[ vorherige Seite | Hauptseite | nächste Seite ]

3. Der didaktische Horizont

3.0. In den folgenden Theoriekapiteln wird weiter ausgreifend ein Bündel verschiedener Konzept-Impulse zu dem beschriebenen Unterrichtsversuch vorgelegt. Zunächst soll Martin Wagenschein im Zentrum des Interesses stehen, der pädagogische Klassiker, von dem Hartmut von Hentig sagt: „Wir brauchen in Deutschlands Schulen nichts dringender als Wagenscheins Pädagogik ...“ (1)
An dem vorgestellten Unterricht waren aber auch Interessen einer Evangelischen Schule, ihr Profil zu schärfen, beteiligt. Daher gilt ein zweites Kapitel der Durchsicht der entsprechenden Diskussion, nicht zuletzt im Hinblick auf mögliche Beziehungen zur Didaktik Martin Wagenscheins.
In einem dritten Hauptkapitel werden dann beide Aspekte vor einen erweiterten Hintergrund gestellt, vor Überlegungen, die um einen spirituell aufgefaßten Bildungsbegriff kreisen und zurückgreifen auf die Anfänge und Ursprünge neuzeitlicher Didaktik-Wissenschaft bei Johann Amos Comenius.
Ein Unterricht sollte sich auch immer fachdidaktisch, im Kategorienfeld seines Schulfaches verständlich machen können. Das Leitfach für meinen Lorenzkirchenunterricht ist Geschichte. Deshalb wird der letzte Teil dieser didaktischen Erläuterungen an die Geschichtsdidaktik anknüpfen.
Über eine längere Strecke verschwindet nun also der Lorenzkirchenunterricht aus dem direkten Blickfeld. Was und wie wir unterrichten, ist aber nur die eine Frage, wozu, in welchem Sinne wir unterrichten, das ist die andere, gleichberechtigte.

3.1. Genetisches Lehren - Eine Betrachtung des Zentralbegriffs
der Didaktik Martin Wagenscheins


3.1.0. Einleitung: Der in der Unterrichtsnovelle vorgestellte Unterricht erhielt sein besonderes Gepräge durch den Vorsatz, genetisch zu unterrichten. Genetisch ist dort z.B. meines Erachtens, wenn der Bau von innen, aus seiner Theologie und aus seiner basilikalen Spitzbogen-Architektur erschlossen wird und nicht vom äußeren Augenschein und äußerlicher Gliederung her. Genetisch ist es, wenn sozusagen im Gehen, vom Bau gezogen auf die Genese der Blickwinkel und entstehenden Fragen geachtet wird, wenn der Bau selbst unterrichten darf und soll. Genetisch ist es, wenn die so erreichten Arrangements im sokratischen Unterrichtsgespräch erschlossen werden.
Der Unterricht war immer nachhaltig und fand ein positives Echo, zum Teil aber nur relativ zum Klaßzimmerunterricht herkömmlichen Stils. Mißlich an ihm ist immer noch ein Mangel an Überraschungsoffenheit. Anstatt das echte Wagnis Genetischens Lehrens einzugehen, erfolgte ein genetischer Lehrgang, der den Schüler vor allem mitnahm, zu wenig sein eigenes Gehen achtete und nutzte. Wagenschein wurde von mir offenbar zu eng, zu starr aufgefaßt.
Wagenschein darf nicht als programmatische Rezeptur genommen werden, seine Schriften sind stattdessen lebendige Lehrerbildungslektüre. Der Klassiker Wagenschein will immer neu gelesen werden. Die folgenden Abschnitte zum Genetischen Lehren dokumentieren meine gegenüber der ersten Lehrstückfassung weitergewachsene, auf das mir Wesentliche verdichtete Wagenschein-Exegese.

Martin Wagenschein, 1896 in Gießen geboren, „...studierte Physik und Mathematik, promovierte in Physik. In den Zwanziger Jahren erhielt er entscheidende Anregungen und Erfahrungen in Paul Geheebs freier Schulgemeinde ‘Odenwaldschule’, war danach Lehrer an staatlichen Gymnasien und nach 1945 Mitarbeiter an Schulversuchen und Bildungsplänen; von 1960-1965 arbeitete er im Ausschuß ‘Höhere Schule’ des ‘Deutschen Ausschusses’: seit 1956 Honorarprofessor an der Universität Tübingen, wo er über 20 Jahre lang sein Seminar hielt. 1978 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Technischen Hochschule Darmstadt verliehen. Dort hatte er einen Lehrauftrag seit 1950. Martin Wagenschein starb Ostern 1988.“ (2)

Wagenschein gilt gemeinhin als Begründer des exemplarischen Prinzips im Unterricht. Er selbst hat aber später die Dreiheit genetisch-exemplarisch-sokratisch betont und dabei das Genetische als umfassende Kategorie bestimmt. Dies wird im Folgenden entfaltet und interpretiert.
Betrachtet wird zuerst, daß es zwei Hauptbedeutungen von „genetisch“ zu unterscheiden gilt: Genesis erscheint unter den Aspekten „Werden und Gewordenes“.
„Genetisch“ darf, wie anschließend verdeutlicht werden soll, nach Wagenschein auch nicht mit „systematisch“ verwechselt werden, ebensowenig mit entwicklungspsychologischer Stufendidaktik. Wagenscheins Stil wird wohl am ehesten von Willmanns Äußerungen zur „organisch-genetischen Methode“ getroffen, der den beständigen Sinn für die Freilegung und Freiwerdung der bildenden Potenzen eines Stoffes meinte.
Ist damit eine erste positive Eingrenzung geschehen, so werden anschließend zur Abgrenzung verschiedene didaktische Berührungsfelder diskutiert, Prinzipien, die den Begriff des genetischen Unterrichtens erhellen können, verabsolutiert ihn aber verzerren: Genetisches Lehren als Kunst des Einstiegs, Genetischer Unterricht als Unterricht vom Schüler her, Genetisches Lehren als sokratische Hebammenkunst, Genetisches Lehren als Kunst des exemplarischen Unterrichtens.


3.1.1. Was steht im Zentrum des „Genetischen Lehrens“?


Für Denker, denen Offenbleiben für die Wahrheit wichtiger ist als Abschließung ihrer Begriffe in Definitionen, gilt in besonderem Maße, daß man nur um den Preis einer Verfälschung einzelne ihrer Begriffskonzepte als Fertiges herauslösen darf, um sie als Bausteine zu nehmen, wo sie doch eher Denkanlässen, Sammelpunkten des Denkens gleichen. Ihre Begriffe kristallisieren sich immer wieder, nachdem sie sich zunächst im Ringen um eine Sache verflüssigt haben, ihre neuerliche Wahrheit gesucht haben. Gerade Martin Wagenschein tut man Unrecht, wenn man ihn auf eine Reihe unterrichtsmethodischer Ratschläge reduziert. (3) Wagenschein wollte eine vernünftige Sicht auf das Unterrichten freilegen, zum einfachen Standpunkt pädagogischer Vernunft einladen. Dazu bediente er sich in erster Linie neben einer eingängigen Sprache, die die deutschen Wendungen genau abhörte und präzise mit Leben füllte, einer Fülle von Beispielen aus dem Unterricht. Erst in zweiter Linie nahm er Teil an der Sprache des akademischen Diskurses und machte sich verständlich unter Rückgriff auf Termini der Didaktik, die ihm wegweisend schienen. Das Risiko, an die Stelle einer Begegnung mit den pädagogischen Impulsen Wagenscheins eine spröde Begriffsreflexion zu setzen, wird hier dennoch eingegangen. Wagenscheins pädagogische Vernunft wird hoffentlich nach und nach in der Arbeit ohnehin plastisch.
Nicht erst seit Martin Wagenschein dem Begriff des genetischen Lehrens zu neuer, anschaulicher Bedeutung verholfen hat, auch schon in den Anfängen seiner Begriffsgeschichte leidet die Rezeption dieses Gedankens unter einem Doppelsinn.

"Genesis, d.h. ein Werden und ein Gewordenes" (4),

so übersetzte Otto Willmann. Dabei bezog er sich auf Aristoteles, der den Fall den günstigsten nannte, wo man die Dinge in ihrem Werden beobachten und sich so ihrer immanenten Wirkkräfte vergewissern kann. Gerade Aristoteles Staatswissenschaft profitierte aber bekanntlich davon, daß die Entwicklungen der griechischen Staaten abgeschlossen schienen und das Gewordene nun in seinem Werden systematisiert werden konnte. So blieb hier der didaktische Vorteil der Teilnahme am eigentlichen Werden aus, während der didaktische Vorteil der Gewinnung von Aufschlüssen durch das Erkennen des Gewordenseins vorliegt.
Im Unterricht gibt es entsprechend ein echtes Werden, das ist der sich entwickelnde Unterricht, und ein Gewordenes, das ist der Gegenstand. Wir können unterscheiden: Das Werden als die Entwicklung des Schülers und des Lehrers als Werden derjenigen, die sich mit dem Gegebenen auseinandersetzen, wobei auch die Gegenstände sich immer neu entfalten, neu werden. Auf der anderen Seite steht die zum Lehrgegenstand untrennbar gehörende Entwicklung, sein Gewordensein, das didaktisch nachzuvollziehen so ratsam ist. Unter beiden Aspekten wurden oft Kernbestandteile pädagogischer Didaktik formuliert, dabei wurde allerdings mitunter zwischen den Aspekten zu wenig unterschieden. Und so stehen auch in Diesterwegs berühmtem „Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer“ von 1836 die Maximen „Verteile jeden Stoff in bestimmte Stufen und kleine Ganze!“ und „Habe Freude an der Entwickelung oder Bewegung“ (5) scheinbar einträchtig nebeneinander. Beides geht aber doch nicht so einfach zusammen und trägt in Kombination gerade zu Überforderung, zu mancher Resignation bei.
Die Forderung, genetisch zu lehren, formuliert ein so naheliegendes Anliegen, daß der Hinweis auf Unterrichtserneuerung durch Genetisches Lehren oft auf das bekannte Echo stoßen dürfte: Um nichts anderes bemühe ich mich als Lehrer immer schon! Ich möchte darauf mit einer knappen, etwas satirischen Betrachtung reagieren: Gegen Ende der großen Ferien kippt die Depression über den nahen Unterrichtsbeginn allmählich um in ihr Gegenteil, eine Art Schulanfangseuphorie. Der Vorsatz, gründlich anzufangen, einen Grund zu legen, den „Stoff“ zu begründen, gehört zu den wichtigen Anschubkräften, die ein Schuljahr hindurch gebraucht und verbraucht werden. Wie ordne ich den „Stoff“, wie baue ich ihn auf? Natürlich - wenn auch nur die wenigsten Lehrer diese Worte benutzen werden - organisch-genetisch, so, daß „jedes Folgende seine Erklärung im Vorausgegangenen findet“. Wenn dann nach Wochen die ersten Stockungen eintreten und organisch-genetisch zu mechanisch-genetisch mutiert und zuletzt alles zur Addition herunterkommt, reicht die Kraft nicht mehr, den Ursachen dieser Niederlage nachzuspüren. So verebbt das Schuljahr in verkrampftem Aktionismus und beginnt wieder in der idealistischen Attitüde des organisch-genetischen Unterrichts.
Daran sind nicht allein die vorgeschriebenen schulischen Unterrichtsbedingungen schuld. Es liegt auch an typischen Simplifizierungen und damit praktischen Überforderungen des genetischen Unterrichtskonzepts.

