Das Konzept ‛am ausgehend von Jesaja 1-12

Die Arbeit untersucht die Frage, welches Konzept mit dem hebräischen Wort ‘am im Buch des Propheten Jesaja in den Kap. 1-12 verbunden ist. Die hebräische Vokabel wird gewöhnlich in den modernen Sprachen mit „Volk“ wiedergegeben. Dahinter verbergen sich jedoch unterschiedliche Vorstellungen. „Volk“ k...

Ausführliche Beschreibung

Gespeichert in:
Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Martínez Muñoz, Milton Joel
Beteiligte: Kessler, Rainer (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2012
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
Tags: Tag hinzufügen
Keine Tags, Fügen Sie den ersten Tag hinzu!
Beschreibung
Zusammenfassung:Die Arbeit untersucht die Frage, welches Konzept mit dem hebräischen Wort ‘am im Buch des Propheten Jesaja in den Kap. 1-12 verbunden ist. Die hebräische Vokabel wird gewöhnlich in den modernen Sprachen mit „Volk“ wiedergegeben. Dahinter verbergen sich jedoch unterschiedliche Vorstellungen. „Volk“ kann die Bedeutung von „Nation“ haben. Daneben wird „Volk“ aber auch für eine klassenbewusste Distanzierung zwischen den gewöhnlichen Leuten (eben dem „Volk“) und den Personen, die bestimmte soziale Ränge inne haben, gebraucht, wodurch ein deutlicher Unterschied zwischen Regierenden und Regierten, Herrscher und Beherrschten, Gebieter und Unterdrückten oder Täter und Opfer erzeugt wird. „Das Volk“ sind dann diejenigen, die keinen Zugang zu den Machtpositionen haben. Die Arbeit konzentriert sich aus praktischen Gründen auf den ersten Teil des Buches Jesaja, also die Kapitel 1 bis 12. Diese lassen sich in vier Blöcke unterteilen: Jes 1,1 – 2,5 / Jes 2,6 – 4,6 / Jes 5,1 – 9,6 / Jes 9,7 – 12,6. Jeder der Blöcke enthält im Wesentlichen zwei Grundelemente: Anklage (manchmal mit Mahnung) und Versprechen. Dabei schließen die Blöcke immer mit einem Wort, welches das Versprechen der Erneuerung enthält. In diesen Blöcken lässt sich zugleich eine progressive thematische Entwicklung feststellen, wobei jeder Block einen charakteristischen Schwerpunkt enthält: Anklage / Der Tag Jhwhs / Der Beauftragte / Restauration. Die vier Blöcke finden ihre Mitte in dem Konzept ‘am. Dieses Konzept ist über den gesamten Verlauf des Textes hinweg gegenwärtig. In allen Fällen ist ‘am ein Kollektiv. Block 1 konzentriert sich auf die Anklage. Das Konzept ‘am schließt sowohl die Führer als auch die zeitgenössische Bevölkerung, das einfache Volk, ein. Die Gesellschaft besteht aus diesen beiden Teilen, die sich beide in einem bedauerlichen Zustand der Auflösung befinden. Dabei sind weder die Führer aufgrund ihrer Ungerechtigkeit noch die Bevölkerung wegen ihrer Armut bzw. als Opfer ausgenommen. Die Folgen schlechter Taten und das Tun von Unrecht betreffen die gesamte Gesellschaft. Weder Opfer noch Täter sind davon ausgeschlossen. Block 2 mit der Ankündigung des Tages Jhwhs bringt zum Ausdruck, dass ‘am kein statisches Wort, sondern ein belebtes Konzept ist. Dabei sprechen die Kap. 2-3 von Vergehen, die nur von einer führenden Schicht begangen worden sein können. Ihnen stehen die Opfer der Ungerechtigkeit und der Verbrechen gegenüber. Diese werden «der Rest» genannt. Hier wird also eine Unterscheidung innerhalb des Kollektivs getroffen. Trotz alledem bilden die einen wie die anderen die Ganzheit des ‘am. Mit Block 3 und 4 erreichen wir den Höhepunkt des Textes. Es zeigt sich, dass es sich bei ‘am nicht um eine statische Größe, sondern um ein Projekt handelt. ‘am ist ein Projekt. Es ist ein nationales und ein soziales Projekt. Das Fundament und der Körper dieses Projekts sind Gerechtigkeit und Recht. Zu Beginn des Blockes werden sie genannt, um auf die Gründe für das Scheitern des Projektes hinzuweisen, und zum Schluss, um die Gründe für die Wiederherstellung desselben aufzuzeigen. ‘am sind nicht nur die Armen und Unterdrückten. ‘am ist das gesamte Kollektiv. Dieses Kollektiv ist aber keine statische Größe, sondern ein belebtes Konzept. Es ist das soziale Projekt Jhwhs. Nur wenn dieses Projekt zustande kommt, gibt es die Hoffnung für das Volk auf ein menschenwürdiges Leben. Das Projekt ‘am in Jes 1-12 lässt sich im Bild eines Baumes beschreiben. Das Blattwerk ist das Kollektiv, das das Leben des Baumes sichtbar werden lässt. Stamm und Äste sind die Gerechtigkeit und das Recht. Wenn sie nicht bewahrt werden, wird das Blattwerk nicht fortbestehen können. Wenn andererseits der Baum aber keine Wurzel hat, nämlich das Wort, die ihn nährt und hält, kann dieser nicht fortbestehen und sich aufrecht halten. Der Verwirklichung des Projekts ‘am steht eine Reihe institutioneller Strukturen entgegen: die monarchische Regierungsform, die Interessen wirtschaftlicher Gruppen, das Streben nach Besitz und die Manipulation des Gesetzes. Um dieses Projekt zu verwirklichen, muss die gesellschaftliche Pyramide, bei der das gewöhnliche Volk unten und der König oben stehen, umgekehrt werden. Die Basis bildet das Wort Gottes, und die Baumkrone ist das Kollektiv, das durch Recht und Gerechtigkeit gehalten wird. ‘am wird im Verlauf von Jes 1-12 als ein soziales Projekt vorgestellt, in dem Einheit und Versöhnung möglich sind. Es bietet ein ideales Umfeld für das Zusammenleben des Kollektivs und kann als globales Modell bezeichnet werden. Das Leben in der Gemeinschaft innerhalb des ‘am ist eine heilvolle Alternative, da es sich um ein Leben handelt, das auf menschliche Weise geführt werden kann, ein Zustand, in dem das Kollektiv eine hohe Lebensqualität genießen kann.
DOI:10.17192/z2013.0086