Diagnostische Strategien bei Patienten mit Kopfschmerz in der Hausarztpraxis. Eine qualitative Untersuchung.

Hintergrund: Das Symptom Kopfschmerz ist ein häufiger Beratungsanlass in der Primärversorgung,dessen zugrunde liegende Ursachen eine große Bandbreite umfassen. Die Differentialdiagnose von Kopfschmerzpatienten stellt den Hausarzt vor erhebliche Herausforderungen. Hierbei sind gerade bei primären Kop...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Hartel, Simone
Beteiligte: Bösner, Stefan (PD Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2014
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Hintergrund: Das Symptom Kopfschmerz ist ein häufiger Beratungsanlass in der Primärversorgung,dessen zugrunde liegende Ursachen eine große Bandbreite umfassen. Die Differentialdiagnose von Kopfschmerzpatienten stellt den Hausarzt vor erhebliche Herausforderungen. Hierbei sind gerade bei primären Kopfschmerzen Anamnese und klinische Untersuchung die wichtigsten diagnostischen Mittel. Ziel der Studie war es, das differentialdiagnostische Vorgehen von Hausärzten bei Patienten mit Kopfschmerzen zu analysieren. Methoden: In semistrukturierten Interviews wurden 15 Hausärzte aus städtischem sowie ländlichem Gebieten gebeten, ihre persönliche Vorgehensweise und Konzepte bezüglich der Diagnose bei dem Symptom Kopfschmerz darzulegen. Die Interviews wurden aufgenommen, wörtlich transkribiert und qualitativ von zwei unabhängigen Untersuchern nach Erstellen eines Kodierungssystems inhaltsanalytisch ausgewertet. Ergebnisse: Grundsätzlich sehen die Hausärzte die Diagnostik von Kopfschmerz wegen der hohen Prävalenz des Symptoms und der großen diagnostischen Bandbreite der möglichen Ursachen als ihre Aufgabe an. Diese Diagnostik ist eine permanente Gratwanderung zwischen abwartendem Offenhalten auf der einen und schnellem Handeln bei abwendbar gefährlichen Verläufen auf der anderen Seite. Abwendbar gefährliche Verläufe wurden hauptsächlich durch bestimmte Warnsignale wie neurologischen Auffälligkeiten und der Vertrautheitsheuristik herausgefunden. Dabei war die Aussage „der Schmerz ist neu“ besonders alarmierend, bekannter Schmerz ist für den Arzt eher beruhigend. Nach Ausschluss abwendbar gefährlicher Verläufe wurde dem abwartendem Offenhalten eine große Bedeutung beigemessen, da Kopfschmerzen oft spontan wieder verschwinden. Eine genaue Diagnose ist in solchen Fällen für den Hausarzt irrelevant. Der Therapieversuch wurde sowohl als diagnostisches Mittel wie auch als Methode des abwartenden Offenhaltens häufig angewendet. Die teilnehmenden Allgemeinärzte besaßen diverse diagnostische Referenzbilder für das Symptom Kopfschmerz mit dem sie das jeweilige Bild eines individuellen Patienten mit Kopfschmerz abglichen. Die Ärzte nutzten bereits sehr früh im diagnostischen Prozess bestimmte Schlüsselwörter und nonverbale Informationen durch das Auftreten des Patienten als diagnostische Wegweiser. Eine besonders große Rolle kommen der erlebten Anamnese mit dem individuellen Patienten und der eigenen, teilweise langjährigen medizinischen Erfahrung sowie einer gewachsenen Arzt-Patienten-Beziehung zu. Abweichungen im diagnostischen Schema entstanden, wenn die Schilderung des Patienten inklusive der nonverbalen Kommunikation mit keinem der klassischen Referenzbilder übereinstimmte. Dies erkennt der Arzt oft intuitiv. Auch Therapieversagen, eine zu große Restunsicherheit und eine fehlende Besserung nach einer Zeit des abwartenden Offenhaltens waren Gründe für weiterführende Diagnostik, meist in Form einer Überweisung zum jeweiligen Fachspezialisten. Die Hausärzte haben unterschiedliche Strategien entwickelt um der Angst des Patienten vor einem Hirntumor als Ursache der Kopfschmerzen zu begegnen. Migräne wurde hauptsächlich durch die Akkumulation verschiedener diagnostischer Kriterien wie Einseitigkeit, Lichtscheu und starke vegetative Beschwerden diagnostiziert. In der Diagnostik von Spannungskopfschmerz war die erlebte Anamnese besonders relevant. Dem zervikogenem Kopfschmerz und der psychosomatischen Komponente der einzelnen Kopfschmerzbilder maßen viele Ärzte eine große Bedeutung zu. Schlussfolgerung/Implikation: Als ein Schlüsselkriterium zur Diagnosefindung bei dem Symptom Kopfschmerz wurde die persönliche Erfahrung des jeweiligen Allgemeinarztes und die erlebte Anamnese mit dem individuellem Patienten geäußert. Die Ärzte besaßen verschiedene Referenzbilder bestehend aus anamnestischen Schlüsselwörtern und nonverbaler Information, die mit dem Patienten abglichen wurden. Die körperliche Untersuchung spielte dabei oft nur eine untergeordnete Rolle.
DOI:10.17192/z2014.0435