Denn: Genetisch ist nicht das gleiche wie systematisch:

Wir erinnern uns an Wagenscheins Mahnung:
„... Ein solcher systematischer Lehrgang verführt zur Vollständigkeit, damit zur Hast und also zur Ungründlichkeit. So baut er einen imposanten Schotterhaufen. Gerade, indem er sich an die Systematik klammert, begräbt er sie, und verstopft den Durchblick ... Er verwechselt Systematik des Stoffes mit Systematik des Denkens.“

Genetisches Lehren soll dem Lernenden im Unterschied zur erdrückenden Systematik Transparenz und Selbsttätigkeit gewähren. Für eine jede Bildungsdidaktik sind das selbstverständliche Prinzipien, ohne daß üblicherweise ein Gegensatz zur Systematik hergestellt würde. Man vermutet ganz im Gegenteil hier gegenseitige Ergänzung. Der Blick auf die beiden oben bezeichneten Aspekte von Genesis kann hier helfen: Wagenschein betont nämlich eigentlich viel seltener den Lehrgang, die Lektion als ganze, er betont das „Genetische Lehren“, Genesis als methodisch-didaktische Erarbeitungsperspektive.
Zur Erläuterung des Unterschieds: Der frühe Wolfgang Klafki widmete sich auch dem Thema des genetischen Prinzips in seiner klassischen problemgeschichtlichen Darstellung des „pädagogischen Problems des Elementaren“. Ausgehend von Pestalozzi, Diesterweg und Mager erarbeitete Klafki, inwiefern Genese ein zentrales methodisches und inhaltliches Postulat kategorialer Bildungsdidaktik sei. Klafki unterscheidet dabei zwei Fragen: „Wie kommt der Schüler zum selbständigen geistigen Nachvollzug solcher Grundstrukturen, die ... ihm zu Kategorien der Weltbetrachtung werden sollen?“ und zweitens die Frage „nach der systematischen Ordnung einer größeren Anzahl von Grundanschauungen und Grundeinsichten“, „die alte Frage nach den Reihenfolgen“. (6)
Das sind zwei Fragen, die möglicherweise auch unterschiedliche Adressaten haben. Nach den Reihenfolgen, dem Aufbau des Bildungswissens fragt eher der Lehrplaner und Allgemein-Didaktiker. Nach dem Entstehen der bildenden Einsicht fragen in erster Linie Lehrer und Praktiker. Beide Fragen sind auch unterschiedlich schwer zu beantworten. Bei aller Fragwürdigkeit ließe sich pragmatisch wohl noch eher eine Einigung über einen plausiblen Lehrgang z.B. in einem Fach erzielen. Wie dieser dann in actu bildend werden kann, ist aber noch viel schwerer zu beantworten. Und es ist verständlich, daß die Versuchung oft dahin ging, in der Lösung der „leichteren“ Frage auch die Antwort auf das schwierigere Problem zumindest bereits angebahnt zu sehen. So glauben auch viele Lehrer, Sachlogik, auffindbare, zwingende logische Verknüpfung der Stoffe sei die entscheidende Stütze der Vermittlung, sei schon die halbe didaktische Kunst. Aber auch dann, wenn die Aufnahme durch den Schüler in Frage steht, herrscht oft die gut gemeinte Vorstellung, es gehe eben darum, die Stufenfolge des Wissens, die an sich vorgegebene, den Schüler selbsttätig hinaufgehen zu lassen. Klassisch ist hier die schöne Mahnung Fröbels:

„Auch mußt Du nie von einem Gegenstand oder einem Verhältnis der Betrachtung aus Dir und durch Dich selbst, gleichsam willkürlich, zur Betrachtung eines neuen Gegenstandes, eines neuen Verhältnisses fort - und übergehen, sondern Du mußt Deine Kinder die Fortschreitung als ein notwendig in sich und durch den Gegenstand selbst Gegebenes auffinden lassen ...“ (7)


Wagenscheins Genetisches Lehrens ist in erster Linie auch nicht von Modellen einer gestuften Entwicklung des Denkens und Reifens geprägt:

Zu einem Teil wird heute die Auseinandersetzung mit dem Genetischen Lehren davon erschwert, daß wir eine Reihe von Unterrichtsprinzipien und Sozialformen des Unterrichts als modernen, zeitgemäßen Unterricht kennen, die den Schüler und seine Lernwirklichkeit adäquat berücksichtigen wollen, ihn scheinbar schon so ins Recht setzen, wie es das Genetische Lehren will. Umgekehrt kann man bei der Lektüre von Klassikern des Genetischen Lehrens noch die Dominanz des Problems der Darbietung des Stoffes durch den Lehrer spüren, einer Perspektive, die, das kann zur „Ehrenrettung“ etwa Willmanns ergänzt werden, allerdings noch weit in die Nachkriegszeit hinein die didaktischen Vorstellungen von Lehrpraxis überhaupt beherrscht haben dürfte.
Ob nun aber wirklicher Arbeitsunterricht oder lehrerzentrierte Darbietung, vermischt mit Unterrichtsgesprächen, entscheidend ist, daß der Unterricht heute noch genauso wie einst meist linear, als Reihen- oder Stufenfolge gedacht wird. Genetisch lehren heißt dann nur, daß die Schüler die Übergänge, zum Beispiel zur nächsten Stufe, selbst vollziehen, auffinden. Weil dieses lehrplanerische Element der Didaktik lange überwog, wurde auch Wagenschein zunächst erstaunlich hartnäckig als Lehrplandidaktiker gelesen, beispielsweise in Klafkis früher Studie:

Wir dürfen in (Wagenscheins) Vorschlag eine willkommene Bestätigung der Vermutung sehen, die wir bei der kritischen Betrachtung des Pestalozzischen Gedankens der lückenlosen Reihenfolgen äußerten, daß nämlich an die Stelle von Systemen, in denen jeweils notwendig nur ein Unterrichtsgegenstand dem vorausgegangenen folgen dürfe, ein systematischer Gang großer Stufen treten müsse, wobei aus der Vielzahl einzelner möglicher Inhalte jeder Stufe nur einer oder wenige ausgewählt und gründlich ‘exemplarisch’ behandelt werden müßten, um die Struktur der betreffenden Stufe zu erhellen. Ähnlich heißt es bei Wagenschein: ‘Das einzelne, in dem die Verdichtung stattfindet, hat noch immer Stufencharakter, aber es ist Plattform geworden ... Noch wird das Ganze durchlaufen von Plattform zu Plattform, dazwischen liegen spärlicher gesetzte Verbindungsschritte.’ “ (8)

Klafki bemüht sich hier, das Genetische Lehren von der Rücksicht auf Stufen der Entwicklung her zu verstehen. Das Wagenscheinsche Bild der Plattform verträgt sich aber doch nicht ohne einen bedeutungsvollen Rest mit dem der Stufe. Wenn schon Stufen, dann sind es solche, die eigene Welten, Ruhepunkte bilden wollen, von denen man eher abfliegt, als von ihnen aus weiterzusteigen. Wagenschein spricht an dieser Stelle vom Segelflieger, der über einem Ort Niveau gewonnen hat, um nun weitergleiten zu können. Doch das erschien Klafki sicher zu unbestimmt. Es wäre umgekehrt aber auch nicht verwunderlich, wenn Wagenschein listig mit dem Plattformbegriff den Denkern mit dem Stufenbild eine Verstehensbrücke hätte bauen wollen. Sicher aber wollte er nicht das naheliegende Mißverständnis nähren, die kunstreiche Anordnung des Lehrstoffes, der stufenweise Aufbau könne durch die damit gewonnene Systematik die methodisch-praktische Frage nach der Förderung eines „selbständigen geistigen Nachvollzugs“ (Klafki) gleich mitbeantworten.


Das „Genetische Lehren“ im Sinne Wagenscheins ist in Willmanns „organisch-genetischer“
(Unterrichts-)Methode enthalten, setzt die Prioritäten aber anders.

Es kann auch helfen, auf die ältere Tradition zu sehen, aus der der Begriff kommt. Otto Willmann dachte am Ende des vorigen Jahrhunderts zwar noch deutlich vom Problem des Lehrers her, den Stoff dem Lernprozeß und der Sache angemessen darzubieten, gab dem Genetischen aber doch eine von erfolgreicher Praxis inspirierte, tiefere Bedeutung als die der Stoffentfaltung.

