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Titel:Lebensführung und Orientierung junger Frauen in sozialen Berufen. Umgang mit Widersprüchen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in der Reproduktionsarbeit und in Alltagsdiskursen
Autor:Billmann, Lucie
Weitere Beteiligte: Maurer, Susanne (Prof. Dr.)
Veröffentlicht:2016
URI:https://archiv.ub.uni-marburg.de/diss/z2017/0503
URN: urn:nbn:de:hebis:04-z2017-05031
DOI: https://doi.org/10.17192/z2017.0503
DDC: Erziehung, Schul- und Bildungswesen
Titel (trans.):Life Conduct and Orientations Among Young Women in Social Occupations: Confronting Contradictions in Precarious Employment Relations, Reproductive Labour, and Everyday Discourse
Publikationsdatum:2017-07-03
Lizenz:https://creativecommons.org/licenses/by/4.0

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Schlagwörter:
Lebensführung, Solidarität, social Occupations, Frauen, soziale Berufe, Kritische Psychologie, liberal Governmentality, Life Conduct, liberale Gouvernementalität, Precarious Employment Relations, Critical Psychology, Lebensführung, Orientierung, soziale Berufe, prekäre Beschäftigungsv, Diskurs, Reprodu, Orientation, liberale Gouvernementalität, Kritische Psychologie, Solidarität, Women, Diskurs, Orientierung, Frauen, Discours

Zusammenfassung:
Im Zentrum der Arbeit stehen Frauen im frühen Erwachsenenalter, die im Erziehungs- und Gesundheitswesen und in der Sozialen Arbeit beschäftigt sind. Einige dieser Frauen haben Kinder, leben in einer Partnerschaft oder sind alleinstehend. Von Interesse ist die Frage, wie sie ihre Lebensführung gestalten. Es wird analysiert, wie sie die Bedingungen in ihren jeweiligen Berufen erleben und wie sie mit den Anforderungen aus Erwerbs- und Reproduktionsarbeit umgehen. Zudem ist von Interesse, mit welchen Diskursen/Bedeutungsstrukturen sie sich auseinandersetzen. Ein weiterer Schwerpunkt ist eine theoretische Auseinandersetzung mit Konzepten der Lebensführung mit Bezug auf zentrale Kategorien der Kritischen Psychologie, die mit den Theoriesträngen zu Gouvernementalität und Diskurs bei Michel Foucault in Beziehung gesetzt werden. Zunächst wird das Konzept der alltäglichen Lebensführung theoretisch definiert. In dieser setzt sich das Individuum mit gesellschaftlichen Anforderungen auseinander und entwickelt darin seine eigenen subjektiven Orientierungen und Handlungen. Eine zentrale Kategorie in der Kritischen Psychologie ist die ›Handlungsfähigkeit‹. In der Spannung zwischen Möglichkeiten und Beschränkungen der Handlungsfähigkeit, verortet die Kritische Psychologie die ›doppelte Möglichkeit‹: die ›restriktive vs. verallgemeinerte Handlungsfähigkeit‹, das Handeln in den gegebenen Strukturen oder die Entwicklung von Möglichkeiten, die Bedingungen zu überwinden. Es schien der Autorin interessant und produktiv, neben dem gesellschaftstheoretischen Bezug des Marxismus’ der Kritischen Psychologie noch weitere theoretische Ansätze hinzuzuziehen, um oft widersprüchliche gesellschaftliche Verhältnisse erfassen zu können. Demzufolge wurden Theoriestränge über den Diskurs und zu Gouvernementalität von Michel Foucault in Dialog zu den Bedeutungskonstellationen im subjektwissenschaftlichen Ansatz der Kritischen Psychologie gesetzt. Es wird des Weiteren ein Konzept der „Orientierung“ entwickelt, da Orientierung im vielfältigen Diskursangebot eine wesentliche Dimension in der Lebensführung darstellt. Als weitere Dimension wird „Solidarisches Handeln“ als mögliche Form von Bewältigungshandeln angeführt. Als Hinführung zu den Fallanalysen wird zunächst der Frage nach den Geschlechterverhältnissen in der momentanen gesellschaftlichen Formation nachgegangen. Der Blick ist ein doppelter: zum einen werden Geschlechterverhältnisse als Produktionsverhältnisse betrachtet (Frigga Haug). Zum anderen werden Geschlechterverhältnisse als Effekt staatlichen Handelns (Gundula Ludwig u.a.) analysiert. Darauf aufbauend wird die Frage nach dem Zusammenhang von Lebensführung und Geschlechterverhältnissen gestellt. Kritisch diskutiert wird unter anderem das Konzept der ›doppelten Vergesellschaftung‹ von Regina Becker-Schmidt. Der soziale Dienstleistungsbereich und das Gesundheitswesen sind seit Jahren vom neoliberalen Umbau des Sozialstaats betroffen. Auf unterschiedlichen Ebenen findet eine umfassende Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen statt. Da in diesen Branchen prozentual überwiegend Frauen arbeiten, sind vor allem ihre Beschäftigungsverhältnisse in besonderer Weise von steigendem Druck und Prekarisierungsprozessen geprägt. Gabriele Winker bezeichnet diesen Wandel als Teil der ›Krise der sozialen Reproduktion‹. Im empirischen Teil der Arbeit wurden neun leitfadengestützte Interviews verwendet und unter Bezugnahme auf Methoden der Grounded Theory und der Detailanalyse des von Josef Held entwickelten subjektbezogenen Forschungsverfahrens ausgewertet. Vier Interviews wurden zu Fallanalysen ausgearbeitet. Die Lebensführung der befragten Frauen ist von Widersprüchen geprägt, die sich aus den vielfältigen Anforderungen an die Lebensführung ergeben. Diesen widersprüchlichen Grundkonstellationen wird in der Analyse der Interviews nachgespürt. In der abschließenden „Themenspezifischen Auswertung“ werden weitere fünf Interviews hinzugezogen und die Widerspruchskonstellationen in der Erwerbssphäre und in der Reproduktionssphäre herausgearbeitet. In der Erwerbssphäre taucht als typische Grundkonstellation die „Erschöpfung des Sozialen“ auf. Das betrifft den Druck, den viele Frauen in ihrem jeweiligen Berufsfeld formulieren durch steigende Anforderungen bei gleichzeitig knapper werdenden Ressourcen. In Bezug auf die Reproduktionssphäre müssen sich Frauen neben der Bewältigung des Alltags mit widersprüchlichen Diskursen auseinandersetzen, hinsichtlich eines „institutionalisierten Erwartungsmusters sozialer Reproduktion“ (Axel Honneth) in Bezug auf eine „normale Lebensführung“, als „Familie“, als „gute Mutter“ oder als Alleinstehende. Schließlich werden ausgewählte ›Möglichkeitsräume‹ untersucht, spezifische Orientierungsbewegungen, die die Frauen für sich formuliert haben: zum einen die Orientierung auf die ›Sorge um sich‹ als Bewältigungshandeln, zum anderen hinsichtlich der Frage nach dem ›Solidarischen Handeln‹ in der Lebensführung.


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