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Titel:Lampert von Hersfeld und Eberhard von Fulda : Zwei gelehrte Mönche als kritische Repräsentanten ihrer benachbarten Reichsabteien in den Umbrüchen des 11. und 12. Jahrhunderts
Autor:Alles, Stefan
Veröffentlicht:2011
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/es/2011/0003
DOI: https://doi.org/10.17192/es2011.0003
URN: urn:nbn:de:hebis:04-es2011-00031
DDC: Geschichte
Publikationsdatum:2011-06-28
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
Lambert <von Hersfeld>, Eberhard <von Fulda>

Zusammenfassung:
Die hochmittelalterlichen Benediktinermönche Lampert von Hersfeld (vor 1028 - 1081/82) und Eberhard von Fulda (vor 1135 - nach 1165/68) erlebten in ihren benachbarten Reichsabteien im heutigen Osthessen in unterschiedlichen Phasen die einschneidenden Umbrüche des römisch-deutschen Reiches von der Mitte des 11. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, die langlebige Veränderungen in Kirche, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit sich brachten. Damals schufen die zwei gelehrten Mönche bedeutende Werke, mit denen sie als Repräsentanten ihrer Abteien wie als Vertreter persönlicher Interessen auf die beobachteten Wand-lungen reagierten. Zunächst verfasste Lampert von Hersfeld die hagiographische „Vita Lulli“ (um 1070/73), ein verlorenes „Hexameter-Gedicht“ (1073), den klostergeschichtlichen „Libellus de institutione Herveldensis ecclesiae“ (1074/76) und die allgemein-historischen „Annales“ (1077-1078/79), während Eberhard von Fulda später den „Codex Eberhardi“ (um 1160) als großes Kompendium von Urkunden und anderen Dokumenten seines Klosters zusammenstellte. Ausgehend von diesen beiden kritischen Repräsentanten ihrer geliebten Heimatabteien bietet unsere Darstellung aus landesgeschichtlicher Perspektive eine vergleichende Einordnung ihres Umfeldes, ihres Werkes und ihrer Bedeutung vor dem Hintergrund der Parallelen und Eigenwege in der Entwicklung der zwei ambivalenten Nachbarklöster Hersfeld und Fulda von etwa 1040 bis 1160. Denn sowohl der Geschichtsschreiber als auch der Urkundenkompilator eröffnen trotz ihrer unterschiedlichen Schaffensfelder und Zeitstellung zahlreiche Vergleichsmöglichkeiten als monastische Bekämpfer des krisenhaften Wandels im Hochmittelalter. Zudem nehmen beide in der relativ beachtlichen, jedoch problematischen Quellenüberlieferung ihrer hochrangigen Heimatabteien im Früh- und Hochmittelalter eine Schlüsselrolle ein – und liefern sogar jeweils auch noch bedeutende Informationen über ihr Nachbarkloster. In diesem Zusammenhang müssen die bereits von der hilfswissenschaftlichen und historischen Forschung gewonnenen Erkenntnisse zur allgemeinen Aussagekraft von Lampert und Eberhard für die Reichsgeschichte und Urkundenlehre auch im Detail für die Landesgeschichte angewandt und differenziert werden, zumal in den Kernregionen Hessen und Thüringen. Eine besondere Dimension erlangen Lampert und Eberhard aber nicht so sehr durch die Präsentation geschichtlicher Ereignisse und Dokumente, sondern durch die verdeckte oder gar offene Einstreuung von Selbstzeugnissen, die einen Einblick in ihre bisherige Biographie, ihre praktische Arbeitsweise und ihre persönliche Gesinnung gewähren. Außerdem zeigen beide exemplarisch das Spannungsfeld eines mönchischen Schriftstellers zwischen einem klösterlichen Abtsauftrag und einer individuellen Eigeninitiative, wodurch sie erst richtig als historische Persönlichkeiten fassbar werden. Schlussendlich demonstrieren Lampert und Eberhard allgemein, dass man trotz Verzerrung von Ereignissen, Verfälschung von Vorlagen oder Erfindung von Sachverhalten mittelalterlichen Mönchen, die mit der Feder in ihrer Hand bewaffnet sind, ein subjektives Wahrheitsempfinden zusprechen kann, das durch ein Wirken zur Ehre Gottes, zum Wohl des Heimatklosters und zur Förderung des Geburtsstandes geprägt ist.


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