Test-Retest Reliabilität von fMRT-Paradigmen: Wortgenerierung und Subliminale Präsentation emotionaler Stimuli

Hintergund: Die funktionelle Magnetresonanztomographie hat seit ihrem Einsatz in der medizinischen Diagnostik Anfang der 1990er Jahre die Forschungslandschaft der Psychiatrie und Neurologie grundlegend verändert. In rasanter Geschwindigkeit sind seither Annahmen über die neurologischen Korrelate de...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Krohn, Victoria
Beteiligte: Jansen, Andreas (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2018
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Hintergund: Die funktionelle Magnetresonanztomographie hat seit ihrem Einsatz in der medizinischen Diagnostik Anfang der 1990er Jahre die Forschungslandschaft der Psychiatrie und Neurologie grundlegend verändert. In rasanter Geschwindigkeit sind seither Annahmen über die neurologischen Korrelate der menschlichen kognitiven Fähigkeiten untersucht und die Übertragung der Erkenntnisse in therapeutische Bereiche in den Rahmen des Möglichen gerückt worden. Wissenschaftliche Standards für die Messung und Interpretation der Ergebnisse hinken dieser Entwicklung allerdings noch hinterher (Bennet und Miller, 2010). Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es demzufolge, die Reliabilität der fMRT-Messung unterschiedlicher kognitiver Aufgabenbereiche zu untersuchen. Die Paradigmen dieser Arbeit werden im Kontext der Studie ‚Erfassung von Wirkungen genetischer Risikovarianten für psychische Störungen auf Gehirnstruktur und –funktion bei Gesunden und Erkrankten’ verwendet. In dieser Studie wird unter anderem die neuronale Aktivität und funktionelle Konnektivität mittels fMRT-Paradigmen im zeitlichen Verlauf bei einem gesunden und erkrankten Probandenkollektiv untersucht und auf Risikovarianten überprüft. Da es sich hierbei um eine Longitudinalstudie handelt, ist es essentiell, dass die gewonnenen fMRT-Daten der jeweiligen Paradigmen keine zufälligen Messfehler darstellen und möglichst über einen längeren Zeitraum vergleichbar sind. Methoden: In einem Test-Retest-Verfahren wurden mittels fMRT-Untersuchung 20 gesunde Proband_innen im Abstand von 28,4 ± 6,0 Tagen gemessen. Aus den gewonnenen Daten der beiden Messungen folgte zunächst eine qualitative Überprüfung der Überlappung der Aktivierungsareale. Im Anschluss wurde eine statistische Rechenanalyse mithilfe des sogenannten ICC-Wertes (Intra-Class Correlation Coefficient) durchgeführt. Darauf basierend fand eine Bewertung der Zuverlässigkeit der Aktivierungswerte hinsichtlich ihrer Reproduzierbarkeit statt. Die Messungen überprüften insgesamt fünf verschiedene Domänen kognitiver Hirnfunktionen in sechs Paradigmen: das Ruhenetzwerk (Resting State), die semantische Wortgenerierung (Verbal Fluency, WG), das Einspeichern und Abrufen innerhalb des episodischen Gedächtnisses (Encoding und Retrieval), die Verarbeitung subliminal präsentierter emotionaler Stimuli (Subprime, SPES) und das Arbeitsgedächtnis (n-back). In dieser Arbeit wurde schwerpunktmäßig die Reliabilität des WG und des SPES- Paradigmas untersucht. Ergebnisse: Sowohl die WG- als auch die SPES-Aufgabe zeigten überwiegend erwartungsgemäß aktivierte Hirnregionen, welche sich in der Auswertung der qualitativen Darstellung mittels Cluster-Überlappungsmethode und der Rechenanalyse jedoch erheblich unterschieden. Die WG-Aufgabe erzeugte deutlich mehr Aktivierungen während der Kontrollphase. In der Cluster-Überlappungsmethode überlappten sich hauptsächlich die Deaktivierungsareale und statistisch bestätigten die errechneten Reliabilitäten eine insgesamt schlechte Reliabilität des Paradigmas. Hinsichtlich der SPES-Aufgabe zeigten sich in der Auswertung die charakteristischen Aktivierungsregionen der Gesichterverarbeitung und auch in der Reliabilitätsanalyse für das aktivierte und das deaktivierte Netzwerk verhältnismäßig hohe mediane ICC-Werte im moderaten bis guten Reliabilitätsbereich. Die Überprüfung der subliminal stimulierten Emotionsverarbeitung am Beispiel der Emotion Angst wies demhingegen nur geringe Aktivitäten und für die charakteristischen Regionen eine niedrige Reliabilität auf. Zusammenfassend gilt die Reliabilität der SPES-Aufgabe somit als moderat bis gut zu beurteilen. Diskussion: In der Beurteilung der Ergebnisse müssen viele Aspekte Beachtung finden, um die Frage der Übertragbarkeit auf Messungen der Rahmenstudie und auch andere Probandenkollektive beantworten zu können. Zunächst ist die Varianz der erhobenen fMRT-Daten wesentlich von experimentellen und technischen Bedingungen sowie dem experimentellen Design abhängig (Bennet und Miller, 2013). Trotz guter technischer Bedingungen zeigten sich in dieser Studie experimentelle Defizite hinsichtlich des Probandenkollektivs. Zudem wirkten sich verschiedene Mängel im experimentellen Design beider Paradigmen auf die geringe Reliabilität aus. Als weiterer Aspekt muss die Reliabilitätsanalyse anhand der ICC-Werte hinterfragt werden. Sie entspricht zwar dem aktuellen Stand der Reliabilitätsüberprüfung, weist jedoch ebenfalls große Defizite in der Übertragung auf andere Probandenkollektive auf (Fliessbach et al., 2010). Fazit: Aufgrund der geringen Reliabilität der in dieser Arbeit untersuchten Paradigmen müssen Ergebnisse im Kontext anderer Studien, wie beispielsweise der Rahmenstudie, mit großer Vorsicht interpretiert werden. Hinsichtlich zukünftiger Forschungserkenntnisse mittels fMRT-Daten wäre es notwendig, einen übertragbaren Standard in der Reliabilitätsmessung festzulegen, um vor allem für zukünftige diagnostische und therapeutische Anwendungen zuverlässige Grundlagen zur Verfügung zu stellen.
Umfang:127 Seiten
DOI:10.17192/z2018.0341