Die Bedeutung des Selbstwertgefühls für die Entstehung und Aufrechterhaltung von Verfolgungswahn

Verfolgungsideen sind ein häufiges Symptom psychotischer Störungen. Psychologische Erklärungsmodelle betonen neben Auffälligkeiten in Attributions- und Entscheidungsprozessen die Relevanz eines erniedrigten Selbstwertgefühls für die Entstehung von Verfolgungswahn (Freeman, Garety, Kuipers, Fowler, &...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Kesting, Marie-Luise
Beteiligte: Lincoln, Tania M., (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2013
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Verfolgungsideen sind ein häufiges Symptom psychotischer Störungen. Psychologische Erklärungsmodelle betonen neben Auffälligkeiten in Attributions- und Entscheidungsprozessen die Relevanz eines erniedrigten Selbstwertgefühls für die Entstehung von Verfolgungswahn (Freeman, Garety, Kuipers, Fowler, & Bebbington, 2002). Auch eine Vielzahl von Studien spricht dafür, dass Patienten mit Verfolgungsideen unter großen Selbstwerteinbußen leiden (Freeman, 2007). In der Folge beinhalten kognitiv-behaviorale Therapien für Patienten mit Schizophrenie auch Interventionen zur Selbstwertsteigerung (Fowler, Garety, & Kuipers, 1995; Moritz, Vitzthum, Randjbar, Veckenstedt, & Woodward, 2010). Dennoch ist die spezifische Rolle des Selbstwertgefühls bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verfolgungsideen bislang nicht vollständig geklärt. Insbesondere bestehen bezüglich des expliziten und impliziten Selbstwerts sowie bezüglich der Bedeutung von Selbstwertschwankungen im Entstehungsprozess paranoider Gedanken noch offene Fragen. Ziel dieser Dissertation ist es deshalb, diese Aspekte des Selbstwerts bei Menschen mit Verfolgungsideen differenziert zu untersuchen. Ein tieferes Verständnis des komplexen Zusammenhangs zwischen dem Selbstwertgefühl und Verfolgungsideen könnte insbesondere hilfreich sein, um weitere spezifische psychologische Interventionen für Patienten mit Wahn zu entwickeln. In Artikel 1 konnte bestätigt werden, dass Patienten mit akuten und remittierten Verfolgungsideen im Vergleich zu gesunden Probanden ein erniedrigtes explizites Selbstwertgefühl aufweisen, während sich keine Gruppenunterschiede im impliziten Selbstwertgefühl fanden. Innerhalb der Patientengruppe unterschieden sich der explizite und der implizite Selbstwert jedoch nicht. Artikel 2 gab Aufschluss über die Rolle des Selbstwertgefühls im Entstehungsprozess paranoider Gedanken. In einer nichtklinischen Stichprobe führte sozialer Stress bei vulnerablen Personen zu einem Anstieg paranoider Gedanken und dieser Prozess wurde durch eine Reduktion im Selbstwert mediiert. In Artikel 3 wurde die Bedeutung des Selbstwertgefühls und der Selbstschemata für Verfolgungsideen anhand des aktuellen Forschungsstandes im Rahmen eines Reviews untersucht. Hierbei erwies es sich als gut belegt, dass Menschen mit klinisch relevanten und subklinischen Verfolgungsideen durch ein erniedrigtes explizites Selbstwertgefühl und negative Selbstschemata charakterisiert sind. Zusätzlich gibt es wenige Studien mit jedoch einheitlichen Ergebnissen, die dafür sprechen, dass Patienten, die ihre Verfolgung als berechtigt wahrnehmen, einen erniedrigten Selbstwert haben und dass der Selbstwert bei Menschen mit Verfolgungsideen instabil ist. Insgesamt weisen die Ergebnisse dieser Dissertation somit darauf hin, dass ein global erniedrigtes explizites Selbstwertgefühl, negative Selbstschemata und eine momentane Reduktion im Selbstwertgefühl für die Entstehung und Aufrechterhaltung paranoider Gedanken von Bedeutung sind. Die Befunde werden abschließend in ein Erklärungsmodell integriert, das die Rolle des Selbstwertgefühls bei der Entstehung von Verfolgungsideen beschreibt und dabei frühere negative Lebensereignisse als eine mögliche Ursache für die Entstehung negativer Selbstschemata berücksichtigt. Die Ergebnisse dieser Dissertation untermauern schließlich die Notwendigkeit, in der Therapie von Patienten mit Wahn spezifische Interventionen zur Selbstwertsteigerung und -stabilisierung einzusetzen.
DOI:10.17192/z2013.0250