„Travelling the same painful road“? Irisch-südafrikanische Unabhängigkeitsbestrebungen, ihre Verflechtungen und ihr Beitrag zur Transformation des Empires, 1899–1949

Diese Arbeit untersucht, inwiefern Analogien zwischen den beiden Dominions Irland und Südafrika bestanden und welche Erwartungen und Auswirkungen sich hieraus für die jeweiligen nationalistischen Bewegungen sowie für das British Empire ergaben. Thematisiert werden die irisch-südafrikanischen Para...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Fortenbacher-Nagel, Katja
Beteiligte: Stuchtey, Benedikt (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2017
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Diese Arbeit untersucht, inwiefern Analogien zwischen den beiden Dominions Irland und Südafrika bestanden und welche Erwartungen und Auswirkungen sich hieraus für die jeweiligen nationalistischen Bewegungen sowie für das British Empire ergaben. Thematisiert werden die irisch-südafrikanischen Parallelen hinsichtlich Sprache und Religion, der Stellung im British Empire als Dominions, der (teilweise) aufeinander Bezug nehmenden Nationalismusbewegungen und der Gewalterfahrungen. Die Untersuchung von privaten Korrespondenzen, Parlamentsdebatten, Reden und Zeitungsartikeln ergab, dass diese Kategorien zeitgenössisch häufig verwendet wurden, um scheinbare Ähnlichkeiten zum jeweils anderen oder das Recht auf Unabhängigkeit zu belegen. Des Weiteren wird herausgearbeitet, welche Akteure auf diese Parallelen hinwiesen, sie bildeten oder verbreiteten und mit welcher Motivation dies jeweils geschah. Die Tatsache, dass sowohl Irland als auch Südafrika (zeitweise) als die „troublemakers“ des British Empire galten und somit die Stabilität des Empiregefüges gefährdeten, erklärt, warum auch britische Quellen entsprechende Vergleiche anstellten und besonderes Interesse daran hatten, dass die irischen Unabhängigkeitskämpfe der 1920er Jahre dem inzwischen weitgehend kooperierenden Südafrika nicht als Vorbild dienten. Durch die Diskussion der Verflechtungen zwischen den beiden Ländern sowie den daraus resultierenden Erwartungen und Konsequenzen wird ein Beitrag zur Analyse der irisch-südafrikanischen Verbindungen und zur Geschichte des British Empire bzw. Commonwealth geleistet. Die umfangreiche Auswertung südafrikanischer Zeitungen in englischer und afrikaanser Sprache ergänzt die ebenfalls untersuchten politischen Quellen und ermöglicht es, die Haltung der breiten Bevölkerung in die Diskussion miteinzubeziehen. Aufgrund dieser Quellenbestände kommt diese Arbeit stellenweise zu gegenteiligen Ergebnissen als die wenigen bislang zu diesem Themenkomplex erschienenen Aufsätze. Um 1900 identifizierten sich viele Iren in hohem Maße mit den nach Unabhängigkeit strebenden Buren und übertrugen das Schicksal der Afrikaaner auf ihr eigenes, was der irischen Unabhängigkeitsbewegung zu neuem Antrieb verhalf. Von einer vermeintlichen Ähnlichkeit ausgehend, entsandte die irische Führung Personen nach Südafrika, die dort „the truth about Ireland“ verbreiten und somit der britischen Propaganda entgegenwirken sollten. Die Analyse der in südafrikanischen Zeitungen erschienenen Leserbriefe sowie der archivierten Korrespondenzen irischer, britischer und südafrikanischer Akteure zeigte jedoch, dass sich die von Südafrika ausgehenden Sympathiebekundungen auf Einzelpersonen beschränkten. Südafrika nahm vor allem auf einer offiziell-politischen Ebene – beispielsweise durch Smuts’ Vermittlertätigkeit oder Hertzogs Vorarbeit an der Balfour Declaration bzw. am Statute of Westminster – Anteil an den irischen Unabhängigkeitsbestrebungen. Erst in den 1930er Jahren verwiesen burische Nationalisten auf Irlands Vorbildcharakter hinsichtlich der Republikwerdung und erweckten den Eindruck, dass die Sympathien und Unterstützungsbekundungen bereits während der Hochzeit der irischen Freiheitskämpfe in Südafrika weit verbreitet und sichtbar waren. Die Quellenauswertung führte jedoch zu einem gegenteiligen Fazit. Die Analogien zwischen Irland und Südafrika wurden über einen Zeitraum von rund 40 Jahren sowohl von Akteuren der beiden Länder als auch von Großbritannien konstruiert und zu verschiedenen Zwecken instrumentalisiert. Während sich irischstämmige Akteure noch zu Beginn der 1920er Jahre durch die Analogienbildung eine Zunahme der südafrikanischen Unterstützer versprachen, nahm die Kritik an einer unreflektierten Parallelisierung im Laufe der Zeit zu. In der britisch dominierten südafrikanischen Presse wurden komplizierte Sachverhalte durch den Verweis auf vermeintliche Parallelen meist vereinfacht dargestellt und Leser, denen es an Hintergrundwissen fehlte, durch wenige Schlagworte in ihrer Meinungsbildung stark beeinflusst. Es ist festzustellen, dass Südafrika ein wichtiger Faktor für die irische Nationalismusbewegung war, wenn auch das südafrikanische Engagement für die irische Unabhängigkeit vor allem auf offizieller Ebene erfolgte und dabei immer hinter den irischen Erwartungen zurückblieb. Die südafrikanische Bevölkerung, inklusive der – wie gezeigt werden konnte – äußerst heterogenen irischen Diaspora in Südafrika, nahm im Allgemeinen wenig Anteil an den Ereignissen in Irland. Die Überzeugung irischer Akteure, in Südafrika einen verlässlichen Unterstützer gefunden zu haben, der viele Ähnlichkeiten zur eigenen Geschichte aufweist, beruhte folglich mehr auf einem Wunschdenken als auf Tatsachen. Irische und südafrikanische Politiker waren gleichermaßen davon überzeugt, das British Empire entscheidend verändert zu haben. Hertzog schrieb dies seiner Mitarbeit an der Balfour Declaration zu, während man in Irland im Anglo-Irischen Vertrag den irischen Beitrag zur Umgestaltung des British Empire sah, das sich von einem stark hierarchischen System zu einem Staatenverbund gleichberechtigter Mitglieder entwickelte. Die Transformation des Empire war ein Prozess, der durch viele Ereignisse vorangetrieben wurde. Diese Arbeit zeigt, dass Irland und Südafrika aufgrund ihres konstitutionellen Status, ihrer Bevölkerungsstruktur und ihres Verhältnisses zu Großbritannien hierbei eine Schlüsselposition innerhalb des British Empire einnahmen.
Umfang:456 Seiten
DOI:10.17192/z2018.0221