universität Frankfurt (in-zwischen an der Humboldt-Universität Berlin) tätig ist, Achim Leschinsky [13] früher Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin, jetzt Humboldt- Universität, und von dem ebenfalls in Berlin tätigen Uwe Henning vertreten . [14]

Als wichtigen Diskussionspartner hebe ich außerdem den Kollegen Karl-Christoph Lingelbach von der Universität Frankfurt, den ich schon an früherer Stelle erwähnte, hervor. Er vertritt eine besonders differenzierte Auffassung in der Sache. [15] Obwohl er in mehreren wesentlichen Punkten mit den Vertretern der These von der vorwaltenden Kontinuität übereinstimmt, meine ich doch, daß man ihn dieser Gruppe nicht im strengen Sinne zuordnen kann. Gerade weil Lingelbach sich in der Kontroverse nicht einseitig einer der beiden Positionen zuordnen läßt, die seit einiger Zeit dazu tendieren, sich sozusagen in zwei verfeindeten Lagern einzuigeln, weil er vielmehr äußerst differenziert argumentiert, ist er einer der Kollegen, die in Zukunft dazu verhelfen könnten, die Verhärtungen der beiden Fronten zu überwinden und die Debatte zu versachlichen, ohne die Auffassungsunterschiede nun vorschnell harmonisieren zu wollen.

Bevor ich genauer auf die Argumente und die Belege eingehe, die jede der beiden Positionen für ihre Auffassung ins Feld führt, sind einige Zwischenbemerkungen notwendig. Zunächst ist festzustellen: Sowohl die Vertreter der These von den überwiegenden Kontinuitätsmomenten als auch ihre Gegenspieler haben die Kontroverse bisher in einer zweifachen Eingrenzung ausgefochten:


Hier nehme ich zunächst noch einmal den Hinweis auf Theodor Litt auf. Ich sagte eben, daß er in der fraglichen Kontroverse um Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus nur am Rande erwähnt wird, und zwar fast ausschließlich von Vertretern der Diskontinuitätsthese. Die entsprechenden Bemerkungen erhärten nun ein weiteres Mal Ergebnisse, zu denen Karl-Christoph Lingelbach und ich in unseren ausführlichen Analysen über Litt und den Nationalsozialismus gekommen sind . [17] Litts politische Position ist in der Weimarer Republik die eines konservativ-liberalen Vernunftrepublikaners gewesen. Er hat sich aus Einsicht in die gesellschaftlich-politischen Bedingungen der Zeit eindeutig zur Verbindlichkeit der Verfassung der Weimarer Republik bekannt und in den Krisenjahren am Ende der Weimarer Zeit unmißverständlich gegen rechts- und linksextreme Gefährdungen des Rechtsstaates und der Autonomie der Universitäten Stellung genommen. Seine nationale Einstellung war zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, ins Nationalistische umzuschlagen, und er hat auch nie Anlaß gegeben, in diesem Sinne mißverstanden zu werden. In den ersten Jahren nach 1933 hat er - als einer von ganz wenigen Hochschullehrern im damaligen Deutschland - den Mut gehabt, in Publikationen die Rassentheorie und die Geschichtsauffassung des Nationalsozialismus offen zu kritisieren. Nach etlichen Zusammenstößen mit nationalsozialistischen Behörden und mit nationalsozialistischen Studenten hat er 1937 demonstrativ seine vorzeitige Emeritierung beantragt und erhalten. Später nahm er Kontakte zu dem konservativen Widerstandskreis um den ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler auf.


3. Zur Analyse der Kontrovers-Positionen

Ich wende mich nun einer genaueren Betrachtung der Argumente zu, mit denen die Vertreter der beiden Positionen ihre Auffassung begründen.

Eine zentrale Rolle spielen in der Kontroverse nach wie vor zwei Aufsätze, die Spranger und Flitner im April 1933 in der Zeitschrift "Die Erziehung" veröffentlicht haben, also kurz nach jenem Zeitpunkt, den Hitler und die Nationalsozialisten selbst als endgültige "Machtübernahme" in Deutschland bezeichnet haben. Die Zeitschrift "Die Erziehung" war seit der Mitte der 20er Jahre das führende theoretische Organ in der deutschen Pädagogik. Sie wurde von Spranger, Nohl, Litt, Flitner und Alois Fischer herausgegeben. Auf der Seite der Vertreter der Kontinuitätsthese hat Adalbert Rang, auf der Seite der Diskontinuitätsposition Ulrich Herrmann beide Aufsätze sehr detailliert untersucht. Ergänzend ist dann auch ein weiterer Aufsatz Sprangers zum gleichen Fragenkreis aus dem Juni-Heft der Zeitschrift herangezogen worden. [18] Ich muß mich hier natürlich auf wenige Zentralpunkte beschränken.

Zum allgemeinen historisch-politischen Hintergrund der drei Aufsätze ist soviel zu sagen: Nachdem Hitler am 30 Januar 1933 vom deutschen Reichspräsidenten, dem einstigen Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus Nationalsozialisten und Vertretern der antidemokratischen, rechts-konservativen "Deutsch- Nationalen Volkspartei" ernannt worden war, setzte er Neuwahlen zum Reichstag durch. Sie fanden am 5. März 1933 statt. Zwar brachten sie den Nationalsozialisten noch nicht die erhoffte absolute Mehrheit. Aber die NSDAP wurde die stärkste Fraktion und übernahm die Mehrzahl der Ministerposten. Im Vorgriff ergänze ich: In wenigen Monaten setzten die Nationalsozialisten danach rücksichtslos ihre diktatorische Herrschaft durch, indem sie den Einparteienstaat unter der diktatorischen Führung Hitlers errichteten.

Nun wissen wir, daß Flitner, damals Schriftleiter der Zeitschrift "Die Erziehung", der Meinung war, die Herausgeber dürften zu dem politischen Ereignis des 5. März 1933 nicht schweigen . [19] Er forderte Spranger kurzfristig auf, zur neuen politischen, insbesondere der erziehungspolitischen Lage Stellung zu nehmen. Nachdem dieser Beitrag vorlag, hat Flitner sich offensichtlich entschlossen, auch selbst einen eigenen Beitrag zum Thema zu verfassen. Sprangers Aufsatz trägt den Titel "März 1933", der Beitrag Flitners heißt "Die deutsche Erziehungslage nach dem 5. März 1933 ". [20]

Zunächst ist festzustellen: Spranger und Flitner begrüßen in ihren Beiträgen ausdrücklich den sogenannten "nationalen Umbruch", stimmen der "völkisch-nationalen Bewegung" zu. Spranger spricht von der Wiederherstellung eines "selbstbewußten Nationalgeistes" der Deutschen, vom "Willen zur Volkwerdung" als dem "positiven Kern der nationalsozialistischen Bewegung", davon, daß das deutsche Volk sich in dieser nationalen Bewegung "selbst wiedergefunden" habe, von den "begeisterten Tagen des März" und in ähnlich emotionalen Phrasen. Er distanziert sich nun unmißverständlich von der Weimarer Republik, von kommunistischen bzw. sozialistischen und pazifistischen Tendenzen, die sich in der Weimarer Republik stark entwickelt hätten und die nun glücklicherweise ausgeschaltet werden würden. Er vertritt sogar die Auffassung, daß sich das deutsche Volk darauf einstellen müsse, eines Tages in einem Krieg die Beeinträchtigungen, die der Versailler Vertrag Deutschland auferlegt habe, wieder rückgängig zu machen.

