Versorgung von Rückenschmerzpatienten in hausärztlichen Praxen: Krankheitskosten und Kosten-Effektivität zweier Leitlinien-Implementierungsstrategien

Die Kreuzschmerzen (LBP) stellen eine wesentliche ökonomische Belastung des Gesundheitssystems in Industrienationen dar. Aktuelle Studien betonen die Notwendigkeit, Kreuzschmerz-Subgruppen zu identