Emotionsregulationsdefizite bei sozialer Phobie

Die positive Assoziation zwischen Emotionsregulationsdefiziten und Psychopathologie ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Studien und gilt als hinlänglich gesichert (Aldao et al., 2010; Sloan & Kring, 2010). Demgegenüber existieren nur wenige Untersuchungen, die über die Frage dieser allgemein...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Rusch, Silke
Beteiligte: Lincoln, Tania (Prof. Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2012
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die positive Assoziation zwischen Emotionsregulationsdefiziten und Psychopathologie ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Studien und gilt als hinlänglich gesichert (Aldao et al., 2010; Sloan & Kring, 2010). Demgegenüber existieren nur wenige Untersuchungen, die über die Frage dieser allgemeinen Assoziation hinausgehen und spezifische Defizite in der Emotionsregulation einzelner Störungsgruppen betrachten. Bislang lassen sich diese Studien überwiegend im Bereich der generalisierten Angststörung (GAS) oder unter den affektiven Störungen einordnen (Betts, Gullone & Allen, 2009, Mennin, 2006; Joormann, Siemer, & Gotlib, 2007). Empirische Resultate zu sozialer Ängstlichkeit und Phobie sind existent, fokussieren jedoch sehr unterschiedliche Aspekte der Emotionsregulation, z.B. Alexithymie, Emotionsausdruck, Regulation negativen Affekts, die Akzeptanz von Emotionen oder andere metaemotionale Fähigkeiten (vgl. Fukunishi et al., 1997; Kashdan & Steger, 2006; Edwards, Rapee, & Franklin, 2004; Cambbell-Sills et al., 2006; Turk et al., 2005). Einige wenige Untersuchungen, die sich mit der Antizipation sozialer Situationen beschäftigen, fokussieren hingegen auf (kognitive) Inhalte antizipatorischer Gedanken anstatt auf die (emotionale) Regulation dieser Ängste (vgl. Hinrichsen & Clark, 2003; Hirsch & Clark, 2004; Mansell & Clark, 1999; Vassilopoulos, 2004). Aufgrund der bisherigen Befunde kann resümiert werden, dass Menschen mit sozialer Phobie reduzierte Fähigkeiten zur Beschreibung eigener Emotionen besitzen, weniger Aufmerksamkeit auf eigene Emotionen richten und diese Emotionen weniger mimisch ausdrücken als Personen mit GAS. Außerdem zeigen sozial Hochängstliche vermehrtes Grübeln nach sozialen Situationen, und Sozialphobiker weisen eine hohe Alexithymierate (58,3%) auf, d.h. ihnen fehlt die Fähigkeit, Emotionen zu identifizieren und zu benennen, ebenso wie Patienten mit Panikstörung. Die genannten Studien liefern wichtige Ergebnisse zu ER-Defiziten sozialängstlicher Personen, bestätigen jedoch ausschließlich die positive Assoziation zwischen diesen Defiziten und der Angstsymptomatik. Die o.g. Befunde zu Erwartungsangst (siehe Punkt 1.1.2) belegen, dass diese Art der Furcht von den Betroffenen als hoch aversiv, intensiv und z.T. intrusiv wahrgenommen wird. Außerdem zeigten Hinrichsen und Clark (2003), dass antizipatorische Verarbeitung (Elaboration dessen, was während der Situation passieren könnte) bei Personen mit sozialer Phobie zu höherer Erwartungsangst führt als eine Ablenkungsstrategie. Hofmann, Heering, Sawyer und Asnaani (2009) verglichen in einer Studie erstmals direkt die Strategien Neubewertung, Unterdrückung und Akzeptanz zur Reduktion von sozialer Angst vor, während und nach einer Rede bei gesunden Probanden. Dabei zeigte sich Unterdrückung als unterlegene Strategie. Im Hinblick auf die Effektivität einzelner Strategien zur Regulation von Erwartungsangst bei sozialer Phobie liegen jedoch keine weiteren empirischen Resultate vor. Insgesamt bleibt unklar, welchen Anteil globale Emotionsregulationsdefizite an der Gesamtvarianz sozialer Ängstlichkeit haben. Handelt es sich bei diesen Defiziten um eine allgemeine „Regulations-Inkompetenz“, die allein durch allgemeine Psychopathologie erklärt wird? Oder lassen sich bei sozial ängstlichen Menschen emotionale Probleme identifizieren, die spezifisch für ihre Art von Angstsymptomen sind (d.h. unter Kontrolle von allgemeiner Psychopathologie spezifische Symptomvarianz aufklären)? Eine zweite offene Forschungsfrage bezieht sich darauf, welche Emotionsregulationsstrategie effektiv zur Reduktion von Erwartungsangst bei sozialer Phobie eingesetzt werden kann. Sowohl die Frage nach der generellen Effektivität einzelner Strategien (im Vergleich zueinander), als auch nach dem zeitlichen Verlauf der Erwartungsangst unter dem Einsatz verschiedener Strategien kann derzeit nicht beantwortet werden, da lediglich o.g. Ergebnisse von Hofmann et al. (2009) zu gesunden Probanden vorliegen.
DOI:10.17192/z2013.0056