Zusammenfassung:
G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) stellen die größte Familie transmembranärer Rezeptoren im menschlichen Genom dar. 34% der 2017 von der FDA zugelassenen Wirkstoffe haben einen GPCR als Zielstruktur, weshalb diese Rezeptorgruppe im Fokus der pharmakologischen Forschung steht (Hauser et al., 2017). GPCRs als integrale Membranproteine sind einem starken elektrischen Feld ausgesetzt, das natürlichen Schwankungen unterliegt. Vor mittlerweile über 15 Jahren konnte erstmals für Vertreter dieser Gruppe gezeigt werden, dass die Agonist-induzierte Rezeptoraktivität durch Änderungen des Membranpotentials (VM) moduliert wurde (Ben-Chaim et al., 2003). Obwohl seitdem bereits einige Zeit vergangen ist und an diesem Thema intensiv geforscht wurde, konnten viele sich aus dieser Entdeckung ergebende Fragen noch nicht oder nur teilweise beantwortet werden. So ist bis heute keine allgemein gültige Erklärung zu dem zugrundeliegenden Mechanismus der Spannungsabhängigkeit von GPCRs beschrieben worden. Mittlerweile wurden unterschiedliche Gruppen von GPCRs auf ihre Spanungsabhängigkeit untersucht. Eine Gruppe mit einer weiten Verbreitung im menschlichen Körper, über die vor dieser Studie noch wenig unter diesem Aspekt bekannt war, ist die Gruppe der Prostanoid-Rezeptoren. Der Startpunkt für diese Studie war eine Untersuchung an Megakaryozyten die eine Aktivierung endogener Thromboxan-Rezeptoren (TP-Rezeptoren) in Anwesenheit eines Agonisten bei Depolarisation nahe legte (Martinez-Pinna et al., 2005). Aufgrund der fehlenden Linearität der angewandten Messung von Calciumspiegeln zur Rezeptor-Aktivität, konnte weder eine qualitative noch eine quantitative Untersuchung des Spannungseffektes erfolgen. Wir verwendeten in dieser Arbeit FRET-Biosensoren, die direkter die TP-Rezeptor-Aktivität wiedergaben und somit eine Charakterisierung des Spannungseffektes ermöglichten. Im Rahmen dieser Arbeit wurde eine FRET-basierter TP-Rezeptor-Konformations-Sensor kloniert. Die eigentliche Untersuchung der Spannungsabhängigkeit erfolgte mit einer Kombination aus FRET-Messung als Maß für die Rezeptor-Aktivität und gleichzeitiger Patch-Clamp Messung zur Kontrolle der Membranspannung. Hierbei zeigte sich eine robuste Spannungsabhängigkeit des TP-Rezeptors sowohl auf Rezeptorebene, als auch auf Ebene der nachgeschalteten Signalübertragung. Die TP-Rezeptor-Aktivität verdoppelte sich bei Depolarisation von -90 mV auf +60 mV in Gegenwart von U46619, einem stabilen Analogon von Prostaglandin H2. Der für den TP-Rezeptor ermittelte halbmaximale Spannungseffekt V0,5 betrug 46 mV, was innerhalb des physiologischen Bereichs von VM lag. Weiterhin konnten wir zeigen, dass Spannungseffekt sich im Wesentlichen auf die Affinität des TP-Rezeptor für U46619 auswirkte. So konnten wir unter anderem beobachten, dass der EC50 für U46619 bei -90 mV im Vergleich zu +60 mV ungefähr 4,5-fach links verschoben war und das gleiche Maximum aufwies. Wir haben den Spannungseffekt auf den TP-Rezeptor, aktiviert mit verschieden substituierten Prostanoid-Derivaten, die jeweils Modifikationen an verschiedenen Stellen des Moleküls trugen, getestet. Alle getesteten Liganden zeigten eine Aktivierung bei Depolarisation, was auf eine eher globale Änderung der TP-Rezeptor-Konformation durch Depolarisation hindeutet. Dazu passen unser Befund, dass keine von uns durchgeführten Mutationen, an Stellen die für die Ligandenbindung des TP-Rezeptors wichtig waren, zu einer Änderung Spannungsabhängigkeit des TP-Rezeptors führten. Folglich ergaben sich keine Hinweise auf eine spezifische Modulation der Rezeptor Liganden Interaktion durch Spannungsänderung.
Weiterhin konnten wir zeigen, dass der Bereich und die Stärke der Spannungsabhängigkeit durch R2957.40, eine Aminosäure, die sich in Agonistenbindetasche befand, eingeschränkt wurde. Die Modulation der Liganden-induzierten Rezeptor-Aktivität durch VM war nicht auf den TP-Rezeptor beschränkt, da der mit U46619 aktivierte Prostaglandin F-Rezeptor (FP-Rezeptor) und der mit Iloprost aktivierte Prostaglandin E2-Rezeptor-Subtyp 3 (EP3-Rezeptor) eine ähnliche Reaktion auf die Depolarisation zeigten wie der mit U46619 aktivierte TP-Rezeptor. IP-Rezeptor aktiviert mit Iloprost zeigte hingegen keine nachweisbare Spannungsabhängigkeit. Der Unterschied in der Spannungsabhängigkeit konnte nicht auf einzelne unterschiedlich geladene Aminosäuren zurückgeführt werden, weshalb ein komplexerer Unterschied als Grund für die unterschiedliche Spannungsabhängigkeit anzunehmen ist. Im Rahmen dieser Studie wurde auch der PAR1 mit dem besonders sensitiven Gα13-p115-FRET-Interaktions-Assay untersucht, wobei sich herausstellte, dass der PAR1 aktiviert mit Thrombin keinen Spannungseffekt aufwies.
Auf der Suche nach einer Liganden-spezifischen Spannungsabhängigkeit wurde Daltroban, ein TP-Rezeptor Antagonist, für den es Hinweise auf einen Partialagonismus gab, untersucht. Es zeigte sich zu unserem Erstaunen, dass Daltroban in hohen Konzentrationen vom Antagonisten zum Partialagonisten wurde, der den TP-Rezeptor transient aktivierte. Aufgrund dieses bemerkenswerten Befundes wurde der beobachtete Daltroban Effekt weiter untersucht. Hierbei zeigte sich, dass der TP-Rezeptor nach Daltroban-Gabe eine reduzierte Aktivierbarkeit aufwies, wobei unklar blieb, ob Daltroban (pseudo )irreversibel am Rezeptor band. Für den partialagonistischen Effekt spielten Kontakte von Daltroban mit der orthosterischen Bindestelle eine Rolle. Zur Untersuchung der Struktur-Wirkungsbeziehung von Daltroban, wurden verschiedene Daltroban-Derivate getestet. Der zugrundeliegende Mechanismus blieb unklar und wird Gegenstand zukünftiger Forschung sein.
Weiterhin wurden in dieser Arbeit eine systematische Herangehensweise entwickelt, um FRET-basierte GPCR-Rezeptor-Sensoren zu klonieren, da diese für zukünftige direkte Untersuchungen der Qualität und Quantität des Spannungseffektes auf die Liganden-induzierte GPCR-Aktivität von großem Wert sein können. So wurden in dieser Arbeit erfolgreich FRET-basierte GPCR-Rezeptor-Sensoren für IP-Rezeptor, FP-Rezeptor und ETB-Rezeptor kloniert.