Einfluss von Gen und Umwelt auf die psychische Gesundheit – Der Effekt der Risikovariante CACNA1C rs1006737 und relevanter Schizophrenie Umweltrisikofaktoren auf schizotype Merkmale bei gesunden Probanden

In den vergangenen Jahren wurde viel zur Ätiologie der Schizophrenie ge- forscht. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) wurden zahlreiche Ge- ne identifiziert, die mit der Entstehung einer Schizophrenie in Verbindung ge- bracht werden konnten. Zu diesen Risikogenen gehört auch CACNA1C (Crad-...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Drexler, Rebecca
Beteiligte: Kircher, T. (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2015
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:In den vergangenen Jahren wurde viel zur Ätiologie der Schizophrenie ge- forscht. In genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) wurden zahlreiche Ge- ne identifiziert, die mit der Entstehung einer Schizophrenie in Verbindung ge- bracht werden konnten. Zu diesen Risikogenen gehört auch CACNA1C (Crad- dock et al., 2005; Burton et al., 2007; Ferreira et al., 2008; Ripke and Schizo- phrenia Working Group of the Psychiatric Genomics Consortium, 2014). CAC- NA1C kodiert für einen Calciumkanal der unter anderem im ZNS exprimiert wird (Soldatov, 1994; Casamassima et al., 2010). Neben Risikogenen wur- den auch Umweltrisikofaktoren entdeckt, die für die Entstehung einer Schizo- phrenie mitverantwortlich sind. Zu ihnen gehören: Kindheitstraumata, exzes- siver Cannabisgebrauch in der Jugend, Migration, Geburtskomplikationen, Ge- burt in Wintermonaten, Urbanizität, hohes Alter des Vaters und Schädel-Hirn- Traumata (van Os et al., 2008). Da selten nur ein einziger Risikofaktor vorliegt, stellt sich die Frage, wie die einzelnen Risikofaktoren zusammen wirken und sich bei gemeinsamen Vorliegen auf das Erkrankungsrisiko einer Schizophre- nie auswirken. Dies lässt sich anhand sogenannte Gen-Umwelt-Interaktions- studien ermitteln. Vorangegangene Studien konnten zeigen, dass das Vorlie- gen des Persönlichkeitsmerkmals Schizotypie für eine erhöhte Vulnerabilität bezüglich einer Schizophrenie spricht (Linney et al., 2003; Miller et al., 2002). Somit bietet sich dieses messbare Persönlichkeitsmerkmal an, um Forschung im Rahmen von Früherkennung und subklinischen Stadien der Schizophrenie zu betreiben. Ziel dieser Studie ist es, einen Beitrag zur Erforschung der präklinischen Pha- se der Schizophrenie zu liefern. Dazu wurde als genetischer Risikofaktor das A-Allel der Risikovariante rs1006737 im CACNA1C Gen untersucht. Als Um- weltfaktoren interessierten Kindheitstraumata, Urbanizität, Geburtssaison und Alter des Vaters mit der Fragestellung wie sich die einzelnen Gen-und Um- weltrisikofaktoren auf das Persönlichkeitsmerkmal Schizotypie auswirken. In einem zweiten Schritt wurden Gen-Umwelt-Interaktionen zwischen CACNA1C rs1006737 und je einem der vier Umweltfaktoren betrachtet und deren Auswir- kung bei gemeinsamen Vorliegen auf die Schizotypie als Vulnerabilitäsmarker für Schizophrenie ermittelt. Die Datenerhebung fand im Zeitraum Mai 2010 bis Dezember 2011 im Rahmen der Studie zum Thema „Cultural Neuroscience - Neurale Prozesse, soziale Interaktion und gesellschaftliche Konflikte (Kernprojekt)“ an der Philipps-Universität in Marburg an der Lahn, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, statt. Es wurden 102 gesunde Männer (50,5%) zwischen 19 und 38 Jahren und 100 ge- sunde Frauen (49,5%) zwischen 19 und 32 Jahren untersucht. Anhand einer venösen Blutprobe wurden die Probanden genotypisiert und in die Gruppen CACNA1C Risikoallelgruppe AA/AG und CACNA1C Nicht-Risikoallelgruppe GG eingeteilt. Der Umweltrisikofaktor Kindheitstraumata wurde anhand des THQ (Trauma History Questionnaire) erhoben, Urbanizität, Alter des Vaters und Ge- burtssaison wurden ebenfalls durch Fragebögen ermittelt. Die Zielgröße