Wie nehmen die beiden Kontroverspositionen nun zu diesen Beiträgen Stellung?

Was Sprangers Aufsatz betrifft, so beurteilt Ulrich Herrmann ihn in mehrfacher Hinsicht nicht weniger scharf als Adalbert Rang oder Wolfgang Keim. Herrmann sagt: Dieser Beitrag Sprangers sei die Stellungnahme eines 'konservativen deutschnationalen Bildungsbür-gers', "dem Gedankenkreis und der Mentalität des wilhelminischen Kaiserreichs verpflichtet", eines Autors, der sich "in einer sprachlich-vulgarisierenden 'Geist-Metaphysik'" ergehe, der "nicht gewillt oder nicht in der Lage (sei) zu bedenken, was seine Äußerungen - die sich ja durchaus im Sinne pronationalsozialistischer Gesinnung und Option verstehen lassen - praktisch bedeuteten"; Spranger äußere vielfach "vage Vorurteile und wabernde Wunschvorstellungen ". [21]

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, in dem sich beide Positionen recht nahekommen. Beide erkennen nämlich an, daß Spranger und Flitner ihre Zustimmung zum sogenannten "nationalen Umschwung" nur unter Vorbehalten aussprechen, wenn diese Vorbehalte aus der historischen Rückschau auch als völlig illusorisch beurteilt werden müssen. Im Hinblick auf diese Einschränkungen hat Adalbert Rang - in Anlehnung an Formulierungen von Spranger und Flitner - von "beklommener Begeisterung" gesprochen, die diese beiden Autoren zum Ausdruck bringen, und er hat ihre Positionen als "ambivalent", d. h. unklar, mehrdeutig, widersprüchlich gekennzeichnet. [22] Diese Kennzeichnung trifft m. E. zu. Man könnte sagen, daß Spranger und Flitner in Verbindung mit ihrer politischen Zustimmung den neuen Machthabern gleichzeitig sozusagen ins Gewissen zu reden versuchen, wie gesagt: in illusionärer Verkennung der Radikalität der Ziele des Nationalsozialismus, ihres totalitär-diktatorischen Charakters.

Welche Vorbehalte Sprangers und Flitners kommen in ihren Aufsätzen zur Sprache?

Beide Autoren binden ihre Zustimmung zur politischen Situation nach dem März 1933 daran, daß der neue Staat an folgenden Elementen festhalten werde:


Beide warnen davor, die schulische und außerschulische Jugenderziehung und das Hochschulstudium nun total zu politisieren, einheitlich zu formieren und zu militarisieren. - Flitner fordert besonders nachdrücklich und ausführlich von den neuen Machthabern in erziehungspolitischer Hinsicht, daß sie den Ertrag der pädagogischen Bewegung, d. h. vor allem der Reformpädagogik im Bereich der Schule, der Erwachsenenbildung, der Sozialpädagogik bewahren sollten. In einem kurze Zeit später erschienenen Aufsatz Flitners, den Adalbert Rang in jüngerer Zeit in die Debatte einbezogen hat , [23] hat Flitner diese Argumentationslinie, die die Vereinbarkeit von nationalsozialistischer Erziehungspolitik und zentralen Zielen der pädagogischen Reformbewegung vor 1933 beschwört, sozusagen auf die Spitze getrieben. Das Prinzip der "relativen Autonomie" der Erziehung in Theorie und Praxis, das die Reformpädagogik und ihr theoretisches Gewissen, die "Geisteswissenschaftliche Pädagogik", auch dem Staat gegenüber vor 1933 so nachdrücklich betont habe, brauche nun nicht mehr im Widerspruch zum Staat eingefordert zu werden, wenn dieser Staat sich diese relative Autonomie der Erziehung selbst zu eigen mache. Eine solche Erwartung gegenüber dem nationalsozialistischen Staat auszusprechen, war nun wirklich der Gipfel der Illusionen. Ob Spranger und Flitner tatsächlich an die Möglichkeit geglaubt haben, das neue politische Regime werde sich auf solche Vorschläge einlassen, oder ob sie solche Argumentationen selbst nur aus taktischen Gründen vortrugen, um damit vielleicht noch kleine Freiheitsspielräume retten zu können, lasse ich hier offen.

Welches sind aber nun die entscheidenden Differenzen der Interpretation durch beide Kontrahentengruppen? Es sind vor allem folgende:

Erstens: Die Vertreter der Kontinuitätsthese sprechen den Aspekten, in denen Spranger und Flitner dem neuen, nationalsozialistischen Regime zustimmen, das erheblich größere Gewicht zu im Vergleich mit den Vorbehalten. Sie tendieren dazu, diese Zustimmung als Ausdruck überdauernder, politischer und pädagogischer Einstellungen beider Autoren zu betrachten, die schon vor 1933 angelegt gewesen wären und auch während der NS-Zeit im wesentlichen weitergewirkt hätten.

Die Verfechter der Diskontinuitätsthese dagegen werten jene Zustimmungsäußerungen Sprangers und Flitners, die auch sie im Rückblick als erschreckend betrachten und in ihrer möglichen Wirkung auf die Leser als unbedacht und gefährlich ansehen, als Ausdruck einer kurzen Phase, in der Spranger und Flitner sich Illusionen über den wahren Charakter des Nationalsozialismus machten. Sie verweisen zur Stützung dieser Auffassung auf Vorgänge und Dokumente der Folgezeit, die zeigten, wie schnell diese Illusionen bei beiden Autoren verflogen sind, vor allem auch bei Spranger. Ich komme später noch einmal auf diesen Gesichtspunkt zurück.

