Zusammenfassung:
Das Mammakarzinom ist der häufigste bösartige Tumor der Frau und die häufigste krebsbedingte Todesursache bei Frauen in Deutschland. Obwohl sich die Behandlungsstrategien während des letzten Jahrhunderts stark weiterentwickelt haben, sterben noch immer viele Patientinnen an der Erkrankung. Vor allem Fälle von lokal fortgeschrittenem Brustkrebs, sogenanntem LABC (locally advanced breast cancer), stellen ein Behandlungsproblem dar. Patientinnen, die an LABC leiden, zeigen ein erhöhtes Risiko für ein Lokalrezidiv und die Entwicklung von Fernmetastasen. Zur Gruppe der Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Brustkrebs zählen auch jene mit supraklavikulären Lymphknotenmetastasen. Sowohl der axilläre, als auch der parasternale Lymphabfluss der Mamma münden in diese Lymphknoten-stationen. Entsprechend der siebten Auflage des AJCC Cancer Staging Manuals werden solche Metastasen als N3c klassifiziert und sind dem Prognosestadium IIIC zugeordnet. Ist in der Literatur von supraklavikulären Metastasen die Rede, so finden sich nur selten Angaben zu deren genauer Lokalisation und eine Zuordnung zu den sechs Halslymphknotenleveln bleibt meist aus.
Ziel dieser Arbeit war es Patientinnen mit supraklavikulären Metastasen, die in der Marburger Universitätsklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde behandelt wurden, hinsichtlich ihrer Charakteristika zu untersuchen und insbesondere die Distribution der Metastasen zu den Lymphknotenregionen des Halses exakt darzustellen. Dafür wurden die Daten aller Patientinnen, die sich zwischen 01.06.1998 und 20.03.2012 mit dem Verdacht auf cervikale Lymphknotenmetastasen bei Mammakarzinom vorstellten, retrospektiv ausgewertet. Bei 25 Patientinnen konnte eine Metastasierung in Form eines Supraklavikularrezidivs festgestellt werden. Es wurden die Merkmale des Primärtumors mit denen der cervikalen Metastasen verglichen. Dabei wurden insbesondere histopathologische Merkmale wie perinodales Wachstum, Lymphangiosis- und Hämangiosis carcinomatosa sowie die Rezeptorstatus des Östrogen- und Progesteronrezeptors und des HER2/neu betrachtet. Es konnten die Zeitspannen bis zum Auftreten des Rezidivs sowie die Überlebensraten nach Rezidiv analysiert werden. Die erhobenen Daten haben rein deskriptiven Charakter. Eine inferenzstatistische Analyse ließ sich aufgrund des kleinen Gesamtkollektivs nicht durchführen.
Die ermittelte mediane Zeitspanne von Erstdiagnose des Primätumors bis zum Auftreten des cervikalen Rezidivs betrug 55,2 Monate (Mittelwert: 54,7; SD: 38,8) und das mediane Überleben nach Diagnose des Rezidivs 25,2 Monate (Mittelwert: 32,4; SD: 27,4). Im Hinblick auf die Distribution der Halslymphknotenmetastasen wurden Werte von 64%, 60%, 36% und 4% für die cervikalen Level V, IV, III und II ermittelt. In den übrigen cervikalen Leveln hatte keine der Patientinnen Metastasen. Fasst man die cervikalen Level IV und V, entsprechend der Fossa supraclavicularis, zu einem Cluster zusammen, so zeigten 92% Metastasen an dieser Lokalisation. 36% der Patientinnen wiesen Metastasen kranial der Fossa supraclavicularis auf, wobei diese in den meisten Fällen kombiniert mit Metastasen in der Fossa supraclavicularis vorlagen. Nur 8% der Patientinnen hatten isolierte Metastasen in den kranial gelegenen cervikalen Leveln II und III. Die Anzahl der cervikalen Lymphknotenmetastasen variierte zwischen minimal einer und maximal 18 Metastasen. Median wurden drei Metastasen gesichert. Beim Vergleich der histopathologischen Parameter des Primätumors bzw. dessen primären Lymphknotenmetastasen und den Metastasen im Rahmen des cervikalen Rezidivs fiel auf, dass der Anteil eines perinodalen Wachstums und einer Lymphangiosis carcinomatosa beim cervikalen Rezidiv größer war als beim Primärtumor. Außerdem wechselte der Rezeptorstatus bei 64% der Patientinnen im Krankheitsverlauf. 48% zeigten einen Verlust des Progesteronrezeptors und 24% einen Verlust des Öst-rogenrezeptors. Der HER2/neu zeigte sich im Krankheitsverlauf weniger variabel. Diese Beobachtungen könnten Zeichen einer Dedifferenzierung des Tumors im Krankheitsverlauf sein und bestätigen die Relevanz einer Reevaluierung des Rezeptorstatus beim Rezidiv. Das Wissen um diesen ist insbesondere für die weitere Therapieplanung von Bedeutung.
Es sollte das Ziel sein, anhand größerer Studien zu untersuchen, ob sich die Lokalisation der supraklavikulären Metastasen auch in einer unterschiedlichen Prognose der Patientinnnen widerspiegelt und ein Rezeptorverlust im Krankheitsverlauf von prognostischer Bedeutung ist. Diese Fragen konnten durch die vorliegende Untersuchung aufgrund des kleinen Patientenkollektivs nicht abschließend beantwortet werden. Zur Beantwortung der Fragen ist daher die Zusammenarbeit mehrerer Zentren im Sinne einer Multi-Center-Studie notwendig.