„ln dem Schalten über den Lehrstoff ... liegt etwas von jenem Formalismus, welchem die Materie des Unterrichtes nur ein Steinbruch ist, den es auszunutzen gilt, und es wird dabei der Forderung einer Gliederung des Stoffes, welche wir aufstellen mußten, nicht entsprochen, und noch weniger der weitergehenden, daß die Formgebung den Bildungsgehalt des Lehrgegenstandes zu heben hat. Den Bildungsgehalt eines Lehrgegenstandes ... machen jene Teile und Momente desselben aus, von welchen seine Bewurzelung und Verinnerlichung ausgeht und von deren Haften oder Nichthaften der Wert des Lernens und Übens wesentlich abhängt. Die Formgebung oder der Lehrgang hat dafür zu sorgen, daß diese fruchtenden Partien Licht und Luft bekommen, und daß das Ganze durchdrungen sei von dem belebenden Geiste des Wissensgebietes, der den Geist des lernenden wachsen machen soll. Dieser Gesichtspunkt verlangt aber, daß der dem Lehrobjekte eigenen Struktur Rechnung getragen werde, welche eine organische ist, denn jenes ist ein ZOON, wie Platon seinen Dialog nennt, und die Didaktik ist der von ihm geforderten Kunst verwandt, welche ‘auf eine Grundgestalt hinblickend, das hier und dort Verstreute darauf hinleitet’ und welche ‘so abteilt, wie die Glieder gewachsen sind, und nicht etwa wie ein ungeschickter Koch einen Teil zerbricht’.“ (9)

Man muß Willmann etwas gegen den ontologischen „Strich“ lesen, um in seiner Didaktik die Wagenscheinschen Erfahrungen aufzuspüren. Die „Formgebung oder der Lehrgang“ leistet nach den eben zitierten, glänzend formulierten und scharfsinnigen Überlegungen mehr als sinnvolle Gliederung allein, denn die Formgebung dient dazu, „den Bildungsgehalt des Gegenstands zu heben“. Es geht um die Befreiung des belebenden Geistes des Wissensgebietes durch die Gestalt des Unterrichts. Willmann gibt dem Heben des Bildungsgehalts in solchem Maße den Vorrang, daß sachgerecht abteilender, klug entwickelnder Unterricht nur als sein untergeordnetes Instrument erscheint, von dem Willmann aber noch glaubte, daß es unersetzbar ist.
Die „fruchtenden Partien des Stoffes“ brauchen vom Genetischen Lehren aber nicht nur den entsprechend organisierten Lehrgang, sie brauchen ihn vor allem als den Unterricht tragenden Stil der Offenheit für das „Werden“ des Verstehens. Willmann selbst reflektiert diese didaktischen Keimpunkte ähnlich wie Wagenschein, ohne bereits wie dieser das lehrplanerische Gliedern und Arrangieren in einen zweiten Dringlichkeitsrang zu verweisen.
Welche dieser Prioritäten letztlich gültig ist, kann oder muß vielleicht nicht entschieden werden. Wie das Zusammenwirken von genetischer Formgebung des Unterrichtsganzen und unterrichtspraktischer Aufmerksamkeit für jeweils neu sich bietende genetische Potenzen modellhaft zu verstehen ist, wissen wir nicht genau genug. Hans Christoph Berg gibt in seinem Handbuchartikel einen Überblick über das Schicksal des Begriffs „Genetische Methode(n)“ (10) Berg resümiert dort, daß es heute an Studien dazu fehle, die die Gründlichkeit der Untersuchung Klafkis zu dem Begriff des Elementaren erreichten, und daß es an haltbaren Übertragungen dieses Prinzips in die Lehrpläne fehle. Und das, obwohl in Metaphorik und Begrifflichkeit des didaktischen Denkens die Sache zu jeder Zeit eine bedeutende Rolle spielte. Einstweilen bleibe aber nichts anderes, als diese Gedanken in kleineren Lehrgängen zu erproben.
Sehen wir deshalb auf ein Willmannsches Beispiel. Otto Willmann führte seine Didaktik vorbildlich an den einzelnen Unterrichtsfächern vor. Zu seinen leuchtendsten Exempeln zählt die Astronomie, seine „Himmelskunde“. Willmann schlägt hier das Ausgehen vom „anthropozentrischen Standpunkte“ vor, dem Standpunkt der sinnlichen Wahrnehmung: „Durch wirkliche Beobachtung müssen die Erscheinungen, welche der Taghimmel und der Sternenhimmel darbieten, kennengelernt werden, zunächst ohne, später mit Rücksicht auf die Veränderungen, welche die Jahreszeiten mit sich bringen.“ Das bedeutet, es muß, um genetisch eine bildungsrelevante Himmelskunde aufzubauen, in einer geeigneten Altersstufe zunächst über ein Jahr hin der Wissens- und Beobachtungsfundus des geozentrischen Weltbildes eingewurzelt werden:

„Was ...(anschließend) der Umbildung zu unterziehen ist, ist die Vorstellung von der täglichen Rotation des Himmels, und darum sind jetzt die Himmelskörper zu betrachten; ihre ungeheuren Distanzen und deren Verschiedenheit können am besten genutzt werden, um Zweifel an der Rotation der Himmelskörper um die Erde zu wecken. Das Resultat dieser Erwägung und Unterweisung ist jene Modifikation des geozentrischen Standpunktes, die an dem Pythagoreer Ekphantos und dem Platoniker Herakleides Pontikos Vertreter hatte, welche lehrten, daß die Erde sich drehe, aber nicht fortschreite. Auch diese Vorstellungsweise ist einzuüben, und es ist Schritt für Schritt die Umbildung der früheren Anschauung vorzunehmen ...“ (11)

Hier können wir besonders gut die Wagenscheinsche Gestimmtheit erspüren. Es sind nämlich weniger ontologische als verstehens-didaktische, methodische Erwägungen, die Willmann hier bereits leiten: „Der Stoff wird in solchen Einheiten vorgelegt“, „wie sie dem geistigen Sehfelde gerade entsprechen“. Die abendländische Theoriebildung von Herodot, Ptolemäus bis Kopernikus und Newton und so fort ging den Weg, den jeder Mensch, jedenfalls ein Stück weit in seiner unvermeidbaren „Himmelskunde“ geht. Der so gegliederte Stoff führt dann im Sinne seiner „organisch-genetischen Potenz“ selbst und entfaltet so nicht nur die Kenntnis der Gründe für das moderne Weltbild, sondern auch einen Bildungsgehalt, der im Nachvollzug seiner Entstehung liegt. Von den beiden Aspekten des Genetischen setzt sich hier gegen Willmanns Aristotelismus der Gegenstandsbeschaffenheit und Gegenstandsdarbietung der unterrichtspraktische Aspekt der Gegenstandsgewinnung, der Gegenstandserarbeitung durch. Das Organisch-Genetische benötigt nämlich nicht notwendigerweise aristotelische Metaphysik, wohl aber zwingend einen Standpunkt, der die organisch-lebendigen Lernprozesse eines Menschen im Auge hat. Aus dem Anwenden eingeübter Kenntnisse und Verhaltensweisen soll sich das Bild eines Gegenstandes selbst „modifizieren“. Die Frage, ob dies im einzelnen so wie in Willmanns vielschrittigem Unterrichtsgang mit dem rätselhaften langen Atem auch so durchgeführt werden kann, scheint mir hier weniger gewichtig als die Anregung, der Lehrer müsse nicht immer einen überzeugenden Übergang, ein genetisches Anknüpfen, erst konstruieren, so daß das Fortschreiten als ein Einsichtiges und Notwendiges erscheint, oft genüge eben das beharrliche Betrachten des Gegenstandes, der sich dann unter unseren Blicken fortentwickelt. Wer lange genug die Himmelskörper beobachtet und „ihnen“ seine Fragen stellt, der wird von ihnen eben, da sich seine Problemsicht entwickelt, eine ganz charakteristische Reihe von Hypothesen als Antworten offeriert bekommen.
Willmanns Hauptwerk, die „Didaktik als Bildungslehre“ fragt nach dem Bildungsgehalt der Lehrgegenstände. Willmann ist klassischer Vertreter einer philosophischen Bildungsdidaktik, die betont, Bildung lasse sich nicht von der Frage nach ihren Inhalten trennen. Und doch ist auch für Willmann Genetisches Lehren nicht auf die sachgemäße, realgenetische Formgebung des Unterrichts zu reduzieren.
Willmann anerkennt zum Beispiel auch die Besonderheiten menschlicher Verstehenswege, die er in der Wissenschaftsgeschichte findet. Für Willmann sind die Umwege menschlichen Verstehens aber nur nützlich innerhalb einer Priorität genießenden korrekten, realgenetischen Darbietung. Für Wagenschein hatte darüber hinaus das „Verstehen lehren“ Priorität, ein Lehren, das - mit Willmann gesprochen - organisch-genetisch den fruchtenden Partien des Stoffes Licht und Luft gewährt.
Das zuletzt aufgeführte Zitat macht aber nicht nur deutlich, daß Willmann unter „genetisch“ auch ein ständig gegenwärtig zu haltendes Unterrichtsprinzip, nicht nur ein lehrplandidaktisches Prinzip verstand. Es hilft uns außerdem, ein anderes Mißverständnis anzusprechen:


Organisch-genetisch ist nicht das gleiche wie historisch-genetisch.

Pestalozzi hat schon organisch-genetisch von historisch-genetisch unterschieden. (12) Im selben Sinne trennt Willmann szientifisch-genetisch von organisch-genetisch. Gewisse Umwege, Sackgassen, Barrieren der Wissenschaftsgeschichte sind im genetischen Nachvollzug didaktisch unter Umständen besonders fruchtbar, können aber in der logisch bereinigten Sachgenese zur Marginalie werden. Ein Beispiel: Der gotische Spitzbogen kommt seinem sachlichen Wesen nach erst durch die Idee der Lichtarchitektur zum Zug. Der Spitzbogen kann also nur von dorther in seinem architektonischen Gehalt erschlossen werden. Historisch-genetisch mag aber durchaus das gleichzeitige statische Problem, größere Räume überbrücken zu müssen, wirksam gewesen sein, und solche Konstruktionsprobleme können für uns didaktisch besonders fruchtbar sein. Historische Genese kann aber auch verundeutlichen. Technische Fortschritte erscheinen oft wie ein Erstes auf der Oberfläche der Geschichte, sie sind aber sachgenetisch oft doch als etwas Untergeordnetes zu sehen. Es sind also die Geschichte und die Fach-Geschichte didaktische Fundgruben, ein heilsamer Zwang, neu von den Keimen des Wissens oder des Phänomens her zu denken. Geschichte und Wissenschaftsgeschichte sind aber kein genuines Unterrichtsprinzip, sondern Hilfsmittel, um sich der Genese der Sache, der organisch-genetischen Struktur, anzunähern.


Für den Praktiker Wagenschein stehen stattdessen ein zugkräftiges Phänomen und die tragfähige Leitfrage im Mittelpunkt des Genetischen Lehrens.

Vielleicht geht die Behauptung zu weit, die Frage nach dem Stoff sei bei Wagenschein ganz eine Variable im Zusammenhang mit der Entscheidung für die genetische Methode geworden. Sicher ist aber eine Akzentverschiebung in diesem Sinne eingetreten. Deshalb greift Wagenschein oft auf recht überraschende Weise hinein in das weite Feld naturwissenschaftlicher Themen. Er soll mit einem solchen Beispiel jetzt selbst zu Wort kommen. Ich nehme darin nur kleinere Kürzungen vor.