Ein zweiter Differenzpunkt ist folgender: Die Vertreter der Kontinuitätsthese verweisen zur Stützung ihrer Auffassung mit Nachdruck auf die Übereinstimmung oder die Ähnlichkeit mehrerer Grundbegriffe, die von Flitner und Spranger auf der einen Seite und von den Nationalsozialisten in ihrer "Erziehungs"programmatik auf der anderen Seite verwendet werden. Sie nennen dabei unter anderem folgende Begriffe: "Volksgemeinschaft" oder "Einheit des Volkes"; "nationale Wiedergeburt" bzw. "Nationalbildung"; "Führertum" bzw. "Bejahung des Führerprinzips".

Die Gegenposition wirft ihren Kontrahenten hier den Verstoß gegen eine der Grundregeln der Hermeneutik vor: Man dürfe einzelne Begriffe eines Autors nicht aus dem historischen und systematischen Bedeutungskomplex lösen, in dem sie bei ihm stehen. So sei der Begriff der "Nationalbildung" etwa bei Flitner nur richtig zu verstehen, wenn man seine Herkunft aus dem Zusammenhang mit den nationalen Einigungsbestrebungen in Deutschland im 19. Jahrhundert erkennt. Und der Begriff des "Führertums", den Flitner und Spranger in politischer und auch in pädagogischer Hinsicht gebrauchen, sei bei diesen Autoren - wie ähnlich bei Peter Petersen - nicht im Sinne der auf Zwang, Disziplinierung und blindem Gehorsam beruhenden Unterordnung unter die Befehle eines Diktators gemeint, sondern an jenem Verständnis von "Führung" orientiert, das vor allem von der deutschen Jugendbewegung vor 1933 entwickelt worden ist. "Führung" meint hier die freiwillige Anerkennung eines reiferen Menschen durch jüngere Menschen, weil der Reifere gemeinsame Ideale vorbildlich verkörpert.

Mir liegt an dieser Stelle sehr an folgender Anmerkung: Man darf solche Einwände Herrmanns und der ihm nahestehenden Autoren keinesfalls mißverstehen. Auch Herrmann und andere Vertreter der Diskontinuitätsthese sind der Auffassung, daß die gesellschaftlich-politischen Vorstellungen Flitners und Sprangers schon zu jener Zeit irrig waren und dem Stand der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung nicht gerecht wurden, nämlich der Situation einer modernen, industrialisierten Massengesellschaft und der legitimen Auseinandersetzung zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen, Klassen, politischen Richtungen und ihren Interessen. Spranger, Flitner und weitere Vertreter der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik verfügten auch nach dieser Auffassung nicht über soziologische und politische Kategorien, um die Strukturen und Entwicklungen ihrer Zeit zureichend deuten zu können. Und es sei ihnen anzulasten, daß sie die Unterschiedlichkeit ihrer Vorstellungen von Nationalbildung, der Funktion politischer und pädagogischer "Führung" usf. von den Vorstellungen der Nationalsozialisten in ihren Aufsätzen nicht unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hätten. Aber die volle oder weitgehende Gleichsetzung solcher Begriffe mit der Bedeutung, die ihnen die Nationalsozialisten gaben, sei unzutreffend.

Ein dritter Differenzpunkt ist im Vorangehenden schon angedeutet worden: Die Vertreter der Diskontinuitätsthese sehen im Unterschied zur Gegenposition zwischen Sprangers und Flitners Aussagen in jenen Aufsätzen vom Frühjahr 1933 wesentliche Unterschiede. Flitners Bekenntnis zu christlichen und humanistischen Traditionen und vor allem auch zu den liberal-progressiven Traditionselementen der pädagogischen Reformbewegung der ersten drei Jahrzehnte unseres Jahrhunderts sei weitaus entschiedener ausgeprägt als bei Spranger. Flitner habe seinen Aufsatz offensichtlich auch als Versuch einer indirekten Korrektur an etlichen Aussagen Sprangers verstanden, die von den Lesern der Zeitschrift als ein allzu glattes Einschwenken auf den nationalsozialistischen Kurs verstanden werden konnten. [24]

Ich wende mich nun noch einigen jüngeren Beiträgen zur Kontroverse zwischen den beiden unterschiedlichen Positionen in der uns interessierenden Diskussion zu. Sie betreffen Sprangers weitere Entwicklung nach jenem Aufsatz aus dem April 1933. Soweit die vorliegenden Untersuchungen aus dem Kreis der Verfechter der These vom Überwiegen der Diskontinuitätsmomente stammen, zeigen sie nach dem Urteil der Verfasser, daß Spranger nun schrittweise erheblich deutlicher als vorher auf Distanz zum Nationalsozialismus gegangen sei. Diese Tendenz wird auch von Klaus Himmelstein, der ja der Gegenposition zugehört, nicht völlig bestritten. Jedoch bleibt für ihn auch Sprangers Einstellung und sein Verhalten in der Zeit nach dem Frühjahr 1933 letztlich durch Unentschiedenheit, durch Ambivalenz bestimmt. [25]

Welche weiteren Äußerungen und Handlungen Sprangers kommen hier zur Sprache?

Zunächst geht es um Sprangers Konflikte mit dem Nationalsozialistischen Studentenbund in Berlin, die schon im Februar 1933 begannen, und dann um sein Rücktrittsgesuch an den nationalsozialistischen preußischen Kultusminister, den späteren Reichserziehungsminister Bernhard Rust, vom 27. April 1933. [26] Der Anlaß dieser Affäre war folgender: Der NS- Studentenbund, der in Berlin und an etlichen anderen Universitäten schon vor der nationalsozialistischen Machtergreifung die stärkste studentische Gruppierung darstellte, forderte Anfang April an der Berliner Universität öffentlich scharfe Maßnahmen gegen jüdische Gelehrte, außerdem eine Kontrolle aller Hochschullehrer durch die Studenten unter dem Gesichtspunkt, ob ihre Lehrveranstaltungen dem Geist des neuen Regimes entsprächen. Spranger wandte sich öffentlich gegen solche Kampagnen und die drohende Einschränkung der Lehr- und Forschungsfreiheit an den Hochschulen und veranlaßte auch den Deutschen Hochschullehrerverband, die Standesvertretung der Professoren, zu einer entsprechenden Stellungnahme. Außerdem forderte er das preußische Kultusmi-nisterium dazu auf, solche und ähnliche studentische Aktionen zu verbieten. Als das Ministerium auf diese Forderung nicht einging, erklärte er am 27. April 1933 seinen Rücktritt von seiner Professur. Inzwischen gab es einen zweiten Grund für sein Rücktrittsgesuch: Das Ministerium hatte, ohne Spranger vorher auch nur zu informieren, neben seinem Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik eine zweite Professur für Politische Pädagogik eingerichtet und den entschiedenen Nationalsozialisten Alfred Baeumler berufen.

