Universitätsbibliothek Marburg: Veränderungen im Aufgabenspektrum des wissenschaftlichen Dienstes an Hochschulbibliotheken. Marburger Überlegungen und Erfahrungen: Marburg 1997:
http://archiv.ub.uni-marburg.de/sonst/1998/0001.html
Universitätsbibliothek Marburg
Veränderungen im Aufgabenspektrum des wissenschaftlichen Dienstes an Hochschulbibliotheken
Marburger Überlegungen und Erfahrungen (Stand: 24. Juli 1997)
Vorbemerkung
Der vorliegende Text ist aus Diskussionen hervorgegangen, die in der ersten
Hälfte des Jahres 1997 im Kreise des Höheren Bibliotheksdienstes der
Universitätsbibliothek Marburg geführt wurden. Diese Diskussionen
verfolgten aus gegebenem Anlaß das Ziel, sich über Aufgaben und
Entwicklungsmöglichkeiten des Berufs unter den gegenwärtigen
Rahmenbedingungen zu verständigen. Wie bei der Fragestellung nicht
anders zu erwarten war, verlief die Diskussion lebendig und zum Teil
kontrovers. Sie hat nicht in allen Punkten Ergebnisse gebracht, die von allen
Diskussionsteilnehmern in vollem Umfang geteilt werden konnten. Insofern ist
dieser Text als vorläufige Fixierung zu verstehen: Diese Diskussion
muß und wird weitergehen.
Im Anschluß an die Diskussionen im Hause wurde das Papier der Konferenz der Direktoren der wissenschaftlichen Bibliotheken in Hessen vorgelegt, die auf einer Sondersitzung am 18.12.1997 ausführlich über Fragen des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes diskutierte.
Dirk Barth
Die wissenschaftlichen Bibliotheken erleben an der Schwelle zum 21. Jahrhundert einen grundlegenden Umbruch:
- Die Serviceerwartungen ihrer Nutzer verändern sich in dem Maße, in dem die neuen elektronischen Medien die Literatursituation der einzelnen Fächer verändern. Die Nutzung dieser Medien wird zu einem immer selbstverständlicheren Teil wissenschaftlicher Arbeit. Für die Bibliotheken gewinnt damit neben dem (physischen) Besitz von Literatur, neben ihrer Beschaffung, Erschließung, Magazinierung und Bereitstellung, mehr und mehr die Aufgabe an Bedeutung, den Zugang zu Informationen unabhängig von ihrem (physischen) Standort zu sichern und den Nutzern möglichst komfortabel anzubieten. Dies erfordert in den Bibliotheken nicht nur geeignete Technik und kundige Techniker, sondern auch ein breit gestreutes bibliothekarisches Know-how über Existenz und Nutzungsmöglichkeiten dieser Medien.
- Wie alle Einrichtungen der öffentlichen Hand stehen auch die wissenschaftlichen Bibliotheken unter einem erheblichen Kostendruck. Eine effiziente Verwendung ihrer Erwerbungsmittel wird ihnen ebenso nachdrücklich abverlangt wie ein effektiver Personaleinsatz. Dieser sich noch weiter verstärkende Druck erzwingt Veränderungen der Organisation der Bibliotheken, die die Tätigkeiten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Laufbahngruppen tangieren. In diesem Zusammenhang spielt auch die Struktur der universitären Bibliothekssysteme eine wichtige Rolle. Im Hinblick auf ihre Effektivität sind insbesondere die zweigleisigen Bibliothekssysteme "alter" Hochschulen einem Veränderungsdruck ausgesetzt.
Unter immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen, die insbesondere durch eine wachsende Medienvielfalt und steigende Anforderungen der Nutzer bei weiter abnehmender Finanzausstattung gekennzeichnet sind, kommt den wissenschaftlichen Bibliotheken die Aufgabe zu, sich neu zu orientieren, um ihre Leistungsfähigkeit im Servicebereich zu erhalten und womöglich sogar auszubauen.
Die Bibliotheken haben sich in der letzten Zeit bereits auf die sich verändernden Rahmenbedingungen einzustellen versucht etwa durch
- eine stärkere Kundenorientierung ihrer Dienstleistungen,
- die Automatisierung von Arbeitsabläufen,
- lokale, regionale und überregionale Kooperationen im Erwerbungsbereich.
Die Arbeitsfelder des in den Bibliotheken beschäftigten Personals der verschiedenen Laufbahngruppen hat sich in diesem Gesamtzusammenhang erweitert und verändert. Ausgehend von den praktischen Erfahrungen, die die UB Marburg im zweischichtigen Bibliothekssystem ihrer "alten" Hochschule gemacht hat, wird diese Entwicklung nachfolgend für den wissenschaftlichen Dienst beschrieben.
