Analyse der Acinetobacter lwoffii F78-induzierten proinflammatorischen Signale und der epigenetischen Veränderungen in CD4+ T-Zellen anhand eines in vitro Zellkulturmodells

Anlässlich für die in den letzten Jahrzehnten stetig steigenden Prävalenzen von Asthma bronchiale in industrialisierten Ländern werden neben einer genetischen Prädisposition vor allem Umweltfaktoren verantwortlich gemacht [177]. Die „Hygiene-Hypothese“ geht davon aus, dass mikrobielle Stimuli allerg...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Kilic-Niebergall, Esma
Beteiligte: Renz, Harald (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2019
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Anlässlich für die in den letzten Jahrzehnten stetig steigenden Prävalenzen von Asthma bronchiale in industrialisierten Ländern werden neben einer genetischen Prädisposition vor allem Umweltfaktoren verantwortlich gemacht [177]. Die „Hygiene-Hypothese“ geht davon aus, dass mikrobielle Stimuli allergieprotektiv wirken [194, 195]. Epidemiologische Studien konnten bislang eine Reduktion allergischer Erkrankungen durch Exposition gegenüber mikrobiellen Komponenten im bäuerlichen Umfeld belegen [186, 187]. Infolge wurde der apathogene, gram-negative Keim A. lwoffii F78 aus dem Stallstaub traditioneller Kuhställe isoliert [189-191]. Im Tiermodell führte die intranasale Applikation mit dem Modellkeim A. lwoffii F78 an OVA-sensibilisierte und -provozierte BALB/c-Mäuse zu einer signifikanten Reduktion des asthmatischen Phänotyps [198]. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde speziell die Wirkung der Totkeim-Exposition von A. lwoffii F78 auf die allergische Sensibilisierungs- bzw. Entzündungsreaktion in einem akuten Mausmodell der allergischen Atemwegsentzündung untersucht. Sowohl bei der Lebend- als auch bei der Totkeim-Exposition (EtOH abgetötet) von A. lwoffii F78 resultierte die intranasale Behandlung in einer signifikanten Reduktion des asthmatischen Phänotyps. So war die Entwicklung der Atemwegshyperreaktivität, Eosiniphilie als auch die TH2-Zytokinproduktion in der BAL signifikant erniedrigt. Auch die histologische Auswertung der Lungen ließ einen stark verminderten pulmonalen Entzündungsgrad und eine deutlich reduzierte Anzahl an mukusproduzierenden Becherzellen sowie eosinophilen Granulozyten in den Atemwegen aufweisen. Die erfolgreiche Reproduktion der Phänotypen führte in erwünschter Weise zur Entstehung eines protektiven, immunmodulatorischen Effekts von A. lwoffii F78, wobei dieser Effekt von der Totkeim-Exposition nicht beeinflusst wird. Es ist bekannt, dass das proinflammatorische Zytokinmilleu eine wichtige Rolle bei der transmaternalen Asthmaprotektion spielt, welche durch die pränatale Exposition mit dem Keim A. lwoffii F78 vermittelt wird [198]. Innerhalb der eigenen Arbeitsgruppe konnte gezeigt werden, dass die A. lwoffii Exposition der Muttertiere eine Aktivierung des angeborenen Immunsystems zur Folge hat, die mit einer Erhöhung der Zytokine IL-6 und TNFα einhergeht und essentiell für den Asthma-Schutz der Nachkommen ist [198]. In der vorliegenden Arbeit wurde ein in vitro T-Zellsystem etabliert, dass eine genauere Untersuchung der zu Grunde liegenden zellulären und molekularen Mechanismen erlaubt, die unter Beteiligung der innaten und adaptiven Immunantwort eine Rolle bei der Mediation der mikrobiell induzierten Asthmaprotektion durch A. lwoffi F78 und Cholera Toxin spielen. Dazu wurde