Sprangers Schritt erregte weit über Berlin hinaus großes Aufsehen und schlug sich in Berichten namhafter Presseorgane nieder. [27] Jedoch verband Spranger seine Erklärung und weitere Stellungnahmen zur Sache erneut mit nachdrücklichen Zustimmungserklärungen zum politischen Umbruch und zum "großen Werk" Adolf Hitlers. Klaus Himmelstein hat m. E. völlig Recht, wenn er feststellt: Nur im Hinblick auf den Bereich der Universität, sein primäres Arbeitsfeld, also dort, wo Spranger seine Autorität und die seiner Kollegen direkt gefährdet sah, äußerte er öffentlich Widerspruch, wandte sich dagegen, daß Studenten sich zu Richtern über Professoren erheben wollten und daß sie zum Denunziantentum aufriefen. [28] - Wie endete der Vorgang? Gut vier Wochen später, nämlich Ende Mai 1933, zog Spranger nach Briefwechseln mit dem Ministerium und anläßlich eines Gesprächs mit dem Minister seine Rücktrittserklärung zurück und erklärte öffentlich, die Gründe für seinen Protest seien entfallen. Dafür aber gibt es bisher keinerlei Belege. Spranger selbst hat 1955 in der Rückschau erläutert, er hätte damals eingesehen, daß in der Form der direkten Konfrontation mit dem Ministerium nichts mehr zu erreichen gewesen sei . [29] Eine hinreichende Begründung dafür, im Amt zu bleiben, ist das m. E. nicht. Spranger wäre ja nicht entlassen, sondern nur vorzeitig emeritiert worden. Es bleibt m. E. der Eindruck der Ambivalenz in Sprangers Verhalten.

Heinz-Elmar Tenorth hat nun in jüngster Zeit im Zusammenhang mit dieser Rücktrittsaffäre eine interessante Beobachtung ins Spiel gebracht. Tenorth sagt: Die tiefe Enttäuschung, die für Spranger mit jenem Vorgang verbunden war, habe ihn seither zu einer deutlichen Änderung seiner Denkformen, ja einer tiefgreifenden Revision seiner bisherigen philosophisch-politischen und erziehungs-philosophischen Argumentation veranlaßt. Die Reflexion über die fundamentale Bedeutung der individuellen Gewissensentscheidungen träte seither ins Zentrum seines Denkens. [30]

In diese Entwicklungslinie kann man nun auch folgende Befunde einordnen: Seit 1988 liegt die Edition aller Vorträge Sprangers vor, die er in einem kleinen, privaten Kreis, dem Berliner Professoren verschiedener Fächer und einige hohe Verwaltungsbeamte angehörten, seit 1935 bis 1944 gehalten hat. [31] Dieser Kreis von 16 Personen nannte sich "Mittwochs-Gesellschaft". Er führte eine seit 1863 bestehende Tradition fort und traf sich alle 14 Tage zu Referaten und Aussprachen. Unter den Vorträgen Sprangers sind mehrere, in denen seine schrittweise deutlicher hervortretende, partielle Differenzierung vom Nationalsozialismus unverkennbar ist. Spranger erkannte jetzt offensichtlich die radikal-nationalistischen und diktatorischen Zielsetzungen des neuen Regimes deutlicher als vorher, und die Besinnung und Berufung auf liberale und christliche Traditionen und vor allem auf die zentrale Stellung der individuellen Gewissensentscheidungen des einzelnen Menschen rückte in den Vordergrund. Spranger übte hier substantielle Kritik am NS-System. Man darf das nicht etwa als Wandlung Sprangers zu einer demokratischen Position mißverstehen. Es gibt bisher keinen Beleg dafür, daß er vor dem Zusammenbruch des Hitler-Reiches den deutsch-nationalen, antidemokratischen Gedankenkreis verlassen hätte. Gleichwohl hat es ja neben kommunistischem, sozialdemokratischem und liberalem Widerstand gegen den Nationalsozialismus auch einen deutsch-national-konservativen Widerstand gegeben, und ein großer Teil der sich allmählich aus dem deutschen Militär entwickelnden Opposition gehört dieser konservativen Linie an. Was Spranger anbetrifft, so sind seine Beziehungen zum konservativen Widerstand belegt: Er hatte - wie auch Litt - seit der Weimarer Republik Kontakte zum einstigen Leipziger Oberbürgermeister Goerdeler, dem führenden Kopf des konservativen Widerstandskreises, und zu den Mitgliedern der Berliner Mittwochs-Gesellschaft gehörte der Generaloberst Beck, einer der militärischen Widerständler. So verwundert es nicht, daß Spranger, wie mehrere Mitglieder der Mittwochs-Gesellschaft, nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 am 8. September 1944 verhaftet und dann mehrere Wochen von der Geheimen Staatspolizei inhaftiert und verhört wurde. Er ist schließlich wegen Mangels an Beweisen wieder freigelassen worden. Es spricht denn auch alles dafür, daß er in keiner Weise direkt an Aktivitäten der konservativen Widerstandsbewegung beteiligt gewesen ist, wohl aber, daß er mit ihren Zielen sympathisiert hat.

Ich spreche einen letzten Aspekt der Entwicklung Sprangers an und greife dabei chronologisch noch einmal zurück. Dieser Aspekt wird japanische Leserinnen und Leser besonders interessieren. 1936 erhielt Spranger vom Preußischen Kultusministerium (auf Empfehlung von Personen des deutschen Auswärtigen Amtes) die Genehmigung, als Gastprofessor für längere Zeit nach Japan zu gehen. [32] Der Aufenthalt dauerte vom November 1936 bis zum Oktober 1937. - Wir wissen nun, daß Spranger diese Möglichkeit, das nationalsozialistische Deutschland - in der Form eines, wie er selbst damals sagte, 'freiwilligen Exils auf Zeit' - zu verlassen, nicht zuletzt deshalb begrüßt hat, weil er von den Machthabern - wie auch Litt, Nohl und Flitner - endgültig als "liberalistisch" eingeschätzt und nur noch unter Vorbehalten geduldet wurde. [33]

Spranger hat in Japan 70 bis 80 Vorträge gehalten; ein Teil davon wurde in zwei Bänden in japanischer Sprache publiziert. [34] Wir wissen in Deutschland aber wenig Genaues über das Echo, das diese Vorträge in der japanischen Philosophie und Pädagogik und vielleicht darüber hinaus in der politischen Öffentlichkeit auslösten. Hier stellen sich folgende Fragen: Hat Spranger etwas gegen die Möglichkeit getan, daß man ihn, einen damals längst international bekannten Wissenschaftler, als eine Art "Aushängeschild" des nationalsozialistischen Systems wahrnehmen konnte? Hat er, direkt oder indirekt, zur vorweggreifenden Legitimierung des im November 1938 zwischen Deutschland und Japan abgeschlossenen Antikomintern-Paktes beigetragen? Der aus Deutschland emigrierte jüdische Philosoph Karl Löwith, der sich in jener Zeit vorübergehend in Japan aufhielt, hat das - mindestens zeitweilig - offenbar so gesehen. In seinen Lebenserinnerungen heißt es an einer Stelle: Er habe "zuerst nicht begreifen" können, "wie derselbe Mann, der 1933 sein Abschiedsgesuch eingereicht hatte ..., nun als offizieller Vertreter des nationalsozialistischen Deutschland seine Bildung dazu hergeben konnte, um sich selbst und seinem Publikum einzureden, daß Deutschland und Japan ... eine gemeinsame geschichtliche Aufgabe und tiefe Verwandtschaft hätten " [35]

