Bringt die Niedrigstimulation in der Regionalanästhesie die Nadel wirklich näher an den Nerv?

Die elektrische Nervenstimulation als Hilfsmittel bei der Anlage von peripheren Nerven-blockaden ist heute weit verbreitete Praxis. Sie ist eine kostengünstige, für den Patien-ten angenehme und für den Anwender leicht zu erlernende Methode der gezielten Lokalisation bestimmter Nerven. Klinisch üblic...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Feldmann, Kathrin
Beteiligte: Morin, A. (Dr.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2010
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die elektrische Nervenstimulation als Hilfsmittel bei der Anlage von peripheren Nerven-blockaden ist heute weit verbreitete Praxis. Sie ist eine kostengünstige, für den Patien-ten angenehme und für den Anwender leicht zu erlernende Methode der gezielten Lokalisation bestimmter Nerven. Klinisch üblich ist die Injektion von Lokalanästhetika bei einer gerade noch gut auslösbaren motorischen Reizantwort unter Stimulation mit Stromstärken zwischen 0,3 - 0,5 mA18,27,33. Hier geht man von einer sicheren Distanz zum Nerven als Schutz vor Verletzung einerseits und einer hohen Wahrscheinlichkeit einer guten Nervenblockade andererseits aus. Studien, die die Überlegenheit dieses Schwellenstromintervalles belegen gibt es aber nicht. In der Literatur finden sich vereinzelt Hinweise, dass auch die Anwendung höherer Schwellenstromintervalle als bislang klinisch üblich zu erfolgreichen Nervenblockaden führen könnte6,14. Dieses brächte die Vorteile einer verkürzten Punktionszeit und eines damit verbundenen höheren Patientenkomforts mit sich. Auch könnte die Nutzung höherer Reizschwellen ein geringeres Risiko von Nervenverletzungen und somit eine Steigerung der Patientensicherheit bei peripheren Regionalanästhesien zur Folge haben. Gemäß dem Coulombschen Gesetz ist die angewandte Stromstärke umgekehrt proportional zum Quadrat des Abstandes zwischen Elektrode und Nerv12. Infolge-dessen bedeutet die erfolgreiche Stimulation unter Nutzung einer höheren Reiz-stromschwelle gleichzeitig eine größere Distanz der Nadelspitze zum stimulierten Nerv und somit ein geringeres Nervenverletzungsrisiko. Dieses gilt insbesondere unter Be-rücksichtigung von Daten, die eine erhöhte Rate von inflammatorischen Reaktionen am Nerv nach Anwendung sehr niedriger Reizschwellenströme41 belegen und der Tatsa-che, dass ein direkter Kontakt der Nadelspitze zum Nerv nicht zwingend mit einer mo-torischen Reaktion auf die Stimulation mit einem niedrigen Reizstrom einhergeht8,11,31,39. In dieser randomisierten Studie am Schweinemodell wurde die Hypothese überprüft, dass bei Verwendung hoher Stimulationsstromschwellenwerte (0,8 – 1,0 mA) weniger nervennahe Nadelplatzierungen erzielt werden als unter Verwendung niedriger Stimulationsstromschwellenwerte (0,01 - 0,3 mA). Methode: Nach Auslösen einer minimalen motorischen Antwort auf elektrische Nervenstimulation am Plexus brachialis und am Nervus femoralis von 16 anästhesierten Schweinen wurde über die Nadel ein gefärbtes Kunstharzgemisch injiziert. Die Reizstromschwelle zum Auslösen dieser Antwort lag in randomisierter Folge entweder zwischen 0,8 - 1,0 mA (hohe Schwellenstromgruppe), 0,01 - 0,3 mA (niedrige Schwel-lenstromgruppe) oder 1,8-2,0 mA (Kontrolle). Postmortal wurden die entsprechenden Regionen präpariert und die Lagen der Kunstharzgemische untersucht. Direkter Kon-takt des Harzes zum Epineurium eines Nervs wurde als Ergebnis einer nahen Positio-nierung der Nadelspitze zum Nerven gewertet und als „nervennahe Lage“ klassifiziert. Hatte das Kunstharz keinen Kontakt zum Epineurium eines Nervs wurde es entspre-chend als „nervenferne Lage“ gewertet. Ergebnisse: Bei einer Gesamtzahl von 235 durchgeführten Punktionen gehörten 91 der niedrigen und 92 der hohen Schwellenstromgruppe an. 52 Injektionen dienten der Kontrolle und wurden bei Schwellenströmen von 1,8-2,0 mA durchgeführt. Alle Injektate der Untersuchungsgruppen mit niedrigen oder hohen Schwellenströmen konnten als „nervennahe Lagen“ klasssifiziert werden (100%). In der Gruppe der 52 Kontrollinjektate fanden sich 25 „nervennahe Lagen“ (48%) und 27 „nervenferne Lagen“(52%). Des Weiteren fanden sich drei intraneurale Kunstharzinjektate. Eines trat in der Niedrigstimulationsgruppe am Plexus brachialis auf. Zwei gehörten der Hoch-stimulationsgruppe an, davon eines am Plexus brachialis und eines am Nervus femoralis (hier nach Stimulation mit 0,85 mA). Die intraneuralen Injektate wurden nach der bereits vor Beginn der Untersuchung festgelegten Klassifikation ebenfalls als „nervennahe Lagen“ gewertet. Fazit: Die Nutzung höherer Reizstromschwellen hat in dieser Untersuchung nicht zu ei-ner geringeren Anzahl von Kunstharz-Epineurium-Kontakten im Vergleich zu der Anzahl nach Nutzung niedrigerer Reizstomschwellen geführt. Beim Schwein führt die Anwendung höherer und niedrigerer elektrischer Reizströme als derzeit klinisch üblich zu gleichen Lokalisationen der Nadelspitzen in Bezug auf den Nerv. Ausblick: Die Theorie, dass eine niedrigere Reizstromstärke einhergeht mit einer größeren Nähe zum stimulierten Nerven scheint sich in dieser Studie bei Betrachtung der Kontrollgruppe zu bestätigen. Die Ergebnisse lassen aber auch annehmen, dass die Nähe der Nadel zum Nerven bei erfolgreicher elektrischer Nervenstimulation mit Reizstromschwellen ≤ 1,0 mA nicht mehr sehr stark differiert. Nervenblockaden könnten auch unter Nutzung höherer Reizstromschwellen erfolgreich möglich sein. Das würde möglicherweise die Sicherheit des Verfahrens der peripheren Nervenblockade erhöhen und die Durchführungszeit verkürzen. Die Ergebnisse des Schweinemodelles auf die Anwendbarkeit am Menschen zu prüfen bleibt Aufgabe weiterer klinischer Studien.
DOI:10.17192/z2010.0712