zunächst die in vitro Analyse des proinflammatorischen Zytokinprofils von Zellen des innaten Immunsystems (murine Makrophagen-Kulturzellen und Peritoneal-makrophagen) nach Stimulation mit A. lwoffi F78 in einer Kinetik durchgeführt. Erwartungsgemäß führte die Stimulation mit A. lwoffi F78 (Lebend-/Totkeim-Exposition) zu einem dosisabhängigen Anstieg der proinflammatorischer Zytokine IL-6 und TNFα auf Proteinebene. Die Stimulation mit CTB zeigte ein ähnliches Zytokinsekretionsmuster von IL-6 und TNFα, wogegen die Behandlung mit dem Cholera Toxin Gesamtprotein (CT) die proinflammatorische Zytokinproduktion nicht beeinflusste. Im zweiten Teil der in vitro Versuchsreihe wurden die Auswirkungen der A. lwoffii F78 stimulierten Makrophagen-Kulturüberstände, die ein signifikantes Expressionsniveau von IL-6 und TNFα aufweisen, auf naive CD4+ T-Zellen in einem im Rahmen der vorliegenden Arbeit etablierten in vitro T-Zellsystem untersucht. Mittels dieser Versuche konnte ein signifikanter Anstieg der T-Zell Zytokinproduktion von IL-17A, IL-10 und IL-13 in CD4+ T-Zellen festgestellt werden. Auch die mRNA-Expression spiegelte in etwa die auf Proteinebene beobachtete Konstellation wieder. Durch den Zusatz rekombinanter Proteine (rhIL-6 und rhTGFβ) bei der in vitro Kultivierung der naiven CD4+ T-Zellen konnte ebenfalls ein signifikanter Anstieg der Zytokine IL-17A, IL-10 und IL-13 detektiert werden. Diese Ergebnisse zeigen, dass das A. lwoffii F78 induzierte proinflammatorische Zytokin IL-6 der innaten Immunzellen (Makrophagen) für die Polarisierung und Sekretion von IL-17A, IL-10 und IL-13 in CD4+ T-Zellen verantwortlich ist. Bei der T-Zell Zytokinproduktion von IL-17A durch Kultivierung von naiven CD4+ T-Zellen mit Cholera Toxin (CT und CTB)- stimulierten Makrophagen-Kulturüberständen spielt das IL-6 jedoch keine zentrale Rolle. In diesem Zusammenhang spielt hier möglicherweise das IL-21, dass bekannter Weise über einen alternativen Signalweg zur Expression von IL-17A befähigt ist, eine entscheidende Rolle bei der Ausrichtung der T-Zellantwort über Cholera Toxin (CT und CTB)-induzierte proinflammatorische Zytokine. Die in diesen Studien erhobenen Daten tragen zu einer Komplettierung und Erweiterung des in vitro Modells der T-zellvermittelten Immunantwort durch mikrobielle Stimuli bei. Erstmals wurden hier immunregulatorische Einflüsse der innaten Immunantwort von A. lwoffii F78 und Cholera Toxin (CT und CTB) auf die in vitro Zytokinexpression der nachgeschalteten, adaptiven Immunantwort einbezogen. So konnte neben den bekannten Subpopulationen ein weiterer unabhängiger T-Helferzell-Subtyp, der IL-17A und IL-10 produzierenden TH17-Zellen, durch die indirekte Stimulation von A. lwoffii F78- bzw. Cholera Toxin-induzierten Zytokinen identifiziert werden. Die oben aufgeführten Zusammenhänge der mediatorvermittelten Interaktion zwischen angeborener und erworbener Immunabwehr über mikrobielle Stimuli im inflammatorischen Geschehen, weisen zumindest in der Theorie vielfältige Perspektiven auf. Denkbar ist unter anderem eine Antagonisierung beteiligter proinflammatorischer Zytokine des TH17-Signalweges oder weiterer Mediatoren bei der Induzierung anti-allergischer, anti-inflammatorischer Signalwege, wie z.B. Chemokin-Antworten. Eine Induktion der kürzlich entdeckten TH17-Zellen durch ein bäuerliches Umfeld, die durch die IL-17-Sekretion regulativ auf die TH1/TH2-Balance einwirken könnte wird in diesem Zusammenhang