Einfluss und Rezeption deutscher Nach-kriegsliteratur im arabischen Raum mit einem Schwerpunkt auf Wolfgang Borchert und Heinrich Böll

Die Übersetzung, durch die die Araber mit den Überlieferungen der anderen Kulturen in Kontakt kamen, war ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des damaligen islamisch-arabischen Imperiums in unterschiedlichen Bereichen. Sie bereicherte später die arabische Literatur mit neuen Motiven, neuen liter...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Ghanim, Emad
Beteiligte: Giesenfeld, Günter (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2014
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Übersetzung, durch die die Araber mit den Überlieferungen der anderen Kulturen in Kontakt kamen, war ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des damaligen islamisch-arabischen Imperiums in unterschiedlichen Bereichen. Sie bereicherte später die arabische Literatur mit neuen Motiven, neuen literarischen Genres und stilistischen Merkmalen. Diese Bekanntschaft mit den anderen Kulturen gilt als der Anstoß des kulturellen Aufschwungs der arabischen Welt in den darauf folgenden Jahrhunderten. Die Übersetzungen, zunächst noch nicht die literarischen, stellten zu jeder Zeit ein wichtiges Medium für jeden kulturellen und geistigen Aufschwung dar. Dies hat im arabischen Kulturraum eine lange Tradition, die sich in Wellen herauskristallisierte. Die Übersetzungstätigkeit begann durch den Kontakt mit den anderen Kulturen eine wichtige Rolle zu spielen, insbesondere bei der Bereicherung der islamisch-arabischen Wissenschaften. Nach der Ausbreitung des islamischen Reichs war es wichtig, ein Kommunikationsmittel zwischen der islamischen Bevölkerung multikultureller Herkunft zu schaffen. In dieser ersten Phase dominierte in erster Linie der kommunikative Aspekt der Übersetzung, der für die Verwaltungszwecke des expandierenden Reiches notwendig war. Durch die politischen Entwicklungen und die Präsenz der beiden Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien in der arabischen Welt verspätete sich die Rezeption der deutschen Literatur. Sie wird erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts in vielfältiger Weise rezipiert. Bis zu den 1960er Jahren wurden viele Werke deutschsprachiger Literatur übersetzerisch und literaturkritisch aufgenommen oder kreativ rezipiert, besonders die Werke Goethes und B. Brechts. Wegen der gravierenden Unterschiede zwischen den Lebensformen und Wertvorstellungen des Orients und des Okzidents waren die Kulturbarrieren zu jener Phase der Entwicklung der arabischen Kultur größer und die arabische Kultur noch nicht in der Lage, die in ihre Sprache übersetzten Kulturkomponenten zu übernehmen: Denn die Möglichkeit einer Übersetzung hängt nicht nur von der Reife der Übersetzungsmethode ab, sondern auch von der Reife des Lesers, da eine vollkommene Übersetzung sowohl einen idealen Übersetzer als auch einen idealen Leser erfordert. Aufgrund der großen kulturellen Unterschiede spielen die kulturspezifischen Textinhalte bei der literarischen Übersetzung aus dem Deutschen ins Arabische eine wichtige Rolle. Übersetzungen lassen sich in vielfältiger Weise zu den gegebenen Ausgangs- und Zielkulturen in Beziehung setzen. Wie die Produktion des Ausgangstextes, so erfolgt die Produktion und Rezeption des Zieltextes ebenfalls in kulturellen Kommunikationszusammenhängen. Demzufolge kann der Übersetzungsprozess in einem weiteren Sinne als Kulturarbeit bezeichnet werden. Darüber hinaus besteht für die Aufgabe des Übersetzers eine transkulturelle kommunikative Herausforderung. Doch diese kommunikative Aufgabe muss unter den kulturellen, historischen und sozio-politischen Verhältnissen der Zielkultur gelöst werden. Als besonderer Einzelfall soll dies am Hitler-Kult erläutert werden, der durch die politischen Entwicklungen in der arabischen Welt seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, besonders wegen des arabisch-israelischen Konflikts, auch im arabischen Kulturleben verankert ist. Diese Differenzen zwischen den einzelnen Kulturen beeinflussen die Rezeptionsbedingungen eines literarischen Werkes, wenn es z. B. durch Hitler verursachte menschliche Leiden darstellt. Denn trotz der geringen geographischen Entfernung ist die deutsche Kultur der arabischen Leserschaft auf Grund der großen gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede sehr fremd. Umso wichtiger ist, dass es durch die deutsche Nachkriegs-Erzählliteratur, deren Entwicklung und thematische Schwerpunkte, ins besondere bei Heinrich Böll und Wolfgang Borchert, durch die Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen beeinflusst ist, nun auch zu seiner Neubewertung des Hitler-Kults im arabischen Kulturraum kam. Allerdings führt der zeitgeschichtliche Charakter der Nachkriegserzählungen unter dem Einfluss der ideologischen Zweckbestimmungen der arabischen Zielkultur so gut wie unausweichlich dazu, dass die Übersetzung einer deutschen Nachkriegserzählung nicht die selbe Wirkung auf den arabischen Leser hinterlässt, wie das Original auf den deutschen Leser. Dieser Umstand ist auf die heutigen politischen arabischen Verhältnisse zurückzuführen. Während die Nachkriegserzählungen die Grausamkeiten des Naziregimes entlarven, wird der Hitler-Kult im arabischen Sprachraum anders bewertet.
Umfang:383 Seiten
DOI:10.17192/z2015.0084