Die Kollegen Ogasawara und Kiuchi haben mir nun während meiner Vortragsreise dankenswerterweise einige Texte zugänglich gemacht, die die vorher skizzierten Fragen mindestens teilweise beantworten. Es handelt sich um einen Aufsatz der Kollegin Reiko Sato über "Spranger und Japan" aus dem Jahre 1970 [36] , zwei Beiträge des Kollegen Tashivo in japanischer Sprache über "Einige Besonderheiten von Sprangers politisch-pädagogischem Denken 1933 bis 1945" und "Sprangers Haltung zum Faschismus" aus den Jahren 1983 und 1985 [37] sowie um die Vorworte Sprangers zu den Ausgaben seiner Vorträge [38] . Die genannten Texte bestätigen nach meinem Eindruck meine vorangehenden Ausführungen: Sprangers Haltung zum Nationalsozialismus war auch in der Zeit seines Aufenthaltes in Japan zwiespältig: einesteils zustimmend, wo es um seine Gegnerschaft zur Demokratie ging, und insofern konnte er auch das damalige politische Regime in Japan nachdrücklich begrüßen; andererseits kritisch, sich vom Nationalsozialismus distanzierend, wo Spranger die Gefährdung der Gewissensfreiheit und der Freiheit der Wissenschaft sowie die totale Politisierung aller Lebensbereiche durch den Nationalsozialismus erkannte. Die Darstellung von Reiko Sato zeigt, daß einige japanische Wissenschaftler diese Zwiespältigkeit der Einstellung Sprangers zum Nationalsozialismus schon damals durchschaut und kritisiert haben.

Ich schließe hier noch einige Bemerkungen über Herman Nohl an. Nohl hat bisher in der laufenden Kontrovers-Diskussion über Geisteswissenschaftliche Pädagogik und Nationalsozialismus noch keine eingehendere Würdigung erfahren, und ich kann sie hier nicht entwickeln. Es ist bekannt, daß er 1937 zwangsweise vorzeitig emeritiert wurde, weil er den Nationalsozialisten als nicht mehr tragbarer Hochschullehrer erschien. Längst vorher waren mehrere seiner akademischen Schülerinnen und Schüler aus ihren Ämtern entlassen worden, andere mußten emigrieren, so z. B. auch Elisabeth Blochmann, die später, nach ihrer Rückkehr aus dem Exil in England, 1952, die erste selbständige Professur für Pädagogik an der Universität Marburg übernahm.

Was wir bisher aus dem Briefwechsel Nohls, u. a. aus der Korrespondenz mit Theodor Litt wissen [39] , rechtfertigt für die Zeit etwa vom Sommer 1934 ab im wesentlichen das Urteil: Nohl war seither - in der Form der sogenannten inneren Emigration - ein Gegner des herrschenden NS-Regimes. Irritierend wirken demgegenüber allerdings einige wenige Äußerungen in Publikationen, vor allem aus dem Vorwort zur 2. Auflage des Buches "Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie" vom Jahre 1935 [40] . Daß ein solches Buch, das zweifellos keine nationalsozialistische Pädagogik vertrat, damals wohl nur mit Hilfe einer Art "Schwimmgürtel" noch einmal gedruckt werden konnte, leuchtet ein. Als einen solchen "Schwimmgürtel" hat Nohl jenes Vorwort zur Neuauflage später gedeutet [41] . Befremdend blieb und bleibt trotzdem seine Aussage, daß "unser neuer Staat mit gutem Grund sein erstes und entscheidendes Mittel in einer diktatorischen Massenführung hat, die auch den Letzten noch national erweckt und bewußt macht und unserem Volk die Einheit seines Gefüges wiedergibt " [42] . Die Aussage ist zutiefst problematisch, auch wenn ihr nun eine andere folgt, die dem Vorbehalt Flitners aus seinem Aufsatz vom April 1933 entspricht: In die Erziehung im neuen Staat müßten "die wahren Einsichten auch der pädagogischen Bewegung in irgendeiner Gestalt ... eingehen". Vielleicht war sich Nohl 1935, als er das schrieb, in Wahrheit schon bewußt, daß jene Erwartung völlig illusorisch war. Aber war ihm das auch bereits 1933/34 klar?

Das scheint keineswegs so gewesen zu sein, jedenfalls nicht un-zweideutig. Man stößt hier nämlich auf eine starke Diskrepanz zwischen Äußerungen in Nohls privater Korrespondenz einerseits [43] und einer öffentlich-akademischen Stellungnahme dieser Zeit anderer-seits. Ich beziehe mich mit der letzten Bemerkung auf einen über-raschenden Fund, den ich einer meiner Studentinnen verdanke [44] . Im Göttinger Universitätsarchiv befindet sich ein Dokument, das der wissenschaftlichen Öffentlichkeit bisher unbekannt war, nämlich der vollständige Text einer Semestervorlesung, die Nohl auf Bitten der Studenten im Wintersemester 1933/34 unter dem Titel "Die Grundfragen der nationalen Erziehung" gehalten hat [45] . Ich habe diese Vorlesung inzwischen gelesen, wenn auch noch nicht abschließend analysiert. Jedoch muß ich bekennen: Ich bin erschrocken über das Ausmaß, in dem Nohl in diesem Text Annäherungen an Grundelemente der nationalsozialistischen Ideologie vollzog. Ähnlich wie Spranger und Flitner, aber im Gegensatz zu Litt [46] ist er zu dieser Zeit offenbar von jener höchst problematischen nationalen Aufbruchstimmung großer Teile der deut-schen Bevölkerung erfaßt worden, die auch ihm den klaren Blick für die unüberbrückbaren Unterschiede zwischen Kernelementen seiner bis dahin vertretenen pädagogischen Auffassungen und der damit verknüpften, entschieden nationalen, aber nicht faschistischen politischen Position auf der einen Seite und den Zielen des Nationalsozialismus auf der anderen Seite vernebelten. Aber wie bringt man diese in der Vorlesung dominierenden Tendenzen nicht nur mit den erwähnten kritischen Distanzierungen in der privaten Korrespondenz zusammen, sondern auch mit anderen öffentlichen Stellungnahmen Nohls, in denen er bereits vor und auch unmittelbar nach 1933 deutliche Trennungslinien zum NS-System zog ? [47] Ich muß die Frage hier einstweilen unbeantwortet stehen lassen.