„Für das genetische Verfahren folge nun als ...Beispiel: Erdgeschichte
Wie wird ein darlegender Lehrgang für dieses Thema gebaut sein? Er wird von ‘außen‘ heranführen an das schon geklärte, fertige, dem Lehrer in Raum und Zeit transparente Erdbild. Er wird vielleicht zuerst, wie von weither kommend die Kugelgestalt ins Auge fassen, etwas vorausschicken über die mutmaßliche Entstehung des Erdballs, um dann die einzelnen Teile seiner Schale, geordnet nach Aggregatszuständen vorzunehmen: Gesteinshülle, Gewässer, Atmosphäre.“
Ein genetischer Lehrgang nun wird etwa dieselben Tatsachen und Theorien - nicht ‘bringen‘, sondern - entdecken lassen...
Er braucht dazu, am Anfang, eine weittragende Frage, die sich dem unbefangenen, aber wachen Menschen aufdrängt aus der ruhigen, von Vorkenntnissen nicht geleiteten Betrachtung der originalen Sache selbst. Das ist hier die Landschaft. Und zwar in ihrer Veränderung...
Der Lehrer hat die Aufgabe, solche Fragen in einer Schülergruppe virulent zu machen, ohne sie auszusprechen. In unserem Fall gibt es wohl viele Möglichkeiten. Ich berichte über eine, an Sekundanern erprobte; jungen Leuten also, die schon viel draußen herumgelaufen sind.
Bei uns überwiegen die einebnenden, die ‘exogenen‘ Kräfte. Ohne etwas zu sagen, und ohne Eile, zeigte ich Lichtbilder in großer Zahl, auf denen zu sehen waren: Geröllhalden, Felsstürze, Lawinen, Gletscher, Moränen, Flußtäler, Wasserfälle, Brandungsküsten, Deltas und so fort: und zwar durcheinander. Die Schüler konnten dazu sagen, was ihnen einfiel, auch Fragen stellen; die ich aber nicht beantwortete. Nach einiger Zeit konvergierten diese Fragen auf eine umfassende, alle Bilder betreffende, eine Frage, die nicht in die Vergangenheit, die in die Zukunft blickt, nämlich: ‘Wie soll das enden? Alles geht zu Tal. Wird eine Zeit ohne Berge kommen?‘ (Diese Vision ist ebenso beunruhigend wie die des sogenannten Wärmetodes.) Sie liegt offenbar nahe: in einem Kreis von nur etwa fünfzehn Studenten wurden allein zwei Fälle von Kindern berichtet, die sich dazu ihre eigenen - geheimen - Gedanken gemacht hatten.“ (13)

Wir erleben hier Wagenschein inmitten einer sich ruhig ausbreitenden Unterrichtsexposition. Und doch ist dieser Unterricht mehr als ein Präludium. In beharrlicher Konzentration, im ausgiebigen, hingegebenen Sehen, füllt sich die Bühne des Faches Erdgeschichte, sättigt sich der Unterricht über das logisch Notwendige hinaus. Die allmählich aufgekommene, vielleicht erst angesichts der erdrückenden Masse der Beispiele wirklich laut gewordene Leitfrage wird nun den weiteren Unterricht hindurch mitwirken; inmitten des Sogphänomens verharrend bleibt der Ursprung des Unterrichts auch später anwesend. Verstehen keimt ungespalten, unentfremdet.


Aber: Genetisches Lehren meint nicht allein raffinierte Kunst des Einstiegs, meint nicht Lehrerkunst statt erprobter Lehrkunst.

Man hat Wagenscheins zahlreiche Beispiele von Unterrichts-Expositionen so erfrischend empfunden, daß sich in ihrer Propagierung gegen die Ödnis des Unterrichtsalltags bedauerliche Übertreibungen entwickelt haben. Wagenschein wurde zum Expositions- und Irritationskünstler verkürzt, zu einem „Heiligen“ der blühenden, wachen Intelligenz, die noch echte Fragen hat im Gegensatz zu den sonstigen Biedermännern in der Schule. Horst Rumpf, ein Schüler Wagenscheins, ist mit Zorn gegen die Schulwirklichkeit angerannt, seit 1962! Seine Schriften haben viel Zustimmung gefunden (14) Das liegt auch an dem gegenüber Wagenschein ganz anderen polemischen Gestus:

„Ob ein Lehrer einfallsreicher wird, wenn er diverse Didaktik-Theorien intus hat, weiß ich nicht. Daß er weniger leicht in den Starrkrampf des konventionellen Stundenhaltens verfällt, wenn er über die Qualität der ersten Szene seines Unterrichts nachdenken gelernt hat, scheint mir wahrscheinlich. Ein Beispiel für einen Auftakt : Die Lehrperson oder die Regie führende Person fängt mit einer stumm ausgeführten Handlungsfolge an. Vor aller Augen werden feinste Staubkörnchen in Wasser gemischt - dann wird eine dünne Schicht Wasser unter dem Mikroskop betrachtet - bei starker seitlicher Beleuchtung vor dunklem Hintergrund. Nach Möglichkeit wird das Ganze durch Mikroprojektion auf einen Schirm abgebildet. In einem Kreis von etwa einem Meter Durchmesser zeigt sich schwer zu Vergessendes ... Ein irritierendes, ein aufstörendes Phänomen. Man muß schon völlig abgebrüht und in der Kraft zu imaginativem Hinschauen abgetötet sein, wenn man angesichts dessen auch ohne dirigierende Lehrerfragen nicht ins Sinnieren, ins laute Denken kommt.“ (15)

Das überzeugt schon. Man muß nun immer genauer hinsehen. Da gibt es nämlich ganz verschiedene Teilchen zu beobachten, und die Konsequenzen, Fragen machen uns beinahe Angst.
Aber mit Eröffnungen allein ist der Unterricht nicht getan, und mit Irritationen allein, die Scheinwissen erschüttern, die lebendige Wirklichkeit hereinlassen, ist dem Schüler nicht „ganz“ gedient. Und die pragmatisch orientierte Lehrerschaft fühlt sich zurecht nicht ernst genommen, vielleicht sogar beleidigt: Sie wehrt ab: „Damit können wir nur in wenigen Stunden etwas anfangen. Punkt.“ Bei einem anderen Pädagogentyp ist umgekehrt die Zustimmung zu solchen Manifesten leicht zu gewinnen, sie kostet nicht viel. Mit dem Rumpfschen Antilehrer, der der verkannte wahre Lehrer ist, will man sich zu gerne identifizieren. Rumpfs Fragen drehen sich um das, was der Lehrer „können soll“, was vielleicht noch eine gute Schule können muß, sie drehen sich kaum um Unterricht im ganzen. Und wo Rumpf längere Unterrichtssequenzen skizziert, spürt man dann, daß von idealen Schülern her als Anhängsel einer idealen Methode gedacht wird. (16)
Wagenscheins Gestus in seinen Schriften ist anders, nämlich bescheiden. Seine Lehrerrolle ist partnerschaftlich und nicht künstlerisch. Das Trickreiche und Ostentative verträgt sich nicht mit der in dem Genetischen Lehren gesuchten echten Nachdenklichkeit. Rumpf scheint das selbst zu wissen:

„Also Offenheit, Unabsehbarkeit auszuhalten. Und zwar eben nicht - das ist nun der entscheidende Unterschied - nicht als zeitweiliges Dummstellen, nicht als Motivationstrick, sondern als immer neu entstehende Erfahrung, als immer neu entstehender Sog. Nicht den Dummen zu spielen, sondern diese Offenheit auszuhalten als Bedingung der Möglichkeit geistigen Lebens.“ (17)

Rumpf weiß auch, zum Beispiel, daß es die Gefahr künstlicher Nachdenklichkeit gibt, daß also der Unterricht in ein substanzloses Aufregen und Staunen übergehen kann. In solchen Selbstzweifel über eigene Koketterie, denen dann aber wieder mit „genialen“ Eröffnungen und Unterrichtsarrangements begegnet wird, drehen wir uns aber im Kreis der Selbstbespiegelung der Lehrkunst als Lehrerkunst. Lehrer sind „Künstler“, „Schaffende“, „Kreative“, ohne Frage. Sie schneiden sich aber, wenn sie auf diese Aufgabe fixiert sind, von der Gesamtheit der für den Unterricht notwendigen Kräfte und der zu vertretenden Sache ab. Diese Sache und die Schüler, zu denen im Verhältnis zur Sache auch der Lehrer gehört, sollen den Unterricht lenken. Rumpf hat Recht: Die genetische Methode darf sich nicht im entsprechenden Durchplanen des Unterrichts erschöpfen. Aber beschränkt auf die Keimkräfte irritierender Einstiegsarrangements verliert sie ebenso als eine Art Feiertagsdidaktik an Relevanz.
Nebenbei ist an dieser Stelle aber auch zu würdigen, daß Unterrichtsanfänge gar nicht überschätzt werden können. Wir haben in der Frage des „Einstiegs“ eine bedeutsame Brücke zu aktuellen Schulproblemen. Gerade die Anfänge sind im Unterricht nicht mehr selbstverständlich. In jeder Stunde muß „ ... heute täglich neu errungen werden: die Akzeptanz von Schule“ (18). Wagenschein sagt uns dazu: Führe den Schüler nicht mittels „Motivation“ auf Umwegen zum Thema hin, sondern setze dieses ihm in geeigneten Phänomenen unvermittelt und ganz vor, umwerfend, unausweichlich. Geduld! Es gibt eine Reihe solcher Phänomene für dein Fach, vor ihnen werden sich nach und nach alle versammeln.
Dabei wird der Terminus „Einstieg“ von Wagenschein sehr überlegt benutzt und ernstgenommen. Er läßt den Gedanken an einen Einbrecher mitschwingen, der im ersten Stock durchs Fenster einsteigt, anstatt durch die Tür im Erdgeschoß zu kommen. Er sucht im Unterricht

„(n)icht ein Durch-Steigen des Turmes von unten her, sondern ein(en) „Einstieg“ - irgendwo, an geeigneter Stelle - und (ein) Aufspüren der Verbindungslinien. Nicht aller, nicht bis ganz hinunter, nicht bis ganz hinauf. Systematik? Natürlich. Aber sie ist das Ziel. Man gewinnt sie nicht, man verfehlt sie, wenn man an ihr, die dann ja nur im Kopf des Lehrers präexistiert, entlangläuft. Man muß sie aus dem Chaos aufspüren lassen. Hat man den Faden, so kann man dann der selbstgefundenen Ordnung folgen.“ (19)

Wagenschein sieht also auch auf das Ganze des Faches hin, den genetischen Lehrgang auch im Genetischen Lehren im Auge behaltend. Und auch in dem oben zitierten Beispiel zur Erdgeschichte erschöpfen sich seine Anregungen nicht in dem eröffnenden Einstieg, sondern es werden danach Hinweise gegeben, wie anschließend Thesen, Antworten geprüft werden können, welche Fragen als Leitfragen neu auftauchen werden. Leider hat Wagenschein uns aber doch nicht viele Stücke so zu Ende erzählt wie seinen Unterricht über das Nichtabbrechen der Primzahlenfolge.(20)

