Presseinformation der Universitätsbibliothek Marburg
- Presseinformation vom 04.06.1999 -
Zum 300. Geburtstag Johann Georg Estors
Am 8. Juni 1699 wurde der Jurist, Historiker und Büchersammler
Johann Georg Estor geboren, der sich durch eine mehr als großzügige
Stiftung um die Philipps-Universität verdient gemacht hat. Estor,
der zunächst in Gießen und Jena lehrte, bis er 1742 einem Ruf
nach Marburg folgte, zählte in der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den
angesehensten und bekanntesten Rechtsgelehrten seiner Zeit. Zahlreiche
deutsche und ausländische Universitäten, darunter Tübingen,
Göttingen, Halle, Utrecht und Leiden, versuchten ihn mit hochdotierten
Angeboten abzuwerben, er blieb jedoch in Marburg, wo er 1748 Vizekanzler,
später Kanzler der Philipps-Universität wurde. Sein über
dem Marktplatz gelegenes Haus entwickelte sich schon bald zu einem Mittelpunkt
der Marburger Gesellschaft. Besonderer Beliebtheit erfreuten sich die sogenannten
„Sonnabend-Concerte“, zu denen Estor Musikfreunde aus dem Kreis der Marburger
Studenten und Akademiker einlud, wenn sie bereit waren, „so lange man musiziert,
sich des Redens zu enthalten und nur einen Zuhörer abzugeben“.
Nachdem Estor zum Kanzler der Philipps-Universität ernannt worden
war, vermachte er seine wertvolle, mehr als 9000 Bände umfassende
Büchersammlung der damals noch eher spärlich ausgestatteten Universitätsbibliothek.
Die Estorsche Sammlung umfaßte vor allem juristische und historische
Literatur, aber auch naturkundliche und theologische Werke, kostbare Atlanten
sowie 562 Sammelbände mit Dissertationen. Da die Universitätsbibliothek
1768 nur etwa 4500 Bände besaß, verdreifachte sich ihr Bestand
durch Estors großzügiges Geschenk. Der gewaltige Zuwachs machte
einen Ausbau der im damaligen Kollegiengebäude der Universität
(Am Plan 2, heute Institut für Genossenschaftswesen u.a.) untergebrachten
Bibliotheksräume erforderlich. 1771 konnte der neue, erheblich vergrößerte
und durch viele Fenster erhellte Saal bezogen werden. Die Estorsche Bibliothek
wurde, einer Verfügung ihres Besitzers entsprechend, zunächst
separat aufgestellt und in einem eigenen Katalog verzeichnet. Der mächtige
Folioband ist noch heute erhalten und gibt über die immense Bedeutung
der Schenkung Aufschluß. Mit der Übernahme der Estorschen Büchersammlung
begann für die Marburger Universitätsbibliothek die Entwicklung
zu einer zeitgemäßen wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek.
Estor starb am 25. Oktober 1773 und wurde in seiner Heimatstadt Schweinsberg
begraben.
Bernd Reifenberg