4. Zusammenfassung

Abschließend ziehe ich ein vorläufiges Resümee in vier Thesen:

  1. Wer - wie ich - der begründeten Überzeugung ist, daß Völker, Gesellschaften, Staaten, Kulturen und folglich auch Wissenschaften - in diesem Falle: die Erziehungswissenschaft - ihre Geschichte, gerade auch deren dunkle Perioden, nicht einfach von sich abstoßen können, nicht vergessen und verdrängen dürfen, der muß es begrüßen, daß auch die Frage nach dem Verhältnis von Geisteswissenschaftlicher Pädagogik und Nationalsozialismus heute innerhalb der deutschen Erziehungswissenschaft so rückhaltlos diskutiert wird. Die übertriebene Schärfe mancher Kontroversen muß man dabei m. E. vorübergehend in Kauf nehmen.

  2. Folgende Feststellung dürfte bereits heute als ziemlich gesichert gelten: Die meisten der maßgeblichen Vertreter der Geisteswissenschaftlichen Pädagogik haben sich vor 1933 loyal zur Weimarer Republik verhalten, und sie sind für die Erhaltung ihrer Verfassung eingetreten, außer Spranger, der in der Endphase der Republik offen für die damals antidemokratische Deutsch-Nationale Volkspartei votierte, weil er sie für ein notwendiges Korrektiv der Nationalsozialisten hielt. Aber auch für die anderen Autoren gilt: Einen entscheidenden Beitrag zu einer konsequenten, demokratischen Bewußtseinsbildung und zur entschiedenen politischen Verteidigung der Republik in ihrer Krisenphase haben sie nicht geleistet.

  3. Spranger, Flitner und Nohl brachten - anders als Litt, dessen Distanzierung vom Nationalsozialismus von Anfang an außer Zweifel stand - trotz mancher Positionsunterschiede in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in ihren öffentlichen Stellungnahmen partielle Zustimmung zum Nationalsozialismus zum Ausdruck, indem sie den politischen Umbruch als "nationalen Aufbruch" deuteten und in pädagogischer Hinsicht die Erwartung äußerten sowie die Forderung stellten, daß das neue Regime wesentliche Erfahrungen und Prinzipien der reformpädagogischen Bewegung der vorangehenden Jahrzehnte bewahren könne und bewahren werde. Gleichzeitig ist allerdings die beklommene Sorge erkennbar, ob solche Erwartungen oder Forderungen im neuen Herrschaftssystem tatsächlich Gehör finden würden. - Nimmt man die nichtöffentlichen Aussagen der genannten Personen hinzu, so wird der Eindruck der Unsicherheit, der Ambivalenz für diese Anfangsperiode der NS-Zeit noch wesentlich verstärkt.

  4. Spätestens ab 1935 wird die innere und z. T. auch die nach außen hin erkennbare Distanzierung vom Nationalsozialismus, die Litt bereits vor und nach 1933 unzweideutig vollzogen hatte, auch bei Spranger, Flitner und Nohl zunehmend klarer. Die anfängliche Ambivalenz weicht mehr und mehr der Distanzierung. Ob und wieweit damit aber bei diesen Pädagogen noch während der NS-Zeit auch erste Schritte zur Entwicklung eines demokratisch-politischen Bewußtseins und zu einem demokratischen Erziehungskonzept verbunden waren, ist damit noch nicht gesagt.

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Anmerkungen


[1] ) W. Klafki: Bericht über das Podium "Pädagogik und Nationalsozialismus" In: 25. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik (Bilanz für die Zukunft - Aufgaben, Konzepte und Forschung in der Erziehungswissenschaft. Beiträge zum 12. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 19. - 21.3.1990 in der Universität Bielefeld), S. 35 - 55. - Die Referate einer Arbeitsgruppe mit dem Thema "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus" sind zusammen mit weiteren Aufsätzen zum Thema in einem Band von Wolfgang Keim mit dem Titel "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus - Eine kritische Positionsbestimmung" publiziert worden: Studienheft 9 der Zeitschrift "Forum Wissenschaft", hrsg. vom Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Marburg 1990.

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[2] ) Vgl. P. Kaßner: Peter Petersen - Die Negierung der Vernunft? In: Die Deutsche Schule 1989, S. 117 - 132. - W. Keim: Peter Petersens Rolle im Nationalsozialismus und die bundesdeutsche Erziehungswissenschaft. Wie vorher, S. 133 - 145. - U. Herrmann: Geschichtsdeutung als Disziplinpolitik? Wie vorher, S. 366 - 373. - W. Keim: Noch einmal: Worum es eigentlich geht. Wie vorher, S. 373 - 376.

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[3] ) Vgl. W. Keim: Pädagogik und Nationalsozialismus - Zwischenbilanz einer Auseinandersetzung innerhalb der bundesdeutschen Erziehungswissenschaft. In: Neue Sammlung 1989, S. 186 - 208 (Wiederabdruck in dem in Anm. 1) genannten Band von W. Keim "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus", S. 14 - 27). Th. Wilhelm: Verwandlungen im Nationalsozialismus - Anmerkungen eines Betroffenen. In: Neue Sammlung 1989, S. 498 - 506 sowie Keims Stellungnahme zu dieser Replik in der Anmerkung 1 seines vorher genannten Aufsatzes "Pädagogik und Nationalsozialismus" in der Fassung im Band "Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus", S. 25.

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[4] ) K.-Ch. Lingelbach: Erziehung und Erziehungstheorie im nationalsozialistischen Deutschland. Weinheim 1970; überarbeitete Zweitausgabe mit drei neuen Studien und einem Diskussionsbericht, Frankfurt 1987.

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[5] ) W. Klafki: Theodor Litts Stellung zur Weimarer Republik und seine Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (zuerst 1967), Wiederabdruck in W. Klafki: Aspekte kritisch-konstruktiver Erziehungswissenschaft. Weinheim 1976, S. 219 - 252.

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[6] ) W. Klafki: Die Pädagogik Theodor Litts - Eine kritische Vergegenwärtigung. Königstein/Ts. 1982.

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[7] ) Vgl. außer den in Anm. 1) und 2) genannten Abhandlungen Keims vor allem seinen Beitrag "Bundesdeutsche Erziehungswissenschaft und Nationalsozialismus" in dem von ihm herausgegebenen Sammelband "Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus - Ein unerledigtes Problem der Erziehungswissenschaft", Frankfurt 1988.