3.1.2. Das Genetische Lehren und angrenzende Unterrichtsprinzipien


Genetisches Lehren und Schülerorientierung


Wagenschein definierte „Genetisch“ grundlegend wie folgt:
„Es gehört zur Grundstimmung des Pädagogischen überhaupt. Pädagogik hat mit dem Werdenden zu tun : mit dem werdenden Menschen und - im Unterricht, als Didaktik- mit dem Werden des Wissens in ihm.“ (21) Vermissen wir darin nicht das Gewordensein der Gegenstände, Willmanns zweite Hälfte? Oft wird geäußert, Wagenschein denke erfreulicherweise Unterricht ganz vom Schüler her. Für andere ist dagegen schülerzentrierter Unterricht ein Reizwort, mißverstanden als postmodernes „anything goes“, wo Tagesbedürfnisse der Schüler alles prägen dürfen und dieses Unterricht zu einem wirren Knäuel unaufgeklärter Impulse macht.
Schülerorientierung ist eine bedeutende didaktische Selbstverständlichkeit, selbstverständlich zwar, aber doch ein Zeichen für Lehrerformat. (22) Man lernt aber nicht in erster Linie in Projektarbeit oder offeneren Sozialformen des Unterrichts, was es heißt, beim Unterricht den Schüler zu sehen. Es scheint überhaupt nicht so sehr eine Frage der Methode zu sein, sondern ein Thema gelingender Lehrerbildung. Wagenschein gewann sein Fundament der Schülerorientierung durch den Blick für die bildenden Qualitäten des Faches, für die Gesamtheit der uns in dem Fach angehenden Sachfragen.
Dabei ist das Fach nicht identisch mit der Fachwissenschaft, und die Fachwissenschaft geht als Wissenschaft auch über sich hinaus, nicht nur in das benachbarte Fach, sondern auch noch in darüber und darunter liegende Räume. Wissenschaft klärt sich in einem größeren Gesamtlebenszusammenhang ab. Sichtbar ist das daran, daß sie selbst - in ihrem Kern deutlicher strukturiert - an den Rändern ausfranst. Oben befindet sich die für den Kollegiaten der Oberstufe vielleicht reizvolle Grauzone, an der sich die wissenschaftliche Avantgarde abarbeitet, wo die Systematik womöglich fachimmanent, streng wissenschaftlich, in Frage gestellt wird. Daneben liegt die „pseudowissenschaftliche“ Grauzone, die stets von Außenseitern des Faches mit nicht fachlich anerkannten Methoden besetzt wird - für den kritischen Jugendlichen immer attraktiv. Und unten gibt es eine von jedem Menschen in seiner biographischen Entwicklung durchschrittene protowissenschaftliche Grauzone. Kinder sind eben beispielsweise auf dem „Wege zur Physik“ (23). In allen diesen Grauzonen erlebt der Mensch ein Ineinander und ungeordnet Gleichzeitiges der Perspektiven und Bewertungsmöglichkeiten. Ein später vielleicht fix und steril gewordenes Wissen hat in seinem Entstehen immer orientierende Funktion, korrespondiert mit anderen Weltbildfragmenten. Wissen und Fühlen gehen hier noch lebenskräftig Hand in Hand. Wagenschein plädierte nicht für eine „genetische Grundstimmung“ des Unterrichts als stimmungsgeleitetes Auswählen der Gegenstände und Fragen, aber für eine genetische Grundstimmung, die unabdingbar ist, will man zu dem systematischen Kern eines Faches den Zugang anbahnen, ihn auch für Rückwege offenhalten.
Natürlich steht der Lehrer Wagenschein zusammen mit den Kindern auf deren Seite dem Gegenstand gegenüber, aber die strikte Gegenstandsorientierung verhindert dabei „kindische“ Zügellosigkeit. Wie Kinder aber nehmen wir auch mehr wahr an diesem Gegenstand, als uns die umrissene Fachdisziplin vorschreibt.
Ein Zweites ist zu bedenken: In unserer gelegentlich Schülerorientierung bis zur Ratlosigkeit überspannenden Zeit, wo der Unterricht schon auch den Diffusitäten, dem narzißtischen Lustprinzip und der Labilität der Schülerseite zum Opfer zu fallen droht, ist deutlich zu betonen, daß Unterricht trotz Schülerorientierung nicht nur für den Schüler gemacht wird.

„Die Notwendigkeit solcher Vermittlung, d.h. die Notwendigkeit von Schule und Lehrern, liegt darin, daß der Einzelne sich nur bilden kann durch Teilhabe an der Tradition und daß der Geist der Menschheit, ihr Wissen und ihre Erfahrung, nur unter der Bedingung in der Zeit zu dauern vermag, daß er in der jeweils folgenden Generation jeweils aufs Neue Platz ergreift. Der Zweck von Schulen und Lehrern ist also ein doppelter: individuelle Bildung und Bewahrung der universellen Überlieferung. Der Lehrer arbeitet für den einzelnen und seine Bildung, aber nicht ausschließlich. Sein Unterricht kann nicht darin aufgehen, nur ‘schülerzentriert‘ zu sein, sondern er muß auch daran denken, durch seine Tätigkeit und das Lernen des Schülers die Überlieferung zu bewahren. Die Doppelung dieser Zwecksetzung macht eine der Hauptschwierigkeiten seines Berufes aus, nämlich zwischen beiden Zwecken selbst zu vermitteln. Von der Seite des Schülers ergibt sich eine verwandte Doppelung. Einerseits ist der Lernende im Unterrichtsprozeß Zweck an sich selbst, um dessentwillen gelehrt wird, andererseits ist er - so hart das klingt ebenso ein Mittel und ‘Gefäß‘ der Überlieferung.“ (24)

Das heißt für uns: Als Anwalt sowohl des Kindes als auch der Tradition muß der Lehrer die Prinzipien der Schülerorientierung und Stofforientierung, die Genese im Lernenden und den organisch-genetischen Bau des tradierten Bildungsstoffes, verknüpfen. Wagenschein fordert: Stelle ganz den bildenden, kulturell ausgewiesenen Gegenstand in den Mittelpunkt des Unterrichts - und nicht subjektive Bedürfnisse - , aber übernimm dem Gegenstand gegenüber die Partei des Kindes. Ein Unterrichten in dieser „Grundstimmung des Genetischen“ läßt Raum für „produktive Findigkeit“, “den unbefangenen, aber wachen Blick für das Ganze einer, gerade ungewohnten, Situation“, fördert „kritisches Vermögen“ im Sinne des immer wieder neu auflebenden naiven Nachfragens (25). Man hat Wagenschein zurecht einen Aufklärer genannt. Die Maxime des Selbst-Denkens, des „Ausgangs aus der Unmündigkeit“ (sicher anders als bei Kant hauptsächlich aus der schulverschuldeten Unmündigkeit) war sein Motiv. Aufklärung ist aber nur erfolgreich, wenn sie durch die Augen der Aufzuklärenden, der Schüler, sieht.
Zustimmend zitiert Wagenschein deshalb Simone Weils Klage (26), die Moderne habe an die Stelle von Wahrnehmung und Aufmerksamkeit, an die Stelle von Vernehmen und Vernunft das Gerede, sekundäre, nachgesprochene Behauptungen gestellt. Vieles kann eben doch noch der Mensch sich selbst vernehmend, schauend aneignen, auch im Zeitalter des Atoms, zum Beispiel die Erklärung der Mondphasen, sogar die Messung des Erdumfangs. Bezüglich der Ursache der Mondphasen haben viele Menschen, weil sie diese nie hinschauend untersucht haben, falsche Ansichten.
In der Schule setzt man viel zu schnell an die Stelle primärer Erfahrung, echter Phänomene, die Apparatur und die abstrakte Herleitung. Vor diesem Hintergrund wird noch einmal deutlich: Genetisches Lehren kann für Wagenschein nicht das genetische Unterrichtsarrangement in erster Linie sein, die vorbereitete Lernapparatur, sondern es meint in erster Linie das Wachsenlassen des lernenden Denkens. Dem Schüler, genauer gesagt, den beteiligten Menschen, gehört deshalb auch die Unterrichtszeit. Der Zirkel des bereitwilligen, erneuten Zurückkehrens an den Anfang, der Vergewisserung über die Wurzel unseres Tuns prägt die Bewegung dieses Unterrichts. Auch bei Willmann findet sich das schon: „Was ein solcher Kursus erfordert, ist außer dem Durchdenken des Materials von Seiten des Lehrers vor allem: Zeit, geduldiges Abwarten und unverdrossenes Zurückkehren zu denselben Dingen.“ (27)
Die Rückkehr ist zentrales didaktisches Motiv von Martin Wagenschein: Rückkehr zur Geschichte der eigenen Wissenschaft - in Wagenscheins Fall der Physik und Mathematik; die Rückkehr zur primären Erfahrungswelt, zu den Phänomenen, die Rückkehr zu den exemplarischen Bildungserfahrungen, die einem Fach zugehören. In dieser Rückkehr verschmelzen dann auch Schüler- und Sachorientierung:

„Vieles von dem, was die alten Forscher sagen, verbindet sich leicht mit modern anmutenden pädagogischen Grundsätzen, die aber im Grunde uralt und unerschütterlich sind. Sie fragten nicht, ob man ‘vom Kinde aus’ oder von der Sache aus unterrichten müsse: Sie waren selbst Kinder im höchsten Sinne, Träger nämlich des erwachenden Geistes, und steckten bis über die Ohren in der Sache und hörten, was sie ihnen zusprach.“ (Wagenschein über die Epoche der Galilei, Kepler, Pascal, Newton) (28)

Genetisches Lehren und sokratisches Gespräch


Wagenschein explizierte seine Didaktik mit Hilfe der drei Prinzipien genetisch-sokratisch-exemplarisch. Wie schon bemerkt, sind diese aber nicht gleichrangig. Das Genetische Lehren (der Oberbegriff) bedient sich zwar wiederholt, aber nur eingestreut der Sokratik, d.h. des gezielten dialogischen Erschütterns von Scheinwissen. Es geht dabei um „produktive (!) Verwirrung“, Platzschaffen für einen konstruktiven Anfang:

„Er (der Lehrer) muß ein Problem auswählen, das nicht zu leicht und nicht zu schwer ist ... Leicht, weil keine Vorkenntnisse nötig sind, schwer insofern es ohne Denken einfach nicht geht. Er kann die Beweismittel griffbereit halten ... In manchen Fällen wird es gut sein, die Beweismittel vorher zu sammeln und bereit zu halten, ohne daß schon erkennbar ist, wofür sie gebraucht werden sollen. Andere Gedankenzüge sind so geräumig, daß man, ohne zu verwirren, innerhalb ihrer selbst Exkursionen einschalten kann, die den Zweck haben, Werkzeug heranzuholen ... Die Hauptaufgabe des Lehrers: Er muß eindringlich helfen, daß alle das Problem, die Frage als solche, sehen. Mehr nicht, mehr kaum. Aber das ist viel. Ohne dies geht es nicht, aber es genügt auch schon, denn wir dürfen Vertrauen haben - eben dies meint ja Sokrates - , daß das Innewerden eines Problems den Suchenden von selbst zur Lösung schon hintreibt.“ (29)

Martin Wagenschein begreift die Lehrerolle zwar auch aus dem Vorbild der sokratischen Hebammenkunst, fügt sie aber in seinen partnerschaftlichen, helfenden Grundgestus ein. Es versteht sich von selbst, daß Wagenschein nicht pure Sokratik will, nicht den erbarmungslos besserwisserischen Gesprächsstrategen Athens, auch nicht den vergnüglich zu lesenden, hemmungslos eingesetzten methodischen Zweifel, wie ihn zum Beispiel Leonard Nelson als Philosophielehrer gepflegt hat und auf den sich Wagenschein bezieht. Nelson war darin nämlich erstaunlich konsequent! Er beschreibt sein Verfahren zum Beispiel wie folgt:

„Aus dem Gesagten geht schon hervor, daß die Untersuchungen keineswegs stetig verlaufen. Es springen Fragen und Antworten durcheinander. Manche verstehen die Entwicklung, manche verstehen sie nicht. Diese suchen dann durch tastende Zwischenfragen die Verbindung wieder herzustellen ... Selbst die anfangs noch Sicheren lassen sich dadurch verwirren. Sie verlieren gleichfalls den Faden ... endlich weiß niemand mehr, wohin die Aussprache steuert. Die schon bei Sokrates berühmte Verwirrung ist eingetreten.“ (30)

Nelsons Technik der Zwischenfragen (“Wissen Sie selbst noch, was sie eben gesagt haben?“ „Von welcher Frage sprechen wir eigentlich?“) erinnert freilich an die Zerstörung von Scheinsicherheiten durch den stets überlegenen Sokrates. Doch hat Wagenschein die Methode puristisch in der Schule nie verwenden wollen, höchstens mit Studenten. Als Pädagoge setzt er Verwirrung umsichtig und rücksichtsvoll ein. Erinnert sei hier auch an Willmanns Unterscheidung:

„Die heuristische Methode wird umso vollkommener geübt, wenn sie das Finden nicht veranstaltet. sondern durch die vorhergehenden Gedanken zu Tage gefördert werden läßt, d.i. wenn sie in die genetische Methode übergeht. Auch auf dem Boden der Unterrichtspraxis wird man über Sokrates hinaus auf Platon hingewiesen, nicht als das Vorbild der Gesprächskunst, sondern als den Vertreter der tieferen Auffassung des Erkennens und Erkennenmachens.“ (31)

Ich hebe beim Spülen das gefüllte, umgedrehte Glas aus dem Wasser, und das Wasser fließt nicht heraus! Vielleicht erinnern wir uns an frühes Staunen. Vielleicht spürten wir damals Heiterkeit in uns, Sinnengenuß: das nun so schwere, mit seinem Spülwasser glänzende Glas, ist wie eine willkommene Abwechslung in der ungeliebten Arbeit! Was hätte hier eine zufällig vorhandene Gesprächsgemeinschaft vermocht, eine Sympathie im Wundern und Sehen? An diesen offenen Denkfenster brauchen wir nämlich Anstöße, Dialog-Partner. „Sokratik“ ist für Wagenschein jene günstige Situation zwischen Lehrer und Schüler, in der der Lehrer zum echten Gesprächspartner wird, der zwar auch „die“ Antworten kennt, der vor allem aber fruchtbare Fragen, die geläufigen Irrwege, die Phänomene kennt, die den Weg zu Klarheit öffnen. Eine Fotografie zeigt es: Martin Wagenschein verschmitzt, abwartend, aber doch auch dem freigelassenen Denkstrom hingegeben als „Uferhilfe“ an der Seite des Schülers.

Wagenschein

Genetisches Lehren und exemplarische Methode


Wagenschein sah mit einer solchen Deutlichkeit die Notwendigkeit und den Erfolg eines offenen genetischen Unterrichts vor sich, daß er im Eintreten für eine in diesem Sinn geeignete Schulreform einen klaren Auftrag für seine zweite Lebenshälfte erkannte. Zu Beginn der fünfziger Jahre ergaben dann Wagenscheins Kontakte im Zusammenhang der Tübinger Resolution ein Diskussionsklima, in dem es möglich und ratsam schien, aus der Untersuchung des exemplarischen Prinzips alle mit dem Genetischen Lehren zusammenhängenden Fragen des geänderten Unterrichtsstils und der Schulreform zu entfalten. (32) Dieser Umstand war zum Teil fatal. In den Sechziger Jahren konnte man nämlich den unbequemen, unverstandenen Wagenschein leicht als Vater des exemplarischen Prinzips ad acta legen, beschäftigt bereits mit der Umsetzung jenes exemplarischen Prinzips in Curricula und äußere Strukturreform. So ist es zutreffend und doch auch wieder unangemessen wie folgt Wagenschein gewissermaßen in Klafkis Theorie der Kategorialen Bildung auf höherer Ebene aufgehoben zu sehen:

„Wie Josef Derbolav (1957) zeigte, hat dieses (exemplarische) Prinzip schon eine lange Tradition, die bis in die Antike zurückreicht. In unserer Zeit hat zuerst Martin Wagenschein für den Bereich der Physik auf die Dringlichkeit exemplarischen Vorgehens hingewiesen. Die endgültige Ausgestaltung erfuhr es durch Wolfgang Klafki. Er spricht mit einer Wendung Otto Willmanns von ‘treibenden Potenzen’, von ‘erschließender Funktion‘ und von ‘Samenkräften‘ exemplarischer Stoffe und konkretisiert diesen Gedanken in seiner ‘Theorie der Kategorialen Bildung‘...“ (33)

Zur Erläuterung dieses Mißverständnisses von Wagenschein als Ahnherren des exemplarischen Prinzips und einer Theorie der Kategorialen Bildung ein Beispiel: An der Stelle, wo Klafki in seinen „Studien zur Bildungstheorie und Didaktik“ den Terminus „Kategoriale Bildung“ einführt, greift er auf der Suche nach einem verdeutlichenden Beispiel auf Wagenscheins Lehrstück „Der Mond und seine Bewegung“ zurück, zitiert ausführlich, um darin aber nicht einen besonderen Unterrichtsstil, ein Unterrichtsverfahren zu erkennen, sondern einen Hinweis zu finden auf ein klassisches, das heißt reines, einfaches, kindgemäßes Bildungsgut. Weil aber Wagenscheins Akzent auf dem Genetischen Lehren doch unübersehbar ist, zieht Klafki den Begriff einer methodischen Bildung mit hinzu. Er erkennt dann das Exemplarische in den Fachmethoden, denn,

„... der Weg ..., d.h. die Fragerichtung und die methodischen Schritte legen notwendigerweise immer schon eine bestimmte Perspektive fest, die die Weise, in der der Inhalt am Ende des Weges aufleuchten wird, im voraus bestimmen.“ (34)

Hätte ein Wagenschein hier nicht widersprochen, der betonte, ein genetischer Lehrgang habe immer Dunkelheit vor sich? Es ist an seine Grundvorstellung vom „Verstehen lehren“ zu erinnern. Genetisches „Verstehen lehren“ weist dem Lehrer nicht in erster Linie die Aufgabe des auf exemplarische Erfahrungen zielenden Lehrganggestalters zu. Er soll zuvörderst ein Verstehensbegleiter sein. Er ist Experte für die genetischen Potenzen einer Unterrichtssituation, für aktuelle Verstehensvorgänge, ahnt, kennt, welche Wege sich dem einzelnen Schüler auftun, welche Barrieren, alternative Wege der Schüler hat. Dabei ist er jedesmal neu selbst ein Lernender. Genetisch „Verstehen lehren“ heißt Lehren in und mit dem Verstehen des Schülers.
Damit ist aber deutlich, daß Klafki, wenn er wahrscheinlich Wagenschein auch nicht mißdeutet, ja ihn sogar in einem bestimmten Aspekt wegweisend weiter ausdeutet, doch die Akzente anders als Wagenschein setzt. Für Klafki besteht weiterhin das zentrale curriculare Problem darin,

„zu klären, welche Grundfragen, welche Grundbegriffe bzw. -konzepte und welche grundlegenden Methoden Schüler auf den verschiedenen Altersstufen sich erarbeiten sollen, um ein jeweils zeitgemäßes, kritisches Selbst- und Weltverständnis und eine entsprechende Handlungsfähigkeit in den wesentlichen Erfahrungs- ; Erkenntnis - und Praxisbereichen zu gewinnen. Die Lösung dieses Problems erfordert allgemeindidaktische und fachdidaktische Kategorialforschung, denn das im Exemplarischen zu repräsentierende Verhältnis von Allgemeinem und Besonderem stellt sich in verschiedenen Bereichen jeweils unterschiedlich dar, z.B. hinsichtlich der Naturerkenntnis und Bewältigung einerseits und des Erkennens und Handelns in historisch -gesellschaftlichen Zusammenhängen andererseits, und es verändert sich im geschichtlichen Prozeß.“ (35)

Diese apriorischen, theoretischen Vorbehalte gegenüber einem praxisverhafteten Didaktiker wie Martin Wagenschein, wie stark müssen sie uns bremsen? Sollen wir zum Beispiel vor dem Unterricht mit einer großen historischen Kirche nicht nach dem aktuellen kategorialen Wert von Begriffen wie „Heilsgeschichte“ oder „traditionsstiftender Glaube“ fragen?
Die Lehrkunstdidaktik von Berg/Schulze weist das offenbar zurück: Klafkis Anspruch sei zu hoch angesetzt. Klafki denke an universelle Kategorien, die dann, wenn sie didaktisch autonom erforscht und damit als elementar bedeutsam erwiesen sind, dem Schüler helfen können, sich die Welt zu erschließen, um gleichzeitig für diese Welt erschlossen zu werden. Dem hält Schulze entgegen, daß solche Kategorien nicht einwandfrei aufweisbar sind, ja selbst immer erst im Unterricht der Erschließung bedürfen. Solche Kategorien wie Macht, Demokratie, Klasse bedürfen ebenso wie die später von Klafki ins Auge gefaßten Schlüsselprobleme - z.B. die Friedens- und Umweltfrage - zuerst ihrer Fundierung in bildungsoffenem Unterricht:

„Schlüsselproblemen gehen Schlüsselthemen voraus. Die Lehrkunstdidaktik versucht in gewisser Weise das Programm einer Didaktik der kategorialen Bildung zu realisieren, doch in einer abgewandelten Form. Sie verzichtet auf einen systematischen Anspruch, auf die Erwartung der Allgemeinheit und Vollständigkeit und rückt näher an die ‘geschichtlich gegebene Bildungswirklichkeit’ heran. Die Ebene der doppelseitigen Erschließung, die ein Lehrstück intendiert, liegt unterhalb der der Allgemeinbegriffe.“ (36)

Schulze spricht daher lieber von Konzepten als von Kategorien. Konzepte lägen bereits als historisch bedeutsame Erschließungsfiguren der Menschheit vor. Sie lassen sich nur schwer systematisieren und nicht vollständig kennenlernen, aber einige von ihnen müssen erworben sein, die in ihnen potentiell angelegten Erfahrungen müssen gemacht sein, damit die Bildungsvoraussetzungen vorhanden sind für den Zugang zu aktuellen Schlüsselproblemen im Sinne Klafkis. Bevor wir also über fundamentale Kategorien oder Schlüsselprobleme verfügen können, müssen wir „... an einem kollektiven Lernereignis der menschlichen Gattung und seiner Umsetzung in eine Handlungsfigur, die es lehrbar macht ...“ (37) teilnehmen.
Für Martin Wagenschein dürfte auch dieses Konzept der traditionellen Bildungswirklichkeit, des ausgewiesenen kollektiven Lernereignisses eine Überanstrengung bedeutet haben. Er trat wie folgt der Dominanz der stofflich-thematischen Auswahlfragen in der Didaktik entgegen

„Welches sind denn in einem Fach ‘exemplarische Themen’ und wofür sind sie es? Was heißt das, dieses Erleuchten des Ganzen ?
So fragen heißt zugleich schon abwehren: Die Antwort sollte nicht einen allgemeingültigen ‘Katalog exemplarischer Stoffe‘ nach sich ziehen. Das wäre der Tod des Verfahrens. Gewiß wird es von der Seite der Sache her nicht gleichgültig sein, welches Thema man sich wählt. Aber auch beim Lehrer ist Ergriffensein notwendig, und das ist immer individuell. Ja es gehört ... auf seiner Seite das Wagnis, die Ungesichertheit wesentlich dazu.“ (38)

Weil Wagenschein weiß, wie individuell, eigendynamisch, prinzipiell offen wirksamer Unterricht sein muß, sind seine Konzepte bescheidener, fließender. Sein Versuch, die Entscheidung des Lehrers durch didaktische Kategorialüberlegungen zu begleiten, führte zu dem Begriff der Funktionsziele eines Faches. Bezeichnend ist dabei: Das wird vom Fach, einer mittleren didaktischen Ebene, nicht von Allgemeindidaktik her erschlossen, es ist also fachlich begrenzt, fachlich konkret. Es ist gefragt: Was ist der Beitrag eines Faches zur allgemeinen(!) Bildung, welche Veränderungen, bildenden Einsichten, welche „Funktionen“ kann und soll ein Fach erzielen? Man braucht also außerdem nicht in erster Linie breit differenzierte Lehrpläne, sondern Überlegungen über solche fachspezifischen fundamentalen Einsichten. Für die Physik hat Wagenschein acht solcher „Funktionsziele“ erläutert, zum Beispiel: „Erfahren, was in der Physik ein ‘Modell’ ist.“ Ebenso könne, um ein zweites Beispiel zu nennen, kein Physikunterricht erfolgreich genannt werden, der nicht die Erfahrung vermittelt hat, „...was in der exakten Naturwissenschaft heißt: verstehen, erklären, die Ursache finden.“(39) Die Physik findet nämlich vorzüglich einfache Erklärungen für vorerst Unglaubliches. Solche einfache Klarheit ist die staunenswerte Seite dieses Denkens für Kinder von klein auf. Noch mehr: sie eröffnet damit Zusammenhänge, die selbst wieder ein größeres Wunder sind. „Das Wunder der sich immer mehr lichtenden Ordnung“ ist eine fundamentale, bildende Erfahrung, die dieses Fach vorzüglich einem heutigen Menschen vermitteln kann. Dazu ist es in der Schule etabliert, und damit korrespondiert es mit den anderen Fächern, konkurrierend und ergänzend. Nach diesem Vorbild müßten nun auch die andern Fächer sich ausweisen. Es gilt aber:

„Wir wissen noch nicht genau, was das exemplarische Verfahren in den einzelnen Fächern bedeuten wird. Gewiß ist seine Notwendigkeit ... Gewiß ist, daß man nicht auf eine Definition warten darf, ehe man anfängt. Der Begriff klärt sich im Tun erst.“ (40)

Ich habe an wichtigen Stellen Komposita mit „Bildung“ oder das Attribut „bildend“ einfließen zu lassen, um einen gesicherten Leitbegriff zu bezeichnen, mit dessen Hilfe wir, ohne einmal erreichte Klärungen in speziellen Fragen gänzlich fallenlassen zu müssen, aus theoretischen Überanstrengungen oder Sackgassen zur Hauptsache zurückfinden können. Wagenschein vermeidet ein allzu unbekümmertes Umgehen mit dem Bildungsbegriff. Er arbeitet lieber mit dem etwas befremdlichen Begriff „Formatio“. Dieser „nüchterne“ Begriff steht äußerlich zwischen Information und Deformation. Formatio ist nach Wagenschein die Bildung, die Informationen (Orientierungen) richtig verwertet, erschließt, ohne dabei durch Vielwisserei oder Absonderung und Beschneidung eines Wissensgebietes zu deformieren. (41) Haben die Bildungstheoretiker der Sechziger und Siebziger Jahre den Akzent nicht lieber auf die Information verlagert? Es ging um Lernen als Erwerb von Instrumenten zur kritischen Orientiertheit in einer zunehmend komplexeren und gefährdeteren Welt.
Wagenschein steht dieser Informatio auch ganz und gar nicht ablehnend gegenüber. Die Wagenscheinsche Dreiheit „exemplarisch-sokratisch-genetisch“ steht unter dem Dach des Genetischen Lehrens. Insofern das eine der darunter mitbefaßten Prinzipien, das exemplarische, aber notwendigerweise Fragen der Stoffauswahl und damit Fragen der Kenntnisvermittlung im Bereich der nicht ausgewählten Gebiete aufwirft, insofern denkt Wagenschein sogar auch an ein genetisches Dozieren oder an ein darlegendes Lehren, das anderen Prinzipien verpflichtet ist, etwa der nachträglichen Systematik des Stoffes. Wagenscheins Gedanken entsprechen dabei Heinrich Roths Begriffspaar vom orientierenden und exemplarischen Lehren. (42) Zwischen die bildenden Pfeiler, die gründlich ausgeführt werden (Formatio) denkt Wagenschein sich gespannte Brücken der schnellen Orientierung (Informatio):

„Man kann den Eindruck haben, es stehe das Genetische Lehren in schroffem Gegensatz zu dozierendem oder gar technisiertem Unterricht. Dieser Gegensatz besteht gewiß, aber nicht im Sinne der Unvereinbarkeit, sondern der gegenseitigen Ergänzung ... nicht jede Kenntnisnahme, nicht einmal jedes Verstehen muß bildend sein. Zwar muß ein formativer Unterricht notwendig einige genetisch-exemplarisch-sokratische Bildungs-Pfeiler setzen ... daneben aber kann es, muß es Informationen, Orientierungen geben ... Unter derartigen im weitesten Sinne programmierten Führungen kann es solche geben, in denen wiederum das genetische (aber kleingeschrieben!) Prinzip maßgebend ist. Andere mögen sogar vom Ergebnis her deduzierend und demonstrierend vorstoßen. (Bei solchen darlegenden Informations- Bögen ist die Kurzstunde nicht nur zulässig, sondern zu empfehlen ... Ebenso ist die Sitzordnung des Hörsaals und eine große Hörerzahl anzuraten ...)“ (43)

Das heißt also: Informatio(n) ist die (gelegentlich entlastende, die Unterrichtsanspannung lockernde) Ergänzung. Das Zentrum des Unterrichts aber bezeichnet Formatio (Bildung).
Heide Oehlerking-Bähre hat den Formatio-Bildungsbegriff seit seinen neuzeitlichen Anfängen in ihrer Dissertation über Wagenschein rekapituliert und neben einer allgemeinen Affinität Wagenscheins zum idealistischen Bildungsbegriff der deutschen geistesgeschichtlichen Tradition eine besonders deutliche Verwandtschaft mit dem praktischen Realismus eines Herder festgestellt. Der Gebildete sei damit einerseits das Gegenbild zum „Rohen“; er sei aber auch nicht unbedingt „gelehrt“. Weiterhin sei es auch nicht so, daß nur bestimmte Gebiete bilden. Nicht die Beschränkung wird von Herder gegenüber der Vielwisserei verlangt. Denn nahezu alle Gebiete, nicht nur Philosophie und Kunst, auch Technik und Sozialwissenschaften können einen Beitrag zur Bildung leisten. (44)
Dieses Dilemma, daß im Prinzip alles bilden kann, aber die verstopfende, desorientierende Vielwisserei zu umgehen ist, ist für die von der Inhaltsseite herangehende Didaktik, eine ständige Herausforderung. Wagenschein stellt sich diesen Fragen sicher letzten Endes doch nicht in ausreichendem Maße: Aber er betont etwas viel Wichtigeres, das Ziel der Bildung selbst, nicht den Katalog ihrer unumgänglichen Stoffe, Themen, Kategorien. Es geht um die Belebung des inneren Menschen, die Förderung der Fähigkeit des Kindes, spontan aus sich selbst heraus lernen zu können, es geht um die Entfaltung der Idee der Humanität (Herder) beim Lernen. Wir dürfen die Frage nach der Auswahl exemplarischer Stoffe bei Wagenschein also so beantwortet sehen: Sucht einfach mit dieser bildungssensiblen Einstellung nach Themen. Vermutlich können es zahllose sein, sicher sind nicht alle gleichermaßen geeignet, aber :

„Das Einzelne, in das man sich hier versenkt, ist nicht Stufe, es ist Spiegel des Ganzen ... Die Spiegelung muß nicht nur das Ganze des Faches - im günstigen Falle das Ganze der geistigen Welt - sie muß auch das Ganze des Lernenden (nicht nur z.B. seine Intelligenz) erhellen. (45)

Ich ergänze deshalb: Damit sich die Beispielhaftigkeit eines Einzelnen entfalten kann, damit exemplarische Stoffe bildend werden können, brauchen wir grundlegend das (in dem voranstehenden Kapitel beschriebene und abgegrenzte) Unterrichtsprinzip des „Genetischen Lehrens“, welches überhaupt das vorrangige Desiderat einer Unterrichtsreform darstellt.
Und im Rückblick auf den letzten Abschnitt fasse ich zusammen: Wagenschein wehrt die Überbewertung der Probleme des exemplarischen Prinzips ab mit dem Hinweis auf Möglichkeiten eines ergänzenden Informationsunterrichts, mit dem Hinweis auf die Vielfalt von geeigneten Stoffen und Wegen der Erschließung von Funktionszielen eines Faches, mit dem Hinweis auf den Vorrang der Formatio des inneren Menschen (Bildung) und das in diesem Sinn wirksame Genetische Lehren.