diskutiert [137]. Um die potentielle allergoprotektive Wirkung des Cholera Toxin bei der mikrobiell vermittelten Asthma-Protektion in vivo zu charakterisieren, wurde im letzen Teil der Arbeit die intranasale Exposition des Cholera Toxin (CT und CTB) im akuten Modell der allergischen Atemwegsentzündung untersucht. Die Charakterisierung des asthmatischen Phänotyps zeigte für die Exposition mit dem CT Gesamtprotein, einen protektiven Effekt auf die Entwicklung des experimentellen Asthma im Mausmodell. Die Behandlung resultierte in einer signifikanten Reduktion der TH2-Zytokine sowie der eosinophilen Granulozyten sowohl in der BAL als auch im Gewebe. Weiterhin zeigten diese Tiere eine tendenzielle Verbesserung der Atemwegsreagibilität. Daneben fanden sich keine Hinweise auf die Initiation einer allergenspezifischen TH1-Antwort (IFNy). Die Analyse der in vivo CTB Exposition zeigte stark erhöhte Konzentrationen der eosinophilen Granulozyten sowohl in der BAL als auch im Gewebe, so dass ein protektiver Effekt ausgeschlossen werden konnte. Um die Relevanz der veränderten proinflammatorischen Zytokinproduktion zu untersuchen wurde nach der in vivo Kurzzeitstimulation mit Cholera Toxin (CT und CTB), die Produktion von IL-6 und TNFα lokal und systemisch untersucht. Die Spiegel der BAL-Zytokindaten korrelierten mit den Resultaten der in vitro Experimente. Die Exposition mit CT zeigte keine Induktion der lokalen Zytokinproduktion von IL-6- und TNFα. Damit sprechen die Daten dieser Arbeit für ein protektives Potential von Cholera Toxin (Wildtyp Gesamtprotein) im Zusammenhang mit allergischem Asthma bronchiale. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die durch Cholera Toxin induzierten Immunmodulations-wirkungen des Zytokinmilleus einen vielversprechenden Ansatz zur Untersuchung IL-6 unabhängiger Signalwege darstellen, die eine Rolle bei der Mediation der anti-allergischen Immunantwort durch Cholera Toxin spielen. Auch wenn die beobachteten Effekte nicht auf eine isolierte „Verdrängung“ einer TH2- durch eine TH1-Immunantwort zurückzuführen sind, scheint ein Zusammenhang zu einer parallel bestehenden TH17-Antwort über IL-6 unabhängige Signalwege wahrscheinlich. Diese mögliche TH17- Immunantwort könnte auf eine allergenspezifische TH2-Antwort gegenregulatorisch wirken und letzten Endes für den anti-allergischen, protektiven Effekt verantwortlich sein. Das hier vorgestellte Mausmodell bietet erstmals die Möglichkeit, Immunmodulationswirkungen des Cholera Toxin in einem akuten Modell der allergischen Atemwegsentzündung zu untersuchen und eröffnet damit neue Perspektiven zur Erforschung der mikrobiell vermittelten Allergieprotektion. Daneben ergeben sich auch interessante Ausblicke für einen möglichen Einsatz des Cholera Toxin in der Immuntherapie des allergischen Asthma beim Menschen. Derzeit stehen bakterielle Antigene im Fokus neuer Behandlungsstrategien bei der Entwicklung einer präventiven Allergenimpfung zur Behandlung von allergischen Erkrankungen. Von erheblicher Bedeutung ist hierbei jedoch nicht die isolierte Einzelsubstanz. Wirkungsvollere Keimcocktails mit unterschiedlichen mikrobiellen Bestandteilen werden im Ganzen betrachtet. Das Wechselspiel der Keime, so früh wie möglich, d.h. während der Reifung und Programmierung des Immunsystems könnte zu einer Toleranzentstehung führen, um eine erfolgreiche Protektion vor Allergie und Asthma zu ermöglichen.
Umfang:207 Seiten
DOI:10.17192/z2019.0137