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[8] ) A. Rang: Reaktionen auf den Nationalsozialismus in der Zeitschrift "Die Erziehung" im Frühjahr 1933. In: H. U. Otto / H. Sünker (Hrsg.): Soziale Arbeit im Faschismus. Bielefeld 1986, S. 35 - 54. - Ders.: Beklommene Begeisterung - Sprangers und Flitners Reaktionen auf den Nationalsozialismus im Jahre 1933. In: P. Zedler / E. König (Hrsg.): Ansätze und Studien zur Rekonstruktion pädagogischer Wissenschaftsgeschichte. Weinheim 1989, S. 263 - 294.

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[9] ) K. Beutler: Militärpädagogische Aspekte bei Erich Weniger - Zum kriegsfördernden Beitrag geisteswissenschaftlicher Pädagogik. In: W. Keim (Hrsg.): Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus, vgl. Anm. 7), S. 60 - 72. - Ders.: Bemerkungen zur Anwendung der hermeneutischen Methode in der Auseinandersetzung zwischen Adalbert Rang und Ulrich Herrmann in dem in Anm. 7) genannten Sammelband von Keim, S. 137 - 142.

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[10] ) K. Himmelstein: "Wäre ich jung, wäre ich Nationalsozialist ...". Anmerkungen zu Eduard Sprangers Verhältnis zum deutschen Faschismus. In: W. Keim (Hrsg.): Pädagogen und Pädagogik im Nationalsozialismus (vgl. Anm. 7), S. 39 - 59.

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[11] ) U. Herrmann (Hrsg.): "Die Herausgeber müssen sich äußern". Die Staatsumwälzung im Frühjahr 1933 und die Stellungnahmen von Eduard Spranger, Wilhelm Flitner und Hans Freyer. In: U. Herrmann / J. Oelkers: Pädagogik und Nationalsozialismus. Weinheim/Basel 1989 (= Herrmann 1989 a), S. 281 - 325. - Ders.: Polemik und Hermeneutik. Zur Auseinandersetzung mit A. Rang über Pädagogik und "Un-Pädagogik" und zur Kritik "kritischer" Historiographie. In: P. Zedler / E. König (Hrsg.): Ansätze und Studien zur Rekonstruktion pädagogischer Wissenschaftsgeschichte. Weinheim 1989 (= Herrmann 1989 b), S. 295 - 315. - Ders.: Geschichtsdeutung als Disziplinpolitik. In: Die Deutsche Schule 1989, S. 366 - 373 (= Herrmann 1989 c).

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[12] ) H.-E. Tenorth: Zur deutschen Bildungsgeschichte 1918 - 1945. Köln/Wien 1985. - Ders.: Deutsche Erziehungswissenschaft 1930 - 1945. Aspekte ihres Strukturwandels. In.: Zeitschrift für Pädagogik 1986, S. 290 - 321. - Ders.: Falsche Fronten. In: demokratische Erziehung 1987, H. 7/8, S. 28 - 32. - Ders.: Wissenschaftliche Pädagogik im nationalsozialistischen Deutschland. In: U. Herrmann / J. Oelkers: Pädagogik und Nationalsozialismus. Weinheim/Basel 1989, S. 53 - 84. - Ders.: Einfügung und Formierung, Bildung und Erziehung. Positionelle Differenzen in pädagogischen Argumentationen um 1933. Wie vorher, S. 259 - 279. - Ders.: Pädagogisches Denken. In: D. Langewiesche / H.-E. Tenorth (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte, Bd. V, 1918 - 1945: Die Weimarer Republik und die nationalsozialistische Diktatur. München 1989, S. 111 - 153. - Ders.: Eduard Sprangers hochschulpolitischer Konflikt 1933 - Politisches Handeln eines preußischen Gelehrten. In: Zeitschrift für Pädagogik 1990, S. 573 - 596.

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[13] ) A. Leschinsky: Einen Schritt voraus, zwei Schritte zurück? Kritische Überlegungen zum Umgang der Erziehungswissenschaft mit der Vergangenheit anläßlich eines neu erschienenen Buches. In: Neue Sammlung 1989, S. 209 - 225.

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[14] ) Uwe Henning / Achim Leschinsky: "Widerstand im Detail". Eduard Sprangers Rücktrittsaktion vom Frühsommer 1933 im Spiegel bürgerlicher Presseberichte. In: Zeitschrift für Pädagogik 1990, S. 551 - 572. - Dies. (Hrsg.): Enttäuschung und Widerspruch. Die konservative Position Eduard Sprangers im Nationalsozialismus. Analysen - Texte - Dokumente. Weinheim 1991.

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[15] ) Vgl. Anm. 4), außerdem: K.-Ch. Lingelbach: Unkritische Bildungshistorie als sozialwissenschaftlicher Fortschritt? In: Zeitschrift für Pädagogik 1988, S. 519 - 534. - Vgl. auch meinen Bericht über Lingelbachs Diskussionsbeiträge in der in Anm. 1) genannten Publikation.

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[16] ) Vgl. Anm. 9).

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[17] ) Vgl. Anm. 4): K.-Ch. Lingelbach: Erziehung und Erziehungstheorien ... 2. Aufl. 1987, S. 221 - 245 sowie die in den Anm. 5) und 6) genannten Veröffentlichungen.

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[18] ) Vgl. die entsprechenden Artikel, die in Anm. 8 (A. Rang 1986, 1989, 1990) und in Anm. 11 (U. Herrmann 1989 a, b, c) genannt werden.

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[19] ) Vgl. U. Herrmann, Anm. 18), 1989 a, S. 282.

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[20] ) Die Erziehung, 8. Jg. 1932/33, Aprilheft 1933, S. 401 - 408 (E. Spranger) bzw. S. 408 - 416 (W. Flitner).

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[21] ) U. Herrmann: "Die Herausgeber müssen sich äußern", vgl. Anm. 11), Herrmann 1989 a, bes. S. 288.

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[22] ) Vgl. Anm. 8): A. Rang: Beklommene Begeisterung ...

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[23] ) Vgl. Anm. 8) bzw. 22): Rang 1989, S. 275 - 277

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[24] ) Vgl. bes. U. Herrmann (Anm. 11), 1989 a), bes. S. 283 ff., 290 ff., 295.

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[25] ) K. Himmelstein (vgl. Anm. 10), bes. S. 52 ff.

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[26] ) Vgl. dazu die detaillierte Analyse von H.-E. Tenorth, s. Anm. 12) (Tenorth 1990).

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[27] ) Vgl. Anm. 14): U. Hennig / A. Leschinsky 1990.