Schi- zotypie als Vulnerablilitätsmarker für die Schizophrenie wurde mittels SPQ-B (Schizotypal Personality Questionnaire-Brief) erhoben. Mittels T-Test oder ANO- VA wurden die Haupteffekte der Risikogenvariante CACNA1C rs1006737 und die Haupteffekte der einzelnen Umweltfaktoren auf die Schizotypie getestet. Anschließend wurde mittels zweifaktorieller Varianzanalyse der Effekt des ge- meinsamen Vorliegens der Risikogenvariante rs1006737 und des jeweiligen Umweltrisikofaktors (Gen-Umwelt-Interaktion) auf die Ausprägung schizotyper Merkmale untersucht. Die Ergebnisse zeigen einen signifikanten Haupteffekt des Umweltrisikofaktors Kindheitstrauma auf die Schizotypie (p=0,006). In den Gen-Umwelt-Interak- tionen konnten zwei signifikante Zusammenhänge gezeigt werden. Bei gleich- zeitigem Vorliegen des Risikoallels und Kindheitstraumata (p=0,040) und Ri- sikoallel und Geburtssaison (p=0,003) wurden bei den Probanden vermehrt schizotype Merkmale erhoben. Es konnte kein signifikanten Haupteffekt des Risikoallels CACNA1C rs1006737 auf Schizotypie (p=0,372) festgestellt wer- den. Auch die Umweltfaktoren Urbanizität (p=0,324), Alter des Vaters (p=0,544) und Geburtssaison (p=0,308) zeigen keinen signifikanten Hauptef- fekt auf Schizotypie. Für die Gen-Umwelt-Interaktion zwischen CACNA1C rs1006737 und Alter des Vaters zeigte sich ein positiver Trend (p=0,087) in der gegensätzlich erwarteten Richtung nämlich in der Nicht-Risikoallelgruppe GG. Das gemeinsame Vorliegen des Risikoallel CACNA1C rs1006737 und des Umweltfaktors Urbanizität wies keine signifikante Interaktionen auf und führte bei gemeinsamen vorliegen nicht zu vermehrtem Auftreten von schizotypen Merkmalen (p=0,695). Für die vorliegende Stichprobe konnte bestätigt werden, dass allein durch das Vorliegen des Risikofaktors Kindheitstraumata schizotype Merkmale vermehrt vorkommen. Dies lässt vermuten, dass auch das Risiko an einer Schizophre- nie zu erkranken erhöht ist.Eine signifikante Gen-Umwelt-Interaktion konnte für das gemeinsame Vorliegen von CACNA1C rs1006737 und Kindheitstrau- mata gezeigt werden, wobei das alleinige Vorliegen des Risikoallels keinen Ein- fluss auf die Schizotypie gezeigt hat. Weiterhin bestätigte sich die Annahme, dass es zu einer Interaktion und einem synergistischen Effekt von CACNA1C rs1006737 und der Geburtssaison kommt. Zwei Risikofaktoren, die bei alleini- gem Vorliegen keinen Einfluss auf die Schizotypie haben, verstärken sich bei gemeinsamen Vorliegen und führen zu einem vermehrten Vorliegen von schi- zotypen Merkmalen. Im Kontext des Vulnerabilitäts-Stress-Modells kann von ei- ner erhöhten Vulnerabilität durch CACNA1C rs1006737 ausgegangen werden. Hierdurch können die Stressoren Kindheitstraumata oder Geburtssaison eine verstärkte Wirkung erzielen, was in einem erhöhten Vorliegen von schizoty- pen Merkmalen resultiert und die Erkrankung an einer Schizophrenie begüns- tigt. Es zeigte sich keine Gen-Umwelt-Interaktion bei gemeinsamen Auftreten der Risikovariante CACNA1C rs1006737 und Urbanizität. Dies ist insofern in- teressant, da in vorangegangenen Studien Gen-Urbanizitäts-Interaktionen ge- zeigt werden konnten (Van Os et al., 2003; van Os et al., 2004; Weiser et al., 2007; Spauwen et al., 2006b). Jedoch wurden in diesen Studien stellvertreten- de genetische Marker untersucht und nicht wie in dieser Arbeit ein konkretes Gen bzw. SNP. Interessant wäre weiterhin zu untersuchen, wie mehrere gene- tische Risikofaktoren und Umweltrisikofaktoren gleichzeitig wirken. Da für sol- che Interaktionsmodelle mit mehreren Faktoren schnell die statistische Aus- sagekraft fehlt, sind in Zukunft große multizentrische Studien notwendig, da nur diese zeigen können, ob Ergebnisse wie in dieser Studie stabil sind. Fakto- ren, die sich in diesem Kontext als stabil erweisen, können für präventive und therapeutische Maßnahmen relevant sein.
DOI:10.17192/z2016.0132