Aufgaben des wissenschaftlichen Dienstes
Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UB Marburg sind in drei Aufgabenfeldern tätig:
- Fachreferat
- Verwaltung in
- der Universitätsbibliothek sowie in ihren Abteilungen,
- den (dezentralen) Teilbibliotheken der UB,
- Bibliotheksdatenverarbeitung (Betrieb und Weiterentwicklung).
Die zentrale Aufgabe des höheren Dienstes an wissenschaftlichen Bibliotheken war in der Vergangenheit die Erwerbung und Erschließung der (gedruckten) wissenschaftlichen Literatur. Primär in Fachreferaten tätig, bewirtschaftete er jeweils einen bestimmten Etatanteil der Buchkaufmittel der Zentralbibliothek und stand für fachliche, insbesondere fachbibliographische Auskünfte zur Verfügung. Daneben waren jeweils nur einzelne Mitarbeiter des höheren Dienstes mit Verwaltungsaufgaben befaßt.
Dieser vor allem auf den Bestandsaufbau der Zentralbibliothek bezogene, primär fachwissenschaftlich orientierte Arbeitsschwerpunkt des wissenschaftlichen Dienstes hat sich in Marburg in der letzten Zeit zu Gunsten von verwaltenden (koordinierenden) und systembetreuenden Tätigkeiten verlagert. Die Gründe dafür sind in Strukturveränderungen im Bibliothekssystem der Philipps-Universität sowie in der fortschreitenden Bibliotheksautomatisierung (insbesondere durch die PICA-Einführung seit 1994) zu sehen. Der Umfang der insgesamt in der Universitätsbibliothek zu leistenden Fachreferatsarbeit ist zwar insbesondere aufgrund der reduzierten Bucherwerbungen zurückgegangen, in Verbindung mit der Übernahme von Leitungsfunktionen in dezentralen Bibliotheken (Teilbibliotheken) hat sie sich gleichzeitig jedoch punktuell ausgeweitet und vertieft.
Die Universitätsbibliothek Marburg hat sich seit Mitte der achtziger Jahre konsequent auf diese Entwicklungen einzustellen versucht. Sie hat dabei die nachfolgend dargestellten Erfahrungen gemacht.
1. Tätigkeiten im Fachreferat
Die Fachreferenten sind und bleiben, bezogen auf ihre jeweiligen Fächer, verantwortlich für die Medienerwerbung und die Erschließung der lokalen Bibliotheksbestände. Hinzu kommt die Aufgabe der Erschließung und der Vermittlung der neuen elektronischen Medien unabhängig von der Frage des lokalen (physischen) Besitzes oder Nichtbesitzes. Diese Aufgabenstellung fügt sich nahtlos in das traditionelle Aufgabenspektrum des Fachreferenten ein; denn die Aufgaben der Selektion und der Erschließung bleiben gleich, neu sind lediglich die medialen Vermittlungstechniken.
Diese Erweiterung der Aufgabenstellung im Hinblick auf die Sichtung auch des Marktes an elektronischen Informationen, deren Präsentation und ggf. Archivierung erfordert fortlaufend zu aktualisierende Kenntnisse der EDV, Fähigkeiten zu ihrer Anwendung, gründliche fachbibliographische Kenntnisse sowie einen genauen Überblick über den Medienmarkt. In diesem Zusammenhang gewinnt die aktive Beherrschung elektronischer Dienstleistungsangebote für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes mehr und mehr an Bedeutung, und zwar insbesondere im Hinblick auf
- den Aufbau und die Pflege von Fachinformationen im World Wide Web (WWW),
- die Erschließung traditioneller wie elektronischer Literatur,
- das Navigieren in internationalen Netzen,
- qualifizierte Einführungen (Schulungen) in Datenbanken (CD-ROM u.a) sowie
- den Aufbau bibliothekseigener, elektronischer Textarchive.
Die Tätigkeit im Fachreferat wandelt sich so unter den Bedingungen der technologischen Entwicklungen und der Medienvielfalt also kaum inhaltlich, wohl aber in methodischer Hinsicht grundlegend. Um sie erfolgreich wahrnehmen zu können, sind zwar die theoretischen Grundanforderungen (fachwissenschaftliches Universitätsstudium und bibliothekarische Laufbahnprüfung) weiterhin unverzichtbar; doch stellen die sich darauf aufbauenden praktischen Kenntnisse und Fähigkeiten in einem sich kontinuierlich verändernden Berufsalltag zusätzliche Anforderungen.