1) Hentig Hartmut von, Laudatio auf den Empfänger des Preises der Henning-Kaufmann-Stiftung 1985, - Martin Wagenschein, in Neue Sammlung 4/1986. S.448f

2) Aus dem Einbandtext von Verstehen lehren, Weinheim, 1989

3) Vgl. Hentig Hartmut von, Einführung zu Wagenschein Martin, Verstehen lehren, S. 21

4) Willmann Otto, Die genetische Methode, in Ders., Aus Hörsaal und Schulstube, Freiburg 1904, S.149

5) Vgl. Diesterweg Adolf, Wegweiser zur Bildung für deutsche Lehrer, Essen 1850 (4)

6) Klafki Wolfgang, Das pädagogische Problem des Elementaren und die Theorie der Kategorialen Bildung, Weinheim 1959, 1964 (4)

7) Fröbel Friedrich, Ausgewählte Schriften, E.Hoffmann (Hg), Bd. I, S. 72

8) Klafki 1959, S. 356, dort zitiert: Wagenschein Martin, Zum Begriff des exemplarischen Lehrens

9) Willmann Otto, Didaktik als Bildungslehre, Freiburg, Basel, Wien, 1957 (7), S.459

10) Berg Hans Christoph, Methoden genetische, in G.Otto, W. Schulz (Hg), Band 4 Enzyklopädie Erziehungswissenschaften, Methoden und Medien der Erziehung und des Unterrichts, Stuttgart 1985, S. 529-533

11) Willmann (Anm 9), S. 467

12) J.H. Pestalozzi, Sämtliche Werke, Bd.22, E.Dejung (Hg), Zürich 1979, S. 135

13) Wagenschein, Zum Problem des Genetischen Lehrens, in Ders., Verstehen lehren, S. 80f

14) Zum Beispiel:
Rumpf Horst, Die Misere der Höheren Schule (gesammelte Aufsätze), Berlin Neuwied 1966

Ders., Schule gesucht, Tagebuch eines Studienrats (2) ... aus einer erfundenen Schule, Braunschweig 1956

Ders., Anfängliche Aufmerksamkeiten, Was sollen Lehrer können, Wie sollen Lehrer lernen, in Pädagogik, 9/1992, S. 26-31
Ders., Didaktische Interpretationen, Weinheim und Basel 1991

15) Ders., Gegen die Verstopfung der Köpfe, Über Einstiege in der Lehrkunst Martin Wagenscheins, in Pädagogik 10/1992, S. 21f

16) Vgl. zum Beispiel die Geschichtsstunden über Pippin in Rumpf 1968

17) Ders., Wagenschein, in Forum Pädagogik, 3/1990, S. 110 Vgl. auch: Ders., Langsam werden - Den leeren Kopf aushalten - Intensität gewinnen, in Lernen, Ereignis und Routine, Friedrich Jahresheft IV, Velber 1986

18) Bastian Johannes, in Pädagogik 10/92, S.5

19) Wagenschein Martin, Das Exemplarische Lehren als ein Weg zur Erneuerung des Unterrichts an den Gymnasien (1953) in Ders., Naturphänomene sehen und verstehen, Genetische Lehrgänge, Stuttgart 1988 (2), H.Chr. Berg (Hg), S. 177

20) Vgl. Ders., Ein Unterrichtsgespräch zu dem Satz Euklids über das Nicht-Abbrechen der Primzahlenfolge, in Ders., Naturphänome, S. 228-236
Im gleichen Band können als ausgeführte Unterrichtsbeispiele gelten: Das Fallgesetz im Brunnenstrahl, Der antike Beweis für die Irrationalität der Quadratwurzel aus 2, Das Exemplarische Lehren als fächerverbindendes Prinzip: der Satz des Pythagoras. Es gibt aber auch vollständige genetische Lehrgänge, die noch nicht in ihrer Unterrichtsgestalt gedacht sind, also nicht aktual-genetisch, sondern erst historisch-genetisch oder sachgenetisch, zum Beispiel: Die Erfahrung des Erdballs. Beitrag zu einer genetischen Didaktik der Himmelskunde
21) Ders., Zum Problem des Genetischen Lehrens, in Ders., Verstehen lehren, S. 75

22) Vgl. Meyer Hilbert, Rezeptionsprobleme der Didaktik oder wie Lehrer lernen, in B.Adl-Amini u.a. (Hg), Didaktische Modelle und Unterrichtsplanung, Weinheim 1991 (3)

23) Vgl. Wagenschein Martin, Kinder auf dem Wege zur Physik, Weinheim und Basel 1990

24) Koch Lutz, Überlegungen zum erziehenden Unterricht in einer „guten Schule“, in Die Höhere Schule 10/91, S. 315-320, S. 316

25) Vgl. Wagenschein, Zum Problem des Genetischen Lehrens, S.76ff und Ders. Verdunkelndes Wissen, in Verstehen lehren, S. 64 f
Vgl auch:
Weil Simone, Die Einwurzelung, München 1956

26) Vgl. Wagenschein Martin, Über die Aufmerksamkeit, in Ders., Ursprüngliches Verstehen und exaktes Denken, Stuttgart 1965, 5. 351-360
Dort wird angegeben:
Weil Simone, Betrachtungen über den rechten Gebrauch des Schulunterrichts und des Studiums im Hinblick auf die Gottesliebe, in Das Unglück und die Gottesliebe, München 1953

27) Willmann, Didaktik als Bildungslehre, S. 468

28) Wagenschein, Genetisches Lehren (Geistesgeschichte), in Ders., Die pädagogische Dimension der Physik, Braunschweig 1962, 1976 (4), S. 263-275, S. 264

29) Wagenschein, Der antike Beweis für die Irrationalität der Quadratwurzel aus 2. in Ders., Naturphänomene, S. 237-250, S.238

30) Vgl. Nelson Leonard, Die sokratische Methode, in Ders., Vom Selbstvertrauen der Vernunft, Hamburg 1975, S. 191-238, S. 218

31) Willmann Otto, Sokratische Methode, in Reins Enzyklopädisches Handbuch der Pädagogik

32) Vgl. Wagenschein, Erinnerung für morgen, Weinheim und Basel 1989 (2), S. 66ff

33) Memmert Wolfgang, Didaktik in Grafiken und Tabellen, Bad Heilbrunn, 1983, 5. 103

34) Klafki Wolfgang, Kategoriale Bildung, Zur bildungstheoretischen Deutung der modernen Didaktik (1959), in Ders., Studien zur Bildungstheorie und Didaktik, Weinheim und Basel 1963, 1975, S. 25-45, S.41

35) Ders., Exemplarischer Ansatz, in Dank Wagenschein, Martin Wagenschein zum 90. Geburtstag, Neue Sammlung, 4/1986, S. 593-595, 5. 594

36) Schulze Theodor, Lehrstück-Dramaturgie, in Berg/Schulze, Lehrkunst, 1995, 5.361-420, S. 364f

37) A.a.O., S. 368

38) Wagenschein Martin, Zum Begriff des exemplarischen Lehrens, in Ders., Verstehen lehren, S. 38

39) Ders., Das exemplarische Lehren als ein Weg zur Erneuerung des Unterrichts an den Gymnasien. S. 185

Vollständig lauten diese Funktionsziele wie folgt:
„1. Erfahren, was in der exakten Naturwissenschaft heißt: verstehen, erklären, die Ursache finden.
2. Erfahren, wie man ein messendes Experiment ausdenkt, ausführt, auswertet, und wie man aus dem Experiment die mathematische Funktion gewinnt.
3. Erfahren, wie ein ganzes Teilgebiet der Physik sich mit einem anderen in Beziehung setzen und gleichsam darin auflösen läßt.
4. Erfahren, was in der Physik ein „Modell“ ist.
5. Erfahren, wie schließlich - aufbauend auf alles Vorangegangene - der physikalische Forschungsweg selber zum Gegenstand der Betrachtung wird, einer wissenschaftstheoretischen Betrachtung.
6. An einigen Begriffsbildungen erfahren, wie die physikalische Art, die Natur zu lichten, geistesgeschichtlich geworden ist.
7. Erfahren, wie sich das technische (das erfindende) Denken von dem entdeckenden Denken unterscheidet.
8. Erfahren, wie ohne verfrühte Mathematisierung und ohne Modellvorstellungen ein phänomenologischer (und „qualitativer“) Zusammenhang herzustellen ist, der das ganze Grundgefüge der Physik gliedert und zusammenhält.“

40) Wagenschein Martin. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. 7. 1955

41) Vgl. Wagenschein Martin, Ursprüngliches Verstehen und exaktes Denken, Stuttgart 1970, S. 68 und S.120

42) Vgl. Roth Heinrich, Orientierendes und exemplarisches Lehren, in B.Gerner (Hg), Das exemplarische Prinzip, Darmstadt 1963, 1972(5), S. 196-208

43) Vgl. Ders., Zum Problem des Genetischen Lehrens, S.76 ff

44) Vgl. Oehlerking-Bähre Heide, Martin Wagenscheins Beitrag zur Pädagogik und Didaktik - Untersuchung des von ihm entwickelten Genetisch-Sokratisch-Exemplarischen Lehrverfahrens, Diss. Hannover 1992

45) Ders., Zum Begriff des Exemplarischen, in Ursprüngliches Verstehen und exaktes Denken. S. 300



[ vorherige Seite | Hauptseite | nächste Seite ]
Copyright © 1997 Walter Dörfler, ,
[ Letzte Aktualisierung 02.05.98 Walter Dörfler ]