Management pankreatisch-zystischer Neoplasien und Validität der aktuellen Leitlinien; eine retrospektive Datenanalyse eines Patientenkollektivs des Universitätsklinikums Marburg

Im Rahmen dieser retrospektiven Arbeit wurde ein PCN-Patientenkollektiv einer Universitätsklinik im Hinblick auf das erfolgte klinische Management und dem klinischen Verlauf untersucht. Die erhobenen Daten ergeben ein umfassendes Bild des erfolgten klinischen Vorgehens. Der weitaus überwiegende An...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Zumblick, Malte
Beteiligte: Gress, T. M. (Prof. Dr. med.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2020
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Im Rahmen dieser retrospektiven Arbeit wurde ein PCN-Patientenkollektiv einer Universitätsklinik im Hinblick auf das erfolgte klinische Management und dem klinischen Verlauf untersucht. Die erhobenen Daten ergeben ein umfassendes Bild des erfolgten klinischen Vorgehens. Der weitaus überwiegende Anteil von PCN-Patienten (81,7 %) präsentiert sich bei der Erstdiagnose als asymptomatisch. Patienten mit Symptomen werden in der Tendenz häufiger operativ therapiert. Die Prävalenz von HGD oder Karzinomen ist im Studienkollektiv bei der Erstdiagnose mit 4,1 % relativ gering. Dies variiert jedoch stark in Abhängigkeit der jeweiligen PCN-Entität. Der überwiegende Anteil des Studienkollektivs (85,4 %) wurde primär konservativ behandelt. Nur ein geringer Anteil dieser primär konservativ behandelten Patienten entwickelte im Beobachtungszeitraum eine Progression im Sinne des Neuauftreten von ESG-Risikokriterien. Vier Patienten (1,8 % des Studienkollektivs) wurden im Verlauf einer sekundär operativen Therapie zugeführt. Lediglich bei einem der vier sekundär operativ behandelten Patienten zeigte sich histopathologisch ein Karzinom auf dem Boden einer BD-IPMN. Dies entspricht einer Malignom-Inzidenz von 0,53 % der primär konservativ behandelten PCN-Patienten und von 0,56 % aller primär konservativ behandelten BD-IPMN-Patienten innerhalb von 52 Monaten. Bei dem einen Patienten, mit dem Nachweis eines Karzinoms auf Boden einer BD-IPMN, wurde der Progress erst nach einem Zeitraum von 52 Monaten festgestellt. Die in unserer Studie erreichten Zeiträume der Überwachung reichen nicht für eine abschließende Beurteilung der Progressionsrate innerhalb der Fallgruppe der primär konservativ behandelten Patienten aus. Eine weiterführende Langzeitbeobachtung des Studienkollektivs ist notwendig um die Progressionsrate genauer beurteilen zu können. Insgesamt stützen die erhobenen Daten jedoch die Empfehlung der ESG-Leitlinie zu einer Überwachung von IPMN-Patienten solange eine Operationsfähigkeit besteht. Außerdem weisen die durch uns erhobenen Daten daraufhin, dass Patienten mit Risikokriterien in der initialen Bildgebung eine höhere Wahrscheinlichkeit der Progression und damit der Entwicklung eines Karzinoms als Patienten ohne Risikokritieren aufweisen. Diese Daten unterstützen die in der ESG-Leitlinie getroffene Empfehlung, zu einer intensivierten Überwachung von Patienten mit Kriterien der relativen Operationsindikation in der initialen Bildgebung in den Einzelfällen, bei denen eine primäre Operation aufgrund eines erhöhten perioperativen Risikos nicht erzwungen werden soll. Ein alltägliches klinisches Problem stellt die korrekte präoperative Identifikation der jeweiligen PCN-Entität anhand von bildmorphologischen Kriterien dar. Aufgrund des unterschiedlich hohen Potentials zur malignen Entartung der verschiedenen PCN-Entitäten, ist die korrekte Diagnose jedoch maßgeblich für das weitere klinische Vorgehen. Die in unserer Studie festgestellte geringe Spezifität von 77,8 % hinsichtlich der präoperativen Entitätsbestimmung durch radiologische Methoden allein, unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Studien, um die präoperative, bildgebende Diagnostik hinsichtlich der korrekten PCN-Bestimmung weiter zu optimieren. Die in der Literatur aufgeführten Unterschiede in der Prävalenz der verschiedenen PCN-Entitäten in chirurgischen Fallserien und reinen Beobachtungsstudien stellen sich auch in unserer Datenerhebung dar. Die durch uns erhobenen Daten weisen darauf hin, dass die