Verändert sich zusätzlich die Organisation des zweischichtigen universitären Bibliothekssystems wie in Marburg in Richtung auf eine (funktionale, kooperative) Einschichtigkeit, erstrecken sich diese grundlegend veränderten und erweiterten Aufgaben nicht mehr nur auf die Bestände und Informationsangebote der zentralen Universitätsbibliothek, sondern auch auf diejenigen der dezentralen Bibliotheken (Teilbibliotheken). Unter diesen Umständen ergibt sich eine mehrfache (quantitative) Ausweitung und (qualitative) Vertiefung des fachbibliothekarischen Verantwortungsbereichs (vgl. 2. b).
So wandelt sich das Zusammenspiel zwischen Fachwissenschaftler und Fachreferent in dem Maße, in dem der Referent in den Fachbereich eingebunden wird: Dabei kann er in allen Fragen der Literatur- und Informationsversorgung zum fachwissenschaftlichen Gesprächs- und bibliothekarischen Ansprechpartner für die Angehörigen des Fachbereichs werden und so eine zentrale, die Wissenschaftler entlastende Dienstleistung erbringen. Hinzu kommt, daß er nun unter Umständen auch in entsprechende Lehrveranstaltungen des Fachbereichs eingebunden wird. Bei knapper werdender Personalausstattung in den Universitäten wird eine solche kooperative, arbeitsteilige Bündelung der Aktivitäten von Wissenschaftlern einerseits und (Informations-) Dienstleistern andererseits zunehmend erforderlich.
Die hier aufgezeigten Entwicklungen in den Bereichen der modernen Medientechnologien und der Hochschulbibliothekssysteme bringen den Fachreferenten in eine größere Nähe zu Benutzern und zur Wissenschaft. Dadurch wird er auf der ganzen Breite seiner fachwissenschaftlichen, bibliothekarischen und berufspraktischen Qualifikationen stärker gefordert, als dies bisher in seinem weitgehend auf die Universitätsbibliothek beschränkten Tätigkeitsbereich der Fall war.
2. Verwaltung
a. Leitungs- und Planungsaufgaben in der Universitätsbibliothek
Effektive benutzerorientierte Dienstleistungen setzen eine rationelle Organisation des Bibliotheksbetriebs voraus. In diesem Zusammenhang obliegen dem wissenschaftlichen Dienst Führungs- und Managementfunktionen. Insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausbau elektronischer Dienstleistungsangebote erwachsen planerische und organisatorische Aufgaben, die er maßgeblich trägt. Im Rahmen eines kooperativen Führungskonzepts arbeitet er bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben im Team mit Kollegen des gehobenen und des mittleren Dienstes zusammen. Diese Teamstruktur bietet die für einen rationellen und effektiven Verwaltungsbetrieb notwendige Flexibilität, indem sie Fachleute aus unterschiedlichen Bereichen und Ebenen in gemeinsamer Projektarbeit zusammenbringt.
Diese Leitungs- und Führungsaufgaben finden auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Formen statt:
- In der zentralen Universitätsbibliothek nimmt der wissenschaftliche Dienst neben der Bibliotheksleitung Managementaufgaben in der Bibliotheksverwaltung wahr, indem er den Linienabteilungen vorsteht.
- Weitere Aufgaben im Verwaltungsbereich sind wegen ihrer abteilungsübergreifenden, die ganze Bibliothek betreffenden Aufgabenstellungen in sog. Stabsfunktionen eingebettet wie die Bereiche Ausbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Planung und Koordinierung der Bibliotheksautomatisierung; sie setzen entsprechende Spezialkenntnisse voraus.
- Hinzu kommen Aufgaben bei der Leitung von Projektteams, die zeitlich befristet bestimmte Aufgaben bewältigen sollen und
- Verwaltungs- sowie Koordinierungsaufgaben in den dezentralen Bibliotheken (Teilbibliotheken) des Hochschulbibliothekssystems (s. 2. b).
Die UB Marburg hat die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes weitgehend in Verwaltungsfunktionen eingebunden, die überwiegend in der Zentralbibliothek, teilweise auch in dezentralen Bibliotheken angesiedelt sind. Kennzeichnende Tätigkeiten in beiden Einsatzbereichen sind Führungsaufgaben, Planung vor allem in den Bereichen Finanzen und Bibliothekspolitik, Bau- und Raumplanung, Ausbildung sowie Mitarbeit in Hochschul- und Verbundgremien.
