Veränderung der Herzratenvariabilität nach Erhöhung der Baroreflexsensitivität durch systolisches Extinktions-Training bei Fibromyalgie-Patienten

Die Fibromyalgie, eine generalisierte muskuloskelettale Schmerzerkrankung, ist charakterisiert durch chronischen Schmerz, nicht erholsamen Schlaf, Fatigue und neuropsychologische Beeinträchtigung gemäß den ACR Kriterien von 1999, 2010 und 2016. Es existiert eine Vielzahl von Komorbiditäten wie Hyper...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Krohn, Christian
Beteiligte: Thieme, Kati (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2019
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Fibromyalgie, eine generalisierte muskuloskelettale Schmerzerkrankung, ist charakterisiert durch chronischen Schmerz, nicht erholsamen Schlaf, Fatigue und neuropsychologische Beeinträchtigung gemäß den ACR Kriterien von 1999, 2010 und 2016. Es existiert eine Vielzahl von Komorbiditäten wie Hypertonie, Reizdarmsyndrom, Schlafstörungen, Depression oder „Chronic fatigue syndrome“. Gemäß der AWMF Leitlinie zur Ätiopathogenese, Diagnostik und Therapie der Fibromyalgie (2018) werden regelmäßiges Aerobes Training, Antidepressiva, Kognitive oder Operant-behaviorale Therapie (CBT/OT) als Standardtherapien empfohlen. Schmerzmedikamente, Diäten und alternative Schmerzmedizin werden diskutiert, jedoch meist mit wenig Erfolg. Die Ätiologie der Erkrankung ist nach wie vor Gegenstand der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion. Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass eine sympathikovagale Dysbalance ursächlich sein könnte; es wurden eine verringerte Herzratenvariabilität (HRV) sowie eine Verringerung der Baroreflexsensitivität (BRS) bei Fibromyalgie Patienten nachgewiesen. Am Institut für Medizinische Psychologie in Marburg wurde ein fünfwöchiges, 20 Stunden umfassendes Therapieprotokoll entwickelt, bestehend aus OT und einer kardialen getriggerten Elektrostimulation, genannt SET (Systolisches Extinktions-Training). Das SET wurde mit zwei Kontrollgruppen im Rahmen einer RCT-Studie mit indikativer Zuweisung verglichen und zeigte hierbei einen großen Effekt auf die primären Outcomes (nach IMMPACT) im Sinne von Schmerzremission, Verbesserung der physischen Funktionalität und affektiver Verstimmung. Erstmalig konnte eine langfristige Remission des Schmerzes berichtet werden. Das Ziel dieser Dissertation ist es, den zugrunde liegenden Mechanismus der Schmerzremission mit Hilfe von BRS und HRV bei Fibromyalgie Patienten zu untersuchen. Es nahmen 80 weibliche Fibromyalgie Patienten an der Therapiestudie zur Erfassung der Mechanismen des SET teil. Diese wurden vor und nach Therapie in einem mehrphasigen Stressexperiment hinsichtlich ihrer Stressreaktivität untersucht. Ausschließlich Patienten mit einem hypertonen Stressreaktionsmuster wurden in die Studie eingeschlossen, da eine Pilotstudie in unserem Institut zeigte, dass diese Subgruppe von FM Patienten von SET profitieren könnte. Die Ergebnisse verifizierten die Hypothesen. Es zeigte sich eine signifikante Erhöhung der BRS und HRV nach SET, welche auf eine Erhöhung der parasympathischen Aktivität hindeuten. Die mit SET behandelten Patienten reagierten nach Therapie auf einen physischen (Druckschmerz) und einen mentalen (Kopfrechnen) Stressor mit einer signifikanten Erhöhung der BRS verbunden mit Schmerzremission. Nach der aktuellen Literatur wird die BRS durch operante Konditionierung erhöht. SET aktiviert die BRS durch schmerzhafte und schmerzfreie kardial-getriggerte Stimuli, vermittelt über klassische und operante Lernprozesse, die zur Aktivierung des dorsomedialen Nucleus tractus solitarii (dmNTS) führen. In der Folge kommt es zur Regulation der für den NTS typischen Funktionen. Die Patienten haben eine gesunde Reaktion auf verschiedene Stressoren wiedererlernt, wobei eine Erhöhung des Blutdrucks den Baroreflexbogen aktiviert, eine Feedbackschleife über den NTS, welcher in einer Aktivierung des parasympathischen Nervensystems und einer endogenen Schmerzhemmung mündet. Perspektivisch betrachtet sollten zukünftige Studien einen langfristigen und anhaltenden Effekt des SET in größerer Fallzahl, mit einem Follow-up von 12 Monaten und einer Therapie in mehreren Zentren, replizieren. Unter diesen Voraussetzungen ist es denkbar, dass Kombinationstherapien wie das SET eines Tages einen festen Stellenwert in der multimodalen Therapie der Fibromyalgie und anderer chronischer Schmerzerkrankungen einnehmen werden.
Umfang:102 Seiten
DOI:10.17192/z2019.0194