Zwischen Basar und Supermarkt: strukturelle Veränderungen im Lebensmitteleinzelhandel in der Türkei unter Berücksichtigung von Globalisierungsprozessen

Seit den 1990er Jahren können zunehmende transnationale Aktivitäten und Investitionen von europäischen und nordamerikanischen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen in zahlreichen Schwellen- und Entwicklungsländern festgestellt werden. Diese transnationalen Aktivitäten hatten weitreichende Auswirkunge...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Appel, Alexandra
Beteiligte: Hassler, Markus (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2014
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Seit den 1990er Jahren können zunehmende transnationale Aktivitäten und Investitionen von europäischen und nordamerikanischen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen in zahlreichen Schwellen- und Entwicklungsländern festgestellt werden. Diese transnationalen Aktivitäten hatten weitreichende Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation, sowie Zuliefernetzwerke, Produktionsanforderungen und Konsumkulturen in den Zielmärkten. Während anfangs die Hypothese aufgestellt wurde, dass diese transnationalen Lebensmitteleinzelhändler weltweit dominante Marktpositionen einnehmen würden, zeichnen sich heute andere Dynamiken ab. Dabei profilieren sich zunehmend auch nationale Akteure im Lebensmittelsektor von Schwellen- und Entwicklungssländern gegenüber ihrer transnationalen Konkurrenz und beeinflussen die Transformations- und Modernisierungsprozesse weitgehend mit. Bis heute sind zahlreiche Arbeiten in unterschiedlichen Disziplinen entstanden, die sich mit Internationalisierungsprozessen im Einzelhandel und deren Auswirkungen in Zielländern befassen. In der Wirtschaftsgeographie liegt der Fokus vornehmlich auf den Aktivitäten und Strategien transnationaler Lead-Firmen während des Markteintritts, ihrem Erfolg, und den Auswirkungen ihres Markteintritts auf die Strukturen in den Zielländern. Eine mangelnde Auseinandersetzung kann identifiziert werden hinsichtlich der Rolle nationaler, regionaler und lokaler Akteure bei Transformations- und Modernisierungsprozessen im Lebensmitteleinzelhandelsbereich, sowie der stattfindenden Prozesse nach dem Markteintritt transnationaler Akteure. In der vorliegenden Arbeit werden diese Lücken geschlossen, indem die Pfad- und Kontextabhängigkeit spezifischer Entwicklungen im Bereich des Lebensmittelhandels, sowie die Bedeutung nationaler, regionaler oder lokaler Akteure für die daraus resultierenden Dynamiken und Strukturen besondere Beachtung finden. Dabei wird (Lebensmittel-)Einzelhandel – unabhängig von der (Trans-)Nationalität des Akteurs – konzeptionell verstanden als komplexes Netzwerk aus Verkaufsniederlassungen, Zulieferprozessen, Zwischenhandelsinstanzen und Produktionsstrukturen, das in spezifische soziale, ökonomische und politische Kontexte integriert ist. Zur Analyse dieser komplexen Strukturen und Dynamiken wurde das Forschungsdesign auf Grundlage des Global-Production-Network (GPN) Ansatzes erarbeitet. Die vorligende Arbeit ist kumulativ und besteht aus vier Artikeln, die auf unterschiedlichen theoretischen Konzepten basieren, um die spezifischen Fragestellungen zu bearbeiten. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass transnationale Akteure wichtige Mediatoren für Modernisierungs- und Transformationsprozesse in Lebensmittel(einzel)handels-Netzwerken sind. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass nationale, regionale und lokale Akteure diese Prozesse weitreichend beeinflussen, indem sie auf die sich wandelnden Strukturen reagieren oder Widerstand leisten. Es konnte gezeigt werden, dass der Einfluss eines Akteurs auf diese Prozesse weniger von seiner (Trans-)Nationalität abhängt, als von seiner Embeddedness in sozio-ökonomische Strukturen. Unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse kann nicht bestätigt werden, dass transnationale Akteure global dominante Marktrollen einnehmen, oder sich oligopolistische Strukturen herausbilden. Stattdessen konnte am Fallbeispiel Türkei gezeigt werden, dass sich eine zunehmende Anzahl nationaler, regionaler und lokaler Akteure herausbildet, die gegenüber transnationalen Konkurrenten dominante Marktrollen einnehmen, sodass diese transnationalen Lebensmitteleinzelhändler der türkischen Markt wieder verlassen. Ähnliche Dynamiken wurden bereits für andere Schwellen- und Entwicklungsländer beobachtet (z. B. In Lateinamerika). Dabei muss betont werden, dass sich nicht einheitliche Strukturen herausbilden, sondern es vielmehr zu einer Diversifizierung der Handels- und Produktionsnetzwerke kommt, sodass die Nachfrage und Bedürfnisse unterschiedlicher Akteure in einer Gesellschaft befriedigt werden können. Auf konzeptioneller Ebene kann zudem gezeigt werden, dass der Embeddedness-Ansatz auch im Zusammenhang mit multichannel-Einzelhandel und e-commerce aufschlussreich angewendet werden kann um die Verknüpfungsebenen von Strategien und Ergebnissen sichtbar zu machen. Darüber hinaus erweist sich die GPN-Analysekategorie Embeddedness nicht nur als aufschlussreich hinsichtlich der Strategien und des Erfolgs von transnationalen Einzelhandelsakteuren, sondern auch zur Analyse der spezifischen (Macht-)Positionen von Akteuren in sozio-ökonomischen Strukturen. Die Kategorien resilience, reworking und resistance tragen dazu bei, ein differenziertes Verständnis über die Kapazitäten einzelner Akteure und ihrer Reaktionsstrategien auf die sich wandelnden Netzwerkstrukturen, in die sie auch eingebettet sind, zu generieren. Zudem kann sichtbar gemacht werden, wie diese Reaktionen der einzelnen Akteure die Strukturen von handels- und Produktionsnetzwerken beeinflussen.
DOI:10.17192/z2014.0382