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Titel:Diagnostik der minimalen Resterkrankung beim Multiplen Myelom anhand von Immunglobulin-Leichtketten-Rearrangements in zellfreier DNA
Autor:Hartmann, Sören Manfred
Weitere Beteiligte: Brendel, Cornelia (PD Dr.)
Veröffentlicht:2022
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2022/0275
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2022-02751
DOI: https://doi.org/10.17192/z2022.0275
DDC: Medizin
Publikationsdatum:2022-07-04
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0

Dokument

Schlagwörter:
cfDNA, Liquid Biopsy, multiple myeloma, Minimale Resterkrankung, liquid biopsy, zellfreie DNA (cfDNA), MRD, minimal residual disease, Multiples Myelom, MRD, Hämatologie, hematology

Zusammenfassung:
Mit der Einführung zahlreicher neuer Substanzklassen hat sich die Prognose des Multiplen Myeloms (MM) in den letzten Dekaden substanziell verbessert. Inzwischen ist das Therapie-ziel nicht mehr bloß das Erreichen einer Krankheitskontrolle, sondern das Erzielen möglichst tiefer Remissionen und langer Überlebenszeiten. Ein großer Anteil der Patienten erzielt mit den aktuellen Therapieprotokollen eine komplette Remission (CR). Dennoch erleiden prak-tisch alle Patienten früher oder später ein Rezidiv der Erkrankung. Die Ursache dafür liegt wahrscheinlich in der Persistenz einer minimalen Resterkrankung (MRD), die mit routinemä-ßigen Kontrolluntersuchungen, d.h. Laborparametern, bildgebenden Verfahren und der Beur-teilung der Plasmazellinfiltration des Knochenmarks (KM), kaum zu erfassen ist. Zur MRD-Diagnostik werden daher sensitivere, zytologische (Durchflusszytometrie) und mo-lekulare Verfahren, insbesondere Next Generation Sequencing (NGS) und ASO RQ-PCR, an-gewandt. In bisherigen MM-MRD-Studien lag der Fokus v.a. auf der Untersuchung von KM-Proben. So lässt sich auf Basis der derzeitigen Studienlage konstatieren, dass MRD-Negativität – im Vergleich zu MRD-Positivität – mit signifikant längeren Überlebensraten assoziiert ist. Im Gegensatz dazu ist die aktuelle Datenlage zur nichtinvasiven MRD-Diagnostik beim MM mittels NGS anhand von peripherem Blut (PB) sehr begrenzt. Zwar wurde in einigen Pilotstu-dien die prinzipielle Praktikabilität dieser Methode gezeigt, der konkrete klinische Nutzen wurde aber bislang nicht genau herausgearbeitet und viele Fragen sind noch unbeantwortet. Zur MRD-Diagnostik beim MM mittels NGS werden üblicherweise Immunglobulin (Ig)-Gen-Rearrangements als „Target“ genutzt, die eine eindeutige Identifikation des Tumor-spezifischen Rearrangements ermöglichen. In bisherigen Veröffentlichungen lag der Schwer-punkt vorwiegend auf der Analyse von Ig-Schwerketten (IGH)-Rearrangements. In der vorlie-genden Arbeit wurde untersucht, ob sich auch ein „genomischer Leichtkettentest“, also die Sequenzierung von Igκ (IGK-) und Igλ (IGL)-Leichtketten (LC-)-Rearrangements – ohne Be-rücksichtigung von IGH – zur MRD-Diagnostik und Verlaufskontrolle des MMs eignet. Zu diesem Zweck wurden von 65 Myelom-Patienten insgesamt 130 PB-Proben gesammelt, aus denen zellfreie DNA (cfDNA) isoliert wurde. Die variablen Regionen der Ig-LCs wurden mit gut validierten BIOMED-2-Primern amplifiziert und die PCR-Produkte nach weiterer Aufbereitung auf einem Illumina® MiSeq™ sequenziert. Die erhaltenen Sequenzdateien wur-den mit MiXCR und VDJtools (bioinformatischer