Neues aus der Chemie superbasischer Protonenschwämme auf Basis von Guanidin-, Iminophosphoran- und Sulfoximin-Pinzettenliganden für Protonen

Protonenschwämme sind neutrale organische Basen mit chelatisierender Protonen-Akzeptorfunktion. Das klassische Beispiel hierfür ist 1,8-Bis-(dimethylamino)naphthalin (DMAN), erstmalig von Alder et al. vorgestellt. DMAN besitzt einen pKBH+(MeCN)-Wert von 18.2. Im Laufe der Zeit wurden neue und innova...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Abacilar, Nuri Cenap
Beteiligte: Sundermeyer, Jörg (Prof.) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2009
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Protonenschwämme sind neutrale organische Basen mit chelatisierender Protonen-Akzeptorfunktion. Das klassische Beispiel hierfür ist 1,8-Bis-(dimethylamino)naphthalin (DMAN), erstmalig von Alder et al. vorgestellt. DMAN besitzt einen pKBH+(MeCN)-Wert von 18.2. Im Laufe der Zeit wurden neue und innovative Protonenschwämme auf Basis von Alders Konzept synthetisiert und charakterisiert, die sowohl eine wesentlich höhere thermodynamische Basizität als auch eine bessere kinetische Aktivität zeigen. In unserer Arbeitsgruppe wurden 1,8-Bis-(tetramethylguanidino)naphthalin (TMGN), 1,8-Bis-(dimethylethylenguanidino)naphthalin (DMEGN) und 1,8-Bis-(hexamethyliminophosphoranyl)naphthalin (HMPN) synthetisiert und charakterisiert. Ziel dieser Arbeit war die Steigerung der thermodynamischen Basizität Naphthalin-1,8-diyl-basierter Protonenschwämme und die Suche nach neuen Anwendungsfeldern. Unter anderem gelang dies, indem ein neuer Protonenschwamm (DIAN) aus der Gruppe der 1,8-Bis-(guanidino)naphthaline synthetisiert wurde. Die strukturellen und spektroskopischen Daten dieses perfekten „Chelat- bzw. Pinzettenliganden“ für ein Proton wurden diskutiert. Die thermodynamische Basizität wurde bestimmt und das Hydrolyseverhalten sowie die nukleophilen Eigenschaften gegenüber Ethyliodid experimentell untersucht und diskutiert. Außerdem wurde die kinetische Barriere der Protonenselbstaustausch-Reaktion von DIAN und [DIAN-H]PF6 über NMR-Linienformanalyse mittels der Eyring-Gleichung zu 49.6 kJ/mol bestimmt. Der pKBH+-Wert vom DIAN wurde mittels der 1H-NMR-Titrationsmethode mit TMGN als Bezugsbase ermittelt. Im Vergleich zu TMGN (pKBH+(MeCN) = 25.1) und DMEGN (pKBH+(MeCN) = 23.0 (theoretisch)) besitzt DIAN einen höheren pKBH+ -Wert von ca. 26.4 in Acetonitril. Die höhere Basizität von DIAN gegenüber TMGN bzw. DMEGN ist im Wesentlichen auf die höhere Polarität der exozyklischen C-N-Bindung durch Stabilisierung des Carbenium-Zentrums +CN3 im aromatischen Imidazolium-System zurückzuführen. Ein weiteres Ziel war die Steigerung der thermodynamischen Basizität von Bisphosphazen-Protonenschwämmen. Es wurden verschiedene Synthesestrategien für den Aufbau 1,8-disubstituierter Naphthaline und sterisch anspruchsvoller Phosphor-Verbindungen der Typen PR3, R3P=NH und X-+PR3 (R = NMe2, NMeR, N=C(NMe2)2 etc.) erprobt. Um dies zu realisieren wurden unterschiedliche Derivate der P-Elektrophile, der P-Nukleophile und der