Regulationsmechanismen während des Torpors und der zitterfreien Thermogenese: Neue Einblicke und der Einsatz von Magnetresonanztomographie

Säugetiere bevölkern nahezu jede Nische der Erde, weil sie ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur regulieren können. Diese endotherme Lebensweise ist, besonders für Kleinsäuger, energetisch sehr kostspielig und lässt sich nur durch eine präzise Regulation der Energieausgaben ve...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Grimpo, Kirsten
Beteiligte: Heldmaier, Gerhard (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2014
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Säugetiere bevölkern nahezu jede Nische der Erde, weil sie ihre Körpertemperatur unabhängig von der Umgebungstemperatur regulieren können. Diese endotherme Lebensweise ist, besonders für Kleinsäuger, energetisch sehr kostspielig und lässt sich nur durch eine präzise Regulation der Energieausgaben verwirklichen. Regulationsmechanismen, die einer Absenkung des Stoffwechsels, um Energie zu sparen oder einer Stoffwechselsteigerung, um die Körpertemperatur bei Kälteexposition zu verteidigen, zugrunde liegen, sind komplex und in weiten Teilen unverstanden. Messungen von Sauerstoffverbrauch und Körpertemperatur der arid lebenden Goldstachelmaus (Acomys russatus) ergaben, dass A. russatus eine 50%ige Futterreduktion bei hohen Umgebungstemperaturen (32°C und 35°C) energetisch kompensieren kann. Durch eine Reduktion ihres Ruhestoffwechsels um 30% im Vergleich zu ad libitum Bedingungen und täglich mehrstündige torpide Phasen, hielt sie ihr Körpergewicht trotz der verringerten Energiezufuhr nahezu konstant. Im Gegensatz zu Torpor bei Umgebungstemperaturen von 23°C und 27°C, blieb die Körpertemperatur dabei auf einem normothermen Level. Die rapide Absenkung des Metabolismus, ein Charakteristikum von Torpor, kann demnach entkoppelt von einer hypothermen Körpertemperatur stattfinden und ist somit entgegen der landläufigen Meinung nicht nur in kalten, sondern auch in anderen klimatischen Bedingungen eine effiziente Strategie der Energieeinsparung. Als Auslöser für die regulierte Stoffwechselabsenkung im Torpor stehen die Mitochondrien in der Diskussion. Ein aktives Abschalten der Zellatmung könnte zu einer Stoffwechseldepression führen, wie sie bei Eintritt in den Torpor auftritt. Untersuchungen verschiedener Gewebe (z.B. Leber) von torpiden Stachelmäusen ergaben jedoch keine Verringerung der mitochondrialen Succinat-Respiration im Vergleich zu normometabolen Tieren. Auch das Membranpotential der isolierten Mitochondrien und die Effizienz der ATP-Synthase unterschieden sich nicht. Dies galt für torpide Stachelmäuse mit normothermer als auch hypothermer Körpertemperatur. Es weist darauf hin, dass die Absenkung der Stoffwechselrate im Torpor bei A. russatus nicht durch eine Inhibition der Zellatmung induziert wird. Winterakklimatisierte Dsungarische Zwerghamster (Phodopus sungorus) dagegen zeigten im Torpor eine aktive Inhibition der Substratoxidation in den Lebermitochondrien. Die Atmungsraten der Mitochondrien korrelierten mit der Körpertemperatur der Hamster, die bei Umgebungstemperaturen von 15°C sehr tiefe Werte erreichte. Diese Daten lassen die Schlussfolgerung zu, dass eine aktive Inhibition der mitochondrialen Respiration artspezifisch ist und eher eine Anpassung an niedrige Körpertemperaturen im torpiden Zustand als die Ursache des Torporeintritts an sich. Die Mechanismen, die zum Eintritt in den Torpor führen, bleiben somit unklar. Um