BD-IPMN die Entität mit der höchsten Prävalenz aller PCN darstellt. Es liegt nahe, dass die relativen Häufigkeiten der verschiedenen PCN-Entitäten in chirurgischen Fallserien einer Selektionsbias unterliegen, da die verschiedenen PCN aufgrund ihres unterschiedlichen malignen Potentials und dem unterschiedlich häufigen Vorkommen von Risikokriterien auch unterschiedlich häufig operiert werden. Die festgestellte unterschiedlich hohen Prävalenz von HGD oder Karzinomen in resezierten MD-/MT-IPMN und BD-IPMN (50 % vs. 20 %) unterstreichen die Bedeutung der korrekten präoperativen Diagnose zur Einschätzung des Risikos hinsichtlich des Vorliegens eines Malignoms. Im Rahmen dieser Arbeit wurden die, in der ESG-Leitlinie aufgeführten, Risikokriterien auf ihre statistische Validität anhand eines gemischten Kollektivs von Patienten mit unterschiedlichen PCN-Entitäten überprüft. In unserer Datenerhebung zeigten einige Risikokriterien nach ESG eine Assoziation mit dem Vorliegen von HGD oder eines Karzinoms. Bei anderen ESG-Kriterien konnte keine Assoziation festgestellt werden. In unserer Studie zeigte das Vorkommen von soliden Zystenanteilen die stärkste Assoziation mit dem Vorliegen von HGD oder eines Karzinoms aller ESG-Risikokriterien (Odds Ratio= 7,77). Außerdem zeigten wandständige, kontrastmittelaufnehmende Knötchen ≥ 5 mm (Odds Ratio= 6,25) und < 5 mm (Odds Ratio= 6,30) eine starke Assoziation mit dem Vorkommen von HGD oder eines Karzinoms. Die durch uns erhobenen Daten unterstreichen die Bedeutung von soliden Zystenanteilen und wandständigen Knötchen als wichtige Risikokriterien mit hoher Relevanz für die präoperative Vorhersage des Vorliegens eines Malignoms. Hinsichtlich der Detektion eines Malignoms zeigten die einzelnen Kriterien der absoluten Operationsindikation eine hohe Spezifität (76,9 % - 100 %), jedoch eine niedrige Sensitivität (10,0 % -70,0 %). Die einzelnen untersuchten Kriterien der relativen Operationsindikation zeigten ebenfalls eine hohe Spezifität (73,1 % -94,7 %), jedoch eine niedrige Sensitivität (10,0 %– 60,0 %). Durch eine Kombination von Risikokriterien konnte insbesondere die Sensitivität gesteigert werden. So zeigte das Vorliegen von mindestens einem Kriterium der relativen Operationsindikation eine Sensitivität von 90,0 %. Die höchste Spezifität erreichte die Kombination von mindestens einem absoluten und zusätzlich zwei relativen Risikokriterien. Hier lag die Spezifität bei 100 %. Die hier erhobenen Daten legen nahe, dass die in der ESG-Leitlinie aufgeführten Risikokriterien ein wichtiges Hilfsmittel zur präoperativen Vorhersage des Vorliegens eines Malignoms auch innerhalb eines gemischten PCN-Kollektivs darstellen. Hierbei sollte jedoch nicht jedes einzelne Kriterium isoliert betrachtet, sondern immer alle ESG-Risikokriterien herangezogen werden. Die vorliegenden Daten deuten darauf hin, dass durch die oben aufgeführten Kombinationen von Risikokriterien die diagnostische Genauigkeit gesteigert werden kann. Bemerkenswert und nicht zu vernachlässigen ist, dass ein Patient mit HGD auf dem Boden einer BD-IPMN durch die ESG-Kriterien nicht erkannt worden wäre. Dieser Fall macht deutlich, dass neben den in der Leitlinie getroffenen Empfehlungen, auch die individuelle Patientensituation in der Therapieplanung berücksichtigt werden muss. Denkbar und grundsätzlich wünschenswert wäre die Entwicklung eines präoperativen Risikoscores zur Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens eines Malignoms für PCN-Patienten. Ein Ziel eines solchen Scores wäre, die präoperative Risikoeinschätzung zu vereinfachen und zu verfeinern, um damit das klinische Management dieser Patienten zu optimieren. Ein solcher Score sollte optimalerweise die in der Literatur verfügbaren Daten, hinsichtlich der unterschiedlich starken Assoziation der verschiedenen Risikokriterien zum Vorliegen eines Malignoms, berücksichtigen. Die uns bisher vorliegenden Daten reichen jedoch noch nicht aus um einen solchen Score zu entwickeln. Weitere, langfristig angelegte Studien sind notwendig, um das biologische Verhalten der verschiedenen PCN besser zu verstehen und das klinische Management von PCN-Patienten zu optimieren.
Umfang:90 Seiten
DOI:10.17192/z2020.0376