Zusammenfassung:
Überarbeitete und durch Fotos ergänzte Fassung des Exkurses „Der Caodaismus und seine Konfuzianismus-Rezeption“, in: Karl-Fritz Daiber, Konfuzianische Transformationen – Eine religiöse Tradition in der Moderne Indonesiens, der Philippinen, Vietnams und Südkoreas, Berlin 2010, LIT-Verlag, 185-212.
Der Caodaismus entstand in den 1920er Jahren. Er war zunächst eine religiöse Bewegung unter französisch gebildeten Vietnamesen, die zum Teil in den Diensten der Kolonialmacht standen. Bald entwickelte er sich aber zu einer Massenbewegung unter der ländlichen Bevölkerung Südvietnams, die nicht nur religiöse, sondern auch politische Bedeutung gewann, ähnlich den Bauernbewegungen in China oder auch in Korea während des 19. Jahrhunderts.
Die Studie stellt in erster Linie den Caodaismus als Neureligion dar, basierend auf Berufungserfahrungen des Gründers. Die Selbstoffenbarung Gottes als Gott Cao Dai ist die letzte und höchste Offenbarung in der Menschheitsgeschichte. Sie schließt synkretistisch alle Religionen und humanistischen Glaubensrichtungen zu einer Einheit zusammen. Den Kern dieser Einheit bilden die drei Lehren der chinesisch geprägten Kulturen, nämlich Taoismus, Buddhismus und Konfuzianismus. Alle anderen Religionen werden als Zweige der Drei Lehren verstanden. Der Ahnenverehrung wird hohe Bedeutung zuerkannt.
Dier Kontakt zur göttlichen Welt vollzieht sich durch Rituale, aber auch über spiritistische Praktiken. Durch sie gewonnene Lehren gelten als rational überprüfbar. Die Praktiken schließen an den französischen Spiritismus an. Die Kulthandlungen und ihre Symbolik sind ebenso wie die Architektur und die Sozialordnung der Gemeinschaft rational konstruiert. Der Haupttempel steht in Tay Ninh, von Saigon aus gut erreichbar.