Die Gesamtleitung der Bibliothek obliegt der Direktion, die über zwei dem Bibliotheksmanagement gewidmeten Stellen verfügt. Die Leitung der vier großen Linienabteilungen nehmen Mitglieder des wissenschaftlichen Dienstes mit jeweils hohen Anteilen ihrer Stellen wahr. Angesichts der Notwendigkeit, auf laufende Veränderungen mit Organisationsanpassungen zu reagieren und neue Arbeitsfelder in die Arbeitsabläufe zu integrieren, wurden den Abteilungsleitern je einer bis zwei Stellvertreter aus dem Bereich des wissenschaftlichen Dienstes an die Seite gestellt. Deren Aufgabe umfaßt neben der Abwesenheitsvertretung auch die kontinuierliche Wahrnehmung von Teilaufgaben der Abteilungsleitung zu ihrer Unterstützung. Nach Marburger Erfahrungen ist im übrigen die Konzentration auf wenige große Abteilungen gegenüber einer weiter aufgegliederten Abteilungsstruktur vorteilhaft, weil sachgebietsübergreifende Zusammenhänge stärker berücksichtigt werden können (z.B. integrierte Geschäftsgänge).
Die Arbeit in den übergreifenden Stabsstellen ebenso wie in den Projektteams erfordert z.T. einen erheblichen Zeitaufwand. In diesem Zusammenhang ist auch die laufende Schulung des Personals der eigenen Bibliothek nicht zu unterschätzen (lebenslanges Lernen, Fort- und Weiterbildung).
b. Leitung von Teilbibliotheken
Knappe Mittel erzwingen eine möglichst intensive und verbindliche Koordination der Medienanschaffungen im gesamten Bibliothekssystem. Die Formen der Zusammenarbeit reichen von Kaufabsprachen im Einzelfall bis zu grundlegenden, fachwissenschaftlich und bibliothekarisch differenziert begründeten Erwerbungskonzeptionen. Je intensiver sich diese Zusammenarbeit gestaltet, desto nachdrücklicher unterstützt sie eine Entwicklung, die letztlich in Richtung auf eine (funktionale, kooperative) Einschichtigkeit verläuft.
Mit einer Verwirklichung der (funktionalen, kooperativen) Einschichtigkeit sind Veränderungen im Tätigkeitsspektrum der verantwortlichen Referenten verbunden:
- Sie sind nun für die Bewirtschaftung der gesamten Erwerbungsmittel eines Wissenschaftsfaches verantwortlich, also auch für die der Fachbereiche.
- Sie übernehmen die Leitung der dezentralen Bibliothek als neuer organisatorischer Einheit und sind mit allen Fragen ihrer Organisation und Verwaltung befaßt.
- Der Schwerpunkt ihres Aufgabenbereichs verlagert sich zu verwaltenden und koordinierenden Tätigkeiten; umfassende Kenntnisse der Bibliotheksverwaltung sind ebenso erforderlich wie fundierte fachwissenschaftliche Qualifikationen.
In Marburg wurde in den frühen 1980er Jahren ein Kooperationsmodell entwickelt, das in einem traditionell zweischichtigen Bibliothekssystem eine (funktionale, kooperative) Einschichtigkeit durch Bildung von Teilbibliotheken, die gemeinsam von Fachbereich und Universitätsbibliothek unterhalten werden, herstellt. Bisher wurden neun solcher Teilbibliotheken der UB eingerichtet. Ihre Geschäftsgrundlage bilden jeweils bilaterale Vereinbarungen zwischen den betroffenen Fachbereichen und der UB. Die Leitung der Teilbibliotheken obliegt den wissenschaftlichen Bibliothekaren, die gleichzeitig als Fachreferenten der Zentralbibliothek tätig sind. Pro Teilbibliothek sind dadurch 0,2 bis 0,5 Stellenanteile des wissenschaftlichen Dienstes der UB gebunden.
Der wissenschaftliche Dienst verbindet in diesem Bereich drei Funktionen miteinander:
- Gefordert ist eine enge fachwissenschaftliche und bibliothekarische Kooperation mit dem jeweiligen Fachbereich im Interesse "kundenorientierter" Dienstleistungen.
- Zugleich müssen bibliothekarische Arbeitsabläufe stringent organisiert und die Teilbibliothek als Verwaltungseinheit in Bezug auf Personal und Etat effizient geführt werden.
- Durch die Integration der Teilbibliotheksleiter in die Zentralbibliothek wird eine Anbindung der dezentralen Bibliotheken an Entwicklungen, die das lokale sowie das überregionale Bibliothekssystem betreffen, sichergestellt.