neue Wege für die Entschlüsselung der Regulationsmechanismen im Torpor zu eröffnen, wurde im nächsten Schritt ein kombinierter Messaufbau aus indirekter Kalorimetrie und Magnetresonanztomographie (MRT) entwickelt, der erlaubte torpide Zwerghamster bildgebend zu untersuchen. Die notwendige Hardware und Software wurde soweit optimiert, dass P. sungorus in einem 7 Tesla-Tomographen torpid wurde und erstmalig morphologische, angiographische und spektroskopische Aufnahmen an einem nicht-narkotisierten Tier im Torpor akquiriert werden konnten. Solch funktionelle Messungen mittels MRT bieten das Potential, neue Einblicke in die Abläufe des Torpors zu gewinnen. Eine weitere Stärke der MRT ist ihr hervorragender Weichgewebekontrast, der es zuließ Gewebe von narkotisierten Tieren in vivo zu untersuchen. Selbst Unterschiede zwischen dem weißen Speicherfett und dem thermogenetisch aktiven braunem Fett ließen sich darstellen und mit gaschromatischen Messungen ex vivo validieren. Weißes Fettgewebe wies einen höheren Gehalt an ungesättigten Fettsäuren auf als braunes Fettgewebe. In der Winteranpassung nahm der Gehalt an ungesättigten Fettsäuren in beiden Geweben bei P. sungorus zu. Daraus lässt sich eine bedeutsame Funktion der Fettsäuren für die Vorbereitung auf Torpor und kalte Umgebungstemperaturen ableiten. Im letzten Teil der Arbeit wurde die thermogenetische Funktion des braunen Fettgewebes tiefergehend untersucht. Braunes Fettgewebe spielt eine wichtige Rolle um den Körper aus hypothermen Phasen des Torpors wieder aufzuheizen und um eine normotherme Körpertemperatur bei Kälteexposition zu verteidigen. Hierfür generiert braunes Fett nach noradrenerger Stimulation mittels eines spezifischen Entkopplerproteins (UCP1) zitterfreie Wärme, indem die oxidative Phosphorylierung in den Mitochondrien von der Atmungskette entkoppelt wird. Bei langanhaltender Kälteexposition steigt die Fähigkeit zur zitterfreien Thermogeneses durch Erhöhung der respiratorischen Kapazität des Gewebes, und diese wird hauptsächlich auf UCP1-vermittelte Thermogenese zurückgeführt. Knockout-Mäuse, die kein UCP1 besitzen, zeigten dennoch eine Steigerung der zitterfreien Wärmebildung, was auf eine Kompensation der UCP1-vermittelten Thermogenese hinweist. Spektroskopische und bildgebende MRT-Messungen konnten bei UCP1-KO Mäusen wie bei Wildtypmäusen eine Umstrukturierung des braunen Fettgewebes bei Kälteanpassung visualisieren. Nach noradrenerger Stimulation konnte eine Erhöhung des Lipidmetabolismus nachgewiesen werden. Der gesteigerte Lipidstoffwechsel führte bei beiden Genotypen zu einem immensen Export von Fettsäuren, dem wichtigsten Substrat der Thermogenese, aus dem braunen Fettgewebe. Die Daten sprechen für einen UCP1-unabhängigen Mechanismus zur adaptiven Thermogenese und eine wichtige Funktion des braunen Fettgewebes im Lipidstoffwechsel, die über die Oxidation von Fettsäuren für die UCP1-vermittelte Thermogenese hinausgeht. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit tragen zu einem weiterführenden Verständnis der Regulationen des Energiehaushalts kleiner Säugetiere bei. Sie decken Zusammenhänge zwischen der aktiven Stoffwechselabsenkung, der Körpertemperatur, der Umgebungstemperatur und der mitochondrialen Respirationsleistung auf. Sie beleuchten den Einsatz der MRT als innovative Methode für die Untersuchung physiologischer Fragestellungen und werfen ein neues Licht auf die Funktion des braunen Fettgewebes bei der UCP1-unabhängigen zitterfreien Thermogenese.
DOI:10.17192/z2014.0350