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[28] ) Vgl. K. Himmelstein (Anm. 10), Himmelstein 1989, S. 51.

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[29] ) Vgl. E. Spranger: Mein Konflikt mit der nationalsozialistischen Regierung 1933. In: Universitas 1955, S. 457 - 473, bes. S. 472 f.

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[30] ) Vgl. H.-E. Tenorth: Eduard Sprangers hochschulpolitischer Konflikt 1933 ... (s. Anm. 12), bes. S. 573 und 586 ff. - Diese These bedarf m. E. genauer Überprüfung. Jedenfalls ist sie auch von Tenorth nicht so gemeint, als ob die Betonung der individuellen Gewissensentscheidung von jenem Zeitpunkt ab ein prinzipiell neues Element in Sprangers Denkentwicklung darstelle. Allenfalls erhält dieses bereits viel früher in Sprangers Weltanschauung ausgebildete Moment nach der Krise vom April/Mai 1933 noch stärkeres Gewicht als vorher. - Unter vielen Belegstellen für die Betonung der individuellen Gewissensentscheidung schon vor 1933 sei hier nur auf ein auch bei Himmelstein (a. a. O., S. 50) angeführtes Zitat verwiesen: In Sprangers zeitkritischem Aufsatz "Gegenwart" vom September 1932 heißt es u. a.: "Mag also der Liberalismus sich tausendmal und in allen übrigen Formen überlebt haben: Diese eine Gestalt kann und darf nicht wieder sterben: Das individuelle Gewissen, das sich für sein Tun und Lassen selbst verantwortlich weiß." (In: E. Spranger: Volk - Staat - Erziehung. Gesammelte Reden und Aufsätze. Leipzig 1932, S. 197; vgl. ebda, S. 201).

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[31] ) E. Spranger: Texte für die Mittwochs-Gesellschaft 1935 - 1944, hrsg. von Uwe Henning u. a., 2. überarb. Aufl. München 1988.

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[32] ) Vgl. E. Spranger: Gesammelte Schriften, Bd. VII: Briefe 1901 - 1963, hrsg. von H.-W. Bähr, Tübingen 1978, Anmerkungen zu den Briefen an Käte Hadlich vom 2. Juli 1936 und vom 4. Dezember 1936, S. 435/436.

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[33] ) Vgl. Sprangers Briefe an Käthe Hadlich vom 20.04.1936. In: E. Spranger: Gesammelte Schriften, vgl. Anm. 32, S. 170 f.

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[34] ) E. Spranger: Probleme der Kulturphilosophie. (Bunkatetsugaku-no-sho-mondai). Übers. von Shinichiro Kotsuka. Tokyo 1937. Vgl. auch die beiden Beiträge aus den Japan-Vorträgen in Sprangers "Texten für die Mittwochs-Gesellschaft" (vgl. Anm. 31): "Schriftlicher Bericht von Eduard Spranger über seinen Aufenthalt in Japan" (951. Sitzung am 14. April 1937) und "Über den japanischen Nationalcharakter" (963. Sitzung am 19. Januar 1938), S. 39 - 45 bzw. S. 46 - 49.

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[35] ) Karl Löwith: Mein Leben vor und nach 1933 in Deutschland. Stuttgart 1968, S. 113.

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[36] ) Reiko Sato: Spranger und Japan. In: Bulletin der Tachibana Frauenuniversität, Tachibana 1970, Nr. 3, S. 65 - 83.


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[37] ) T. Tashivo: Sprangers Attitude Toward Fascism. In: Japanese Journal of Educational Research. Vol. 50, No. 4, Dec. 1983, p. 333 - 342. - Ders.: Some Features of Sprangers Politico Pedagogical Thought 1933 - 1945. - Forms of "Resistance" against National Sozialism. Wie vorher, Vol. 52, No. 2, June 1985, p. 173 - 182.

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[38] ) Vgl. E. Spranger: Vorworte zu den in Anm. 34) genannten Sammelbänden mit Vorträgen Sprangers in japanischer Sprache.

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[39] ) Vgl. die Zitate aus Briefen Litts an Nohl in Elisabeth Blochmanns Buch "Herman Nohl in der pädagogischen Bewegung seiner Zeit 1879 - 1960". Kapitel "Göttingen 1933 - 1945", S. 163 - 184.

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[40] ) H. Nohl: Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie. 2. durchges. und mit einem Nachwort versehene Aufl. Frankfurt/M. 1935. - Die beiden Hauptteile des Buches waren zuerst in dem noch vor dem nationalsozialistischen Umbruch gedruckten "Handbuch der Pädagogik", hrsg. von H. Nohl und L. Pallat, Bd. I, Langensalza 1933 erschienen: "Die Theorie der Bildung" (S. 3 - 80) und "Die pädagogische Bewegung in Deutschland" S. 302 - 374.

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[41] ) Vgl. das Nachwort zur 3. Auflage des Buches, Frankfurt/M. 1948, S. 229.

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[42] ) Vgl. den Abdruck des Vorworts zur 2. Aufl. in der 3. Aufl. 1948, S. 228.

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[43] ) Vgl. die in E. Blochmanns Nohl-Biographie (s. Anm. 39) enthaltenen Auszüge aus dem Briefwechsel Nohls mit Ludwig Pallat über den Abschluß des "Handbuchs der Pädagogik" (vgl. Anm. 40) - S. auch E. Blochmann, a. a. O., S. 160 ff.

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[44] ) Frau Hee-Hyang Choi.

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[45] ) Die Kennzeichnung im Universitätsarchiv Göttingen lautet: Cod. Ms H. Nohl 830: 1G. - Daß Nohl diese Vorlesung gehalten und eine Abschrift des Textes noch im Dezember 1940 an Theodor Litt zu dessen 60. Geburtstag gesandt hat, war schon bisher durch Elisabeth Blochmanns Nohl-Biographie (vgl. Anm. 39, S. 171) bekannt, nicht aber, daß das Göttinger Universitätsarchiv ein maschinenschriftliches Exemplar der Vorlesung besitzt.

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[46] ) Vgl. die Wiedergabe der Stellungnahme Litts zu Nohls oben erwähnter Vorlesung vom Wintersemester 1933/34 bei E. Blochmann (s. Anm. 39), S. 171.

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[47] ) Vgl. den Vortrag "Pädagogische Bewegung oder pädagogische Reaktion?", den Nohl im Oktober 1932 auf einer pädagogischen Kundgebung hielt. Er wurde in der Zeitschrift "Deutsche Schule" im 37. Jg. 1933, H. 1 abgedruckt. Wiederabdruck in: H. Nohl: Pädagogik aus dreißig Jahren. Frankfurt/M. 1949, S. 237 - 244.

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