Der Fachreferent, der zugleich Leiter einer Teilbibliothek ist, ist dabei verantwortlich für die Verausgabung der Erwerbungsmittel der Universitätsbibliothek und des jeweiligen Fachbereichs. Die Summe der von den Fachreferenten zu bewirtschaftenden Etats hat sich in Marburg trotz zum Teil dramatischer Kürzungen erheblich vergrößert, da die Mittel der Fachbereiche hinzukommen.
3. Elektronische Datenverarbeitung
Die elektronische Datenverarbeitung, zunächst vor allem für Zwecke der Bibliotheksverwaltung eingesetzt (Ausleihe, Katalogisierung), ist mehr und mehr zu einem Medium der Informationsvermittlung selbst geworden. Als solches ergänzt und ersetzt sie konventionelle, gedruckte Bibliotheksmedien (IVS, CD-ROM, WWW, Volltexte). In dem Maße, in dem sich diese mediale Veränderung durchsetzt, gewinnt die elektronische Datenverarbeitung für die Bibliotheksbenutzer direkt an Bedeutung. Entsprechend muß die Bibliothek ihre Dienstleistungsangebote erweitern bzw. verändern. Dieses erfordert ein "institutionalisiertes" technisches Know-how in einem besonders starken Maße auf der Ebene des wissenschaftlichen Dienstes.
Den Anforderungen der modernen Informationstechnologie Rechnung tragend, hat die UB Marburg eine eigene, qualifizierte DV-Stabsstelle aufgebaut mit dem Ziel, eine benutzerorientierte Bibliotheksautomatisierung zu realisieren. Diese Stabsstelle wurde personell mit Planstellen aus dem wissenschaftlichen Dienst der UB u.a. ausgestattet. Mittlerweile sind drei Mitarbeiter des wissenschaftlichen Dienstes ausschließlich als Informatiker tätig, die die zentralen Server und das PC-Netz der Bibliothek technisch betreiben und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie die Nutzer der Bibliothek einweisen und unterstützen.
4. Anforderungen und Qualifikationen
Die in diesem Papier dargestellten Veränderungen im Aufgabenfeld des wissenschaftlichen Bibliotheksdienstes haben Modifikationen im Bereich der Anforderungen und Qualifikationen zur Folge.
So ist für die Wahrnehmung der DV-Systembetreuung ein Informatikstudium unerläßlich. Auch könnte man sich zur Wahrnehmung von Spezialaufgaben (z.B. Betreuung von Fachabteilungen, allg. Managementaufgaben) den Einsatz einschlägig ausgebildeter Akademiker ohne bibliothekarische Zusatzausbildung vorstellen. Die Ausbildung zum Bibliothekar des höheren Bibliotheksdienstes jedenfalls vermag für diese Aufgaben eine fehlende fachwissenschaftliche Ausbildung (zunehmend) nicht zu ersetzen. Es ist daher sachgerecht und in diesen Fällen ggfs. notwendig, von der formalen Qualifikation (bibliothekarische Laufbahnprüfung) als Voraussetzung für die Einstellung in den wissenschaftlichen Dienst an Bibliotheken abzuweichen.
Für die Wahrnehmung der Aufgaben im Fachreferat, der Erwerbungskoordination im lokalen und regionalen Bibliothekssystem und der bibliotheksfachlichen Verwaltung im engeren Sinne (Organisation der internen Betriebsabläufe) ist eine geeignete bibliothekarische Ausbildung auf Basis eines fachwissenschaftlichen Studiums allerdings unverzichtbar und gewinnt mit der Zunahme verwaltender und koordinierender Tätigkeiten sogar zunehmend an Bedeutung. Diese muß laufend an die sich wandelnden beruflichen Anforderungen angepaßt werden. Insbesondere muß dabei eine angemessene Gewichtung der praktischen gegenüber der theoretischen Orientierung vorgenommen werden.
Insgesamt wird von allen im wissenschaftlichen Dienst einer Bibliothek Tätigen mehr denn je die Fähigkeit und Bereitschaft verlangt,
- ein Berufsleben lang zu lernen,
- sich rasch auf neue Entwicklungen einzustellen (Innovationsbereitschaft),
- in projektorientierten Teams mitzuarbeiten und
- eigenverantwortlich und nutzerorientiert Prioritäten für das eigene Aufgabenfeld zu setzen.
Das Bibliothekswesen wird die derzeitige Umbruchphase nur dann erfolgreich bestehen, wenn es den Bibliothekaren gelingt, ihre traditionellen bibliothekarischen Qualifikationen und Fähigkeiten nahtlos in das neue Umfeld einzubringen und sie ständig anzupassen.