Publikationsserver der Universitätsbibliothek Marburg

Titel:Phänotypische Charakterisierung von 6S RNA-Deletionsstämmen in dem nicht domestizierten Bacillus subtilis Wildtypstamm NCIB 3610
Autor:Thüring, Marietta
Weitere Beteiligte: Hartmann, Roland K. (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2021
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2022/0042
DOI: https://doi.org/10.17192/z2022.0042
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2022-00421
DDC:570 Biowissenschaften, Biologie
Titel (trans.):Phenotypic characterisation of 6S RNA deletion mutants in the undomesticated Bacillus subtilis wildtype strain NCIB 3610
Publikationsdatum:2022-07-04
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
6S RNA, Bacillus subtilis, Transkriptionsregulation, transcriptional regulation, Biofilm

Zusammenfassung:
Die bakterielle 6S RNA ist eine nicht-kodierende RNA, die in der Lage ist, wachstumsphasen-abhängig die Transkription zu regulieren, indem sie an das aktive Zentrum des RNA-Polymerase (RNAP)-Holoenzyms bindet. Auf diese Weise verhindert die 6S RNA die housekeeping-Transkription während der Stationärphase und fungiert somit als globaler Transkriptionsregulator, der nahezu universell in Bakterien vorkommt und abundant exprimiert wird. Die Mehrheit aller Bakteriengruppen exprimiert eine einzelne 6S RNA. Jedoch weisen zahlreiche Firmicutes, darunter auch Bacillus subtilis, zwei 6S RNA-Paraloge – 6S-1 und 6S-2 RNA genannt – auf. Die mechanistische Funktion der 6S-1 RNA auf das RNAP-Holoenzym wurde in B. subtilis bereits sehr gut untersucht. Die physiologischen Rollen beider 6S RNA-Paraloge sind jedoch unklar. Eine Deletion der 6S-1 RNA in einem B. subtilis -Laborstamm zeigt einige milde Phänotypen. Demgegenüber weist eine 6S-2 RNA-Deletionsmutante in solch einem Laborstamm keinen Phänotypen auf. Aufgrund der Annahme, dass die regulatorischen Funktionen beider 6S RNA-Paraloge insbesondere unter natürlichen, sich ständig verändernden Umwelteinflüssen relevant sein könnten, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine phänotypische Charakterisierung von 6S RNA-Deletionsmutanten in dem nicht domestizierten B. subtilis Wildtypstamm NCIB 3610 durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen erstmals starke Phänotypen einer Δ6S-2 RNA-Mutante, bei der eine erhöhte Biofilmbildung, sowohl auf Festmedien sowie in Flüssigkultur als Oberflächen-adhärenter Biofilm auftritt. Dabei manifestiert sich die Ausprägung dieses Biofilm-Derepressionsphänotypen bei niedrigen Temperaturen stärker als bei höheren. Quantitative RT-PCR-Analysen haben ergeben, dass es bei einigen Biofilmmarkergenen wie tasA, epsA und bslA in dem 6S-2 RNA-Deletionsstamm zu einer transkriptionellen Hochregulation insbesondere während der Transition von der exponentiellen Wachstumsphase zur Stationärphase kommt. Außerdem zeigt der Δ6S-2 RNA-Stamm ein verzögertes Schwärmverhalten und eine verfrühte Sporulation. Bei einer Mutante, bei der beide 6S RNAs deletiert wurden, lässt sich eine längere lag-Phase unter verschiedenen Stressbedingungen beobachten. Weiterhin wurden erste Hinweise dafür gefunden, dass sich der Verlust einer 6S RNA auf die Verteilung der verschiedenen Subpopulationen innerhalb einer B. subtilis-Kultur auswirken könnte. So scheint der Anteil an sporulierenden Zelle und Matrixbildnern innerhalb der Gesamtpopulation in der 6S-2 RNA-Deletionsmutante deutlich vom Wildtyp abzuweichen. In einem weiteren Teilprojekt sollte geklärt werden, ob das 6S RNA-System aus B. subtilis einen Einfluss auf die Synthese der beiden Nukleotid-basierten sekundären Botenstoffe Guanosin-Penta-und-Tetraphosphat [(p)ppGpp] durch eine mögliche Bindung an die (p)ppGpp-Synthetase SAS1 nimmt. Solch eine Bindung würde höchstwahrscheinlich zur Inhibierung der Syntheseaktivität von SAS1 führen. Elektrophoretische Mobilitäts-Shift-Assays zeigen eine Bindung der 6S-1 sowie 6S-2 RNA an SAS1, insbesondere wenn die 6S RNA im Komplex mit ihrer langen Produkt-RNA (pRNA) vorliegt. Untersuchungen zur SAS1-Aktiviät, die anhand von Dünnschichtchromatographie-Experimenten durchgeführt wurden, resultieren allerdings nicht in einer verminderten pppGpp-Synthese in Anwesenheit der 6S-1 RNA bzw. dem 6S-1:pRNA-Komplex. Ob das 6S RNA-System eine biologische Funktion auf SAS1 auswirkt, konnte somit nicht eindeutig verifiziert werden. Die im Rahmen dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse eröffnen eine neue Sichtweise auf das bakterielle 6S RNA-System, bei der das Zusammenspiel beider 6S RNAs in B. subtilis eine entscheidende Rolle bei der Feinabstimmung der transkriptionellen Adaption unter physiologischen Bedingungen spielt. Grundsätzlich belegen die neuen Einblicke, wie bedeutungsvoll die Wahl des Stammhintergrundes für die funktionelle Untersuchung der genetischen Ausstattung eines Mikroorganismus ist. Ferner zeigen die hier unternommenen Untersuchungen deutlich, dass eine phänotypische Charakterisierung über die Betrachtung von Bakterien als Einzeller hinausgehen muss, um der Aufklärung der physiologischen Rolle gerecht zu werden. Bakterien sind komplex organisierte Zellverbände, beispielsweise in Form von Biofilmen. Das 6S RNA-System aus B. subtilis scheint seine physiologische Funktion auch auf genau dieser übergeordneten Populationsebene auszuüben. Bei den bakteriellen 6S RNAs handelt es sich um ein hoch komplexes Regulationssystem, von dem noch längst nicht alle Facetten entschlüsselt wurden.


* Das Dokument ist im Internet frei zugänglich - Hinweise zu den Nutzungsrechten