Software) aufbereitet und analysiert. Um eine möglichst eindeutige Identifikation von Myelom-assoziierten Rearrangements zu ermög-lichen, wurden zusätzlich 37 genomische DNA (gDNA)-Gewebeproben (vorwiegend FFPE-KM) von 35 Patienten aus derselben Studienkohorte sequenziert und ausgewertet. Bei der Analyse der PB-Proben zeigte sich, dass die cfDNA-Konzentrationen bei Patienten mit hoher Krankheitslast („high disease burden“ – bei Erstdiagnose/Dx, Progress/PD, stabiler Er-krankungssituation, minimalem Ansprechen sowie partieller Remission vor autologer Stamm-zelltransplantation) im Mittel und Median höher waren als bei Patienten in einer guten Re-mission („good responders“ – bei kompletter Remission/CR, sehr guter partieller Remissi-on/VGPR sowie partieller Remission nach autologer Stammzelltransplantation). Die klonale Diversität war in cfDNA-Proben, die während hoher Krankheitslast abgenommen wurden, geringer als in Proben, die während einer guten Remission entnommen wurden. Überrepräsentierte Klone (>33,3% des LC-Repertoires einer Probe) im PB wurden nicht nur in 61,1% der Dx- und 82,4% der PD-Proben identifiziert, sondern u.a. auch in 60,0% der CR-Proben. Basierend auf den vorliegenden Daten wurden Kriterien zur Definition von wahrscheinlichen MM-Klonen festgelegt. Insgesamt erfüllten 35 Patienten der Studienkohorte prinzipiell die Voraussetzung für die Identifikation solcher Klone. Für 16/35 (45,7%) Patienten konnten wahrscheinliche MM-Klone identifiziert werden, für sieben dieser Patienten war hierfür sogar die alleinige Betrachtung von cfDNA-Proben (ohne Gewebeproben) ausreichend. Alle auswertbaren CR-Proben (n=5) waren negativ für wahrscheinliche MM-Klone. Die Klon-häufigkeiten (%) der wahrscheinlichen MM-Klone in cfDNA waren bei hoher Krankheitslast und nachweisbarem Paraprotein in der Serumproteinelektrophorese signifikant größer als wäh-rend guter Remissionen bzw. bei nicht-nachweisbarem Paraprotein. Zudem zeigte sich eine signifikante Korrelation der Klonhäufigkeiten (%) mit der Ratio der freien LCs im Serum. Der Abgleich der quantitativen Verläufe wahrscheinlicher MM-Klone mit klinischen und sero-logischen, in der Klinik routinemäßig eingesetzten Parametern, zeigte, dass ein Anstieg der prozentualen Häufigkeit des wahrscheinlichen MM-Klons in cfDNA einem klinischen Pro-gress der Erkrankung vorausgehen kann. Bei einer vergleichenden Gegenüberstellung parallel abgenommener cfDNA- und FFPE-/gDNA-Proben zeigte sich eine moderat positive – wenngleich nicht signifikante – Korrelation der prozentualen Klonhäufigkeiten der wahrscheinlichen MM-Klone in den beiden Probenar-ten. Abgesehen von den wahrscheinlichen MM-Klonen fanden sich kaum gemeinsame Klone mit einer prozentualen Häufigkeit >5%, die in den LC-Repertoires beider parallel gesammelter Proben nachweisbar waren. Zusammengefasst war für die Identifikation von wahrscheinlichen MM-Klonen die ergänzen-de Analyse von Dx- bzw. PD-Gewebeproben (gDNA/FFPE) sehr nützlich. Die Ergebnisse die-ser Arbeit deuten an, dass die Sensitivität der hier genutzten Methode zur Detektion der MRD den etablierten serologischen Myelomparametern nicht überlegen ist. Allerdings zeigte sich – insbesondere bei Patienten mit oligo- und asekretorischen Myelomen – ein möglicher Nutzen für die Verlaufskontrolle der Erkrankung.


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