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Titel:Die Geschichte des VEB Serum-Werk Bernburg von 1954 bis 1990 unter besonderer Berücksichtgung biogener Arzneistoffe
Autor:Leupold, Florian Georg
Weitere Beteiligte: Friedrich, Christoph (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2018
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2018/0248
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2018-02489
DOI: https://doi.org/10.17192/z2018.0248
DDC:615 Pharmakologie, Therapeutik
Titel (trans.):The history of the VEB Serum-Werk Bernburg from 1954 to 1990 with regard to biogenic medicinal substance
Publikationsdatum:2018-09-24
Lizenz:https://rightsstatements.org/vocab/InC-NC/1.0/

Dokument

Schlagwörter:
VEB Serum-Werk Bernburg Dextran biogene Arzneistoffe Bakteriophagen Deutsche Demokratische Republik Infukoll pharmazeutische Industrie Industri

Zusammenfassung:
In der vorliegenden Arbeit wird die Geschichte des VEB Serum-Werk Bernburg vom Zeitpunkt seiner Gründung im Jahr 1954 bis zum Jahr 1990, eingebettet in die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der DDR, analysiert. Nach einem allgemeinen Teil zur Gesamtsituation der pharmazeutischen Industrie und der Landwirtschaft in der DDR und einer kurzen Darstellung der Vorgeschichte werden, gegliedert in die Zeitetappen 1954–1959, 1960–1969, 1970–1979 und 1980–1990, jeweils struktureller Aufbau der Herstellung, Produktion, Sortiment und wirtschaftliche Entwicklung betrachtet. Besondere Aufmerksamkeit erhalten die im Betrieb hergestellten biogenen Arzneimittel, insbesondere Dextrane, Präparate auf der Basis biogener Toxine sowie ausgewählte mikrobielle Produkte (Phagen, mikrobielle Kulturüberstände). Die Studie stützt sich primär auf die Auswertung von Archivmaterial. Sie wird ergänzt durch eine umfangreiche Recherche in Fachzeitschriften und den Arzneimittelverzeichnissen der DDR. Der VEB Serum-Werk Bernburg wurde 1954 als Serum- und Impfstoffproduzent auf dem Gelände einer ehemaligen Schokoladenfabrik in Bernburg gegründet. Das für Bernburg vorgesehene Sortiment war vorher im VEB Serum-Werk Dessau hergestellt worden. Auf Weisung des Ministerrates war das Werk in Dessau 1953 dem Ministerium für Land- und Forstwirtschaft unterstellt worden. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, Sera und Impfstoffe für die Humanmedizin künftig in einem dem Ministerium für Ge-sundheitswesen unterstellten anderen Betrieb, dem VEB Serum-Werk Bernburg, zu produzieren. Infolge von Kürzungen des Budgets der pharmazeutischen Industrie musste sich die Firma jedoch nach nur einem Jahr des Bestehens neu profilieren. Aufgrund von Entscheidungen des Ministeriums für Gesundheitswesen, des Bedarfs der Landwirtschaft und großer eigener Anstrengungen etablierte sich das Werk in den folgenden Jahren als führender Tierarzneimittelhersteller der DDR und behielt diesen Status bis zum Jahr 1990. Wichtige Produkte im Bereich Tierernährung und Tiermedizin waren antibiotikahaltige Futtermittel, vitaminhaltige Futtermischungen, Medizinalfuttermittel und Mittel zur Brunstsynchronisation. Deren Anwendung diente in erster Linie der Steigerung der Produktivität der Tierproduktion und gewann somit im Zusammenhang mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Im Humanarzneimittelsegment des VEB Serum-Werk Bernburg spielten die Dextran-Präparate eine zentrale Rolle. Für die Herstellung dieser kolloidalen Volumenersatzmittel wurde in Bernburg nicht nur das klassische biotechnologische Verfahren (Bildung großer Moleküle und nachfolgende Spaltung bis zur gewünschten Molekülmasse) etabliert, sondern in Zusammenarbeit mit dem Institut für Verfahrenstechnik der organischen Chemie der Deutschen Akademie der Wissenschaften die auch im internationalen Vergleich innovative Methode der „gelenkten Synthese“ entwickelt und angewendet. Dabei gelang es, von vornherein ein Dextran der gewünschten Molekülmasse zu erzeugen. Die Präparate wurden unter der Bezeichnung Infukoll® in verschiedenen Molekülmassen zur Volumensubstitution nach schweren Blutverlusten (Infukoll® 6 %, Dextran 75 und ab 1980 Dextran 70), zur Osmotherapie (Infukoll® 10 %, Dextran 60) und zur Verbesserung der Fließfähigkeit des Blutes (Infukoll® M40 und Infukoll® M40 mit Mannitol 100, Dextran 40) verwendet. Zur weiteren Nutzung der Dextran-Produktion untersuchte die Forschungsabteilung des Betriebes seit Ende der 1950er Jahre die Herstellung von verschiedenen Dextranderivaten für die Anwendung über den humanmedizinischen Bereich hinaus. Erfolgreiche Ergebnisse stellten die Ursoferran®-Präparate zur Bekämpfung der Eisenmangelanämie der Ferkel für die Veterinärmedizin sowie Trägermaterialien für die Chromatographie der Epidex®-Reihe dar. Diese chromatographischen Materialien erlaubten die Ablösung der vorher aus Schweden importierten Sephadexe®. Einen darüber hinaus in anderen Industriezweigen bestehenden Bedarf an Dextran konnte der Betrieb aufgrund fehlender Produktionskapazitäten nicht beliefern. Weitere humanmedizinische Präparate, die im VEB Serum-Werk Bernburg hergestellt und in der vorliegenden Arbeit ausführlich besprochen werden, sind Zubereitungen aus Bakteriophagen, Produkte aus Schlangengiften sowie solche aus bakteriellen Kulturfiltraten (Pyolysin®). Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten hatte der VEB Serum-Werk Bernburg während des gesamten Betrachtungszeitraums von 1954 bis 1990 mit schwierigen Bedingungen zu kämpfen. Die ungenügende qualitative, quantitative und termingerechte Versorgung mit Ausgangsstoffen und Materialien bedingte wiederholt einen diskontinuierlichen Produktionsablauf, unter dem sich die Versorgungsschwierigkeiten sowohl mit Importen als auch mit Inlandserzeugnissen bis 1989 zuspitzten. Vom Betrieb vorgesehene Investitionen zur Steigerung der Produktionskapazitäten mussten regelmäßig verschoben werden, da übergeordnete Stellen die erforderlichen Mittel nicht genehmigten. Es fehlte an ausreichendem Personal, sodass häufig auch Verwaltungsangestellte Sondereinsätze in der Produktion leisten mussten. Umso mehr ist es anzuerkennen, dass der VEB Serum-Werk Bernburg, auch unter Nutzung von Kooperationsbeziehungen zu Universitäten, anderen Forschungseinrich-tungen und weiteren Betrieben, wichtige Beiträge zur Entwicklung innovativer Produkte und zur pharmazeutischen Versorgung geleistet hat.


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