N-Nukleophile dargestellt. Die Staudinger-Variante erwies sich als die erfolgsversprechende Route. Zwar konnte bis heute das superbasische Phosphor(III)-guanidin trotz der Bemühungen auch anderer Gruppen nicht isoliert werden, aber die Reaktion des 1,8-Diazidonaphthalins mit dem Phosphor(III)-amide lieferte einen neuen Weg über das Bisphosphazid zu dem bekannten HMPN. Unter anderem konnte Bis-(triazenido)phosphoranylnaphthalin isoliert und charakterisiert werden. Schließlich liefert die Staudinger-Reaktion mit dem Verkade-Azaphosphatran das neue 1,8-Bis-(azaphosphatranyl)naphthalin (APAN). Laut DFT-Rechnungen von Maksić et al. besitzt 1,8-Bis-(azaphosphatranyl)naphthalin in der Gasphase eine Protonenaffinität von 278.0 kcal/mol. Dieser Wert liegt höher als bei HMPN (274.0 kcal/mol), sodass APAN einen höheren pKBH+-Wert als HMPN (pKBH+(MeCN) = 29.9) aufweisen sollte. Die freie Base APAN wurde mit der Säure (CF3SO2)2NH protoniert und so die konjugierte Säure von APAN dargestellt. Nicht nur Protonenschwämme auf Basis von Iminophosphoran-Pinzettenliganden, sondern auch solche auf Basis von Sulfoximinen rückten ins Zentrum des Interesses. Bolm et al. haben mittels einer doppelten Kreuzkupplungsreaktion 1,8-Bis-((S)-S-methyl-S-phenylsulfoximinyl)naphthalin ((S,S)-MPSIN) synthetisiert. In einer Kooperation mit der AG Bolm wurden in dieser Arbeit die Basizität, das Hydrolyseverhalten und die Nukleophilie von (S,S)-MPSIN gegenüber Ethyliodid experimentell untersucht und diskutiert. Es wurden Einkristalle von (S,S)-MPSIN und dessen korrespondierender Säure [(S,S)-MPSIN-H]BF4 gewonnen und ihre Struktur aufgeklärt. Es stellte sich heraus, dass die thermodynamische Basizität von (S,S)-MPSIN wie erwartet deutlich niedriger ist als diejenige der Guanidin-Protonenschwämme. Die Basizität von (S,S)-MPSIN liegt zwischen der von Triflat und Wasser, wobei Wasser in der Lage ist, [(S,S)-MPSIN-H]+ zu deprotonieren. Obwohl (S,S)-MPSIN strukturelle Verwandtschaft zu den Guanidin-Protonenschwämmen aufweist, ist (S,S)-MPSIN keine ausgesprochen gute Base, [(S,S)-MPSIN-H]+ ist vielmehr eine mäßig starke Säure, deutlich azider als beispielsweise das Ammonium-Kation. Die Aktivierungsenergie für den Protonenselbstaustausch als Maß für die kinetische Aktivität von (S,S)-MPSIN wurde ebenfalls mittels NMR-Linienformanalyse nach der Eyring-Gleichung zu 39.5 kJ/mol bestimmt. Im zweiten Teil dieser Arbeit wurde versucht, neue Anwendungsfelder für Protonenschwämme in der organischen und metallorganischen Chemie zu finden. Bei der Charakterisierung der Protonenschwämme wurde die nukleophile Reaktivität gegenüber Ethyliodid experimentell bestimmt. Trotz ihrer hohen thermodynamischen Basizität zeigen sie eine relativ geringe Nukleophilie. Im Gegensatz zu Ethyliodid sind CH2X2 (X = Cl, Br) reaktionsträge. Die Protonenschwämme zeigen mit Dichlormethan bei 25 °C keinen Umsatz, gegenüber Dibrommethan ist jedoch vor allem HMPN reaktiv. Es zeigt sich eine Konkurrenz zwischen der Säure-Base-Reaktion unter HBr-Eliminierung und der Aktivierung von Dibrommethan im Sinne einer doppelten