Altersabhängigkeit impliziten sequentiellen Lernens bei gesunden Probanden Implementierung eines standardisierten Normkollektivs für den seriellen Reaktionszeittest

Das implizite Lernen spielt im Alltag eine herausragende Rolle. Hierdurch können Fertigkeiten erlernt werden, um sich im soziokulturellen Umfeld zurechtzufin-den. Während das explizite Gedächtnis dem Temporallappen zugeordnet wird (Corkin et al 2002), wird die Verortung des neuroanatomischen Gebiets...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Böhringer, Moritz
Beteiligte: Rosenow, Felix (Prof. Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Das implizite Lernen spielt im Alltag eine herausragende Rolle. Hierdurch können Fertigkeiten erlernt werden, um sich im soziokulturellen Umfeld zurechtzufin-den. Während das explizite Gedächtnis dem Temporallappen zugeordnet wird (Corkin et al 2002), wird die Verortung des neuroanatomischen Gebiets für das implizite Lernen noch diskutiert. Möglicherweise sind extra-temporale Strukturen hierfür verantwortlich, da der Patient „H.M.“ nach bilateraler medialer Temporallappenresektion implizit, jedoch nicht explizit lernen konnte (Corkin 1968, 2002, Bohbot und Corkin 2007). Um die neuroanatomischen Strukturen näher zu charakterisieren, wird am Epilepsiezentrum Hessen (EHZ) eine Studie bei prä- und postoperativen Epilepsiepatienten mit dem entwickelten seriellen Reaktionszeittest (SRTT) durchgeführt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll zum einen ein altersabhängiges Normkollektiv erhoben werden und die Altersabhängigkeit im impliziten und expliziten Lernen untersucht werden. Methode: Es wurden 103 gesunde Probanden im Alter von 18-75 Jahren mit dem „serial reaction time task“ (SRTT) untersucht, wobei pro Altersgruppe mindestens 20 Teil-nehmer eingeschlossen worden sind. Ausschlusskriterien waren chronische neurologische, psychiatrische (inkl. Alkohol- und/oder Drogenabusus) oder internistische Erkrankungen sowie Störung des Schlafwachrhythmus. Zielsetzung für die Probanden war es, auf visuelle Stimuli schnell und exakt zu reagieren, dabei wurden die Fehler und die Reaktionszeit erfasst. Die Stimulipräsentation erfolgten in 8 Blöcken - zwei randomisierte Blöcke (1 und 6) und sechs Sequenzblöcke (2-5 und 7-8). Aus der Differenz zwischen randomsiertem Block 6 und dem Mittelwert der Blöcke 5 und 7 wurde die implizite Lernleistung bestimmt. Abschließend erfolgte mittels eines Generation Tasks die Überprüfung ob das implizit Erlernte explizit abrufbar ist. Das explizite (verbale) Gedächtnis wurde mittels eines standardisierten neuropsychologischen Verfahrens (Verbaler Lern- und Merkfähigkeitstest (VLMT)) erfasst und daneben wurden die Händigkeit (Edinburgh Handedness Inventory (EHI)) und demografische Variablen (strukturiertes Interview inkl. Selbsteinschätzung zum Lernen) erhoben. Ergebnis: Die Probanden (weiblich 56%, Alter: 45.02 ± SD 15.6, range 19-75 Jahre) verteilten sich wie folgt auf die Altersgruppen: 18-30 Jahre: n=20, 31-40: n=20; 41-50: n=20; 51-60: n=21; 61-75: n=22). Der SRTT erfasste implizites sequentielles Lernen bei Gesunden verschiedenen Alters. Dabei nahmen die Reaktionszeiten im Rahmen des Lernprozesses zu und die Fehlerraten nahmen ab. Dagegen waren die Reaktionszeit und die Fehlerrate in dem randomisierten Block 6 deutlich erhöht. Die Reaktionszeit und die Fehlerrate waren bei den jeweils älteren Gruppen höher als bei den Jüngeren. Be-zogen auf die Reaktionszeit ergab sich ein paralellverschobener Verlauf der Reaktions-zeit. Die implizite Lernleistung (prozedurales Lernen) blieb aber altersunabhängig intakt. Ein Transfer des impliziten Gedächtnisses in das explizite Gedächtnis ließ sich im Rahmen des Generation Task nicht nachweisen. Insgesamt konnte ein Normwertkollektiv generiert werden, das als Vergleich zu Patientendaten verfügbar ist. Das explizite Gedächtnis gemessen an Abruf (VLMT7, 12.4 ± 2.6 SD) und Wiedererkennen (VLMTWK-VLMTF 13.6 ± 2.2 SD) war normal in allen Gruppen verglichen mit der standardisierten VLMT-Normwerttabelle mit einer Verschlechterung der expliziten Lernleistung bei zunehmendem Alter. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass die subjektive Einschätzung der Lernleistung für das explizite Gedächtnis funktioniert, während eine solche Einschätzung seitens der Probanden nicht für implizites Lernen gelingt. Eine Korrelation expliziter und impliziter Gedächtnisleistungen zeigte sich nicht. Diskussion: Der SRTT ist als standardisiertes, computergestütztes Verfahren bei Pro-banden jeden Alters anwendbar und erfasst das implizite Lernen. Zentrale Erkenntnis war, dass das implizite Gedächtnis auch im Alter intakt bleibt und sich nicht wie die explizite Gedächtnisleistung altersabhängig verändert. Die Studie ist als Normkollektiv für weitere (longitudinale) Patientenstudien relevant, um diese Gedächtnisleistungen bei anderen Erkrankungen (z.B. Epilepsie, REM-Schlafverhaltensstörung) zu erfassen. Dazu sind jedoch weitere Studien notwendig. In zukünftigen Studien könnten beispiels-weise eine funktionelle Untersuchung mittels MRT bei Gesunden die neuroanatomischen Korrelate bestimmen.
Umfang:110 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0425