nukleophilen Substitutionsreaktion. Das Aktivierungsprodukt entsteht im Verhältnis zwei zu eins zur konjugierten Säure von HMPN. Bezüglich der nukleophilen Substitution an CH2Br2 sind die Guanidin-Protonenschwämme TMGN und DIAN weitgehend reaktionsträge. Die Guanidin- und Iminophosphoran-Protonenschwämme sind perfekte Protonenakzeptor-liganden. Bisher war allerdings wenig bekannt über mögliche Ligandeneigenschaften gegenüber Lewis-Säuren. Für die Untersuchung der Donoreigenschaften wurde stellvertretend für die Klasse der Guanidin-Protonenschwämme TMGN eingesetzt, als Lewis-Säure wurde zunächst BeCl2 gewählt. Durch die Koordination von BeCl2 an den chelatisierenden Liganden TMGN entsteht ein tetraedrischer Beryllium-Komplex. [(TMGN)BeCl2] ist der erste Beryllium-Komplex mit einem Guanidin-Ligandenregime. Die Darstellung eines einzigartigen resonanzstabilisierten, kationischen, trigonal-planaren Beryllium-Komplexes [(TMGN)BeCl]+ durch Chloridabstraktion gelang nicht. Jüngste Arbeiten von Himmel et al. zeigen, dass TMGN in der Lage, ist Pd(II)- und Pt(II)-Kationen zu koordinieren. Diese Komplexe haben als Katalysatoren in Heck-Reaktionen ihre Anwendung gefunden. Da im Rahmen dieser Arbeit die Buchwald-Hartwig-Reaktion als Beispiel für eine C-N-Kreuzkupplungsreaktion herangezogen wurde, lag es nahe, in Amidierungsreaktionen des Iodbenzols nach Buchwald die gängigen Diaminliganden durch Bisguanidin-Liganden zu ersetzen. In diesem Zusammenhang wurden die Cu(I)-Halogenido-Komplexe von TMGN charakterisiert. Diese Komplexe wurden neben Komplexen weiterer Liganden DIAN, HMPN, 1,2-Bis-(1,1,3,3-tetramethylguanidino)ethan (TMGE) und 1,2-Bis-(1,3-diisopropylguanidino)ethan (IGE) als Katalysatoren in der C-N-Kupplung getestet. Es wurde gezeigt, dass die Guanidin-Kupfer(I)-Komplexe solch eine Amidierungsreaktion von Arylhalogeniden katalysieren können. Aber die Hoffnung, dass TMGN zu einer wesentlich höheren Aktivität führen könnte als spezielle Diaminliganden, wie N,N’-Dimethylethylendiamin, erfüllte sich nicht. Die beste Aktivität zeigte das Guanidin-Ligand IGE. Eine weitere Anwendung ist die in dieser Arbeit erstmalig beobachtete Protolyse von molekularem Wasserstoff mit den Guanidin-Protonenschwämmen 1,8-Bis-(dimethylethylenguanidin)naphthalin DMEGN bzw. TMGN in Gegenwart von Tris-(pentafluorophenyl)boran BCF. [TMGN-H][H-BCF] und [DMEGN-H][H-BCF] (58) konnten rein isoliert und vollständig charakterisiert werden. Der weniger basische klassische Protonenschwamm DMAN ist unter gleichen Bedingungen nicht in der Lage, molekularen Wasserstoff zu spalten. HMPN und DIAN, die eine höhere Basizität als DMEGN und TMGN aufweisen, gehen auch in Abwesenheit von Wasserstoff mit BCF unselektive Reaktionen ein. Diese Arbeit bereicherte die Klasse superbasischer Protonenschwämme um zwei neue Vertreter, APAN und DIAN; der dritte, (S,S)-MPSIN, basierend auf Sulfoximin-Pinzetten entpuppte sich als wenig basisch. Die heterolytische Spaltung von molekularem Wasserstoff durch Protonenschwämme eröffnet interessante Perspektiven für zukünftige Arbeiten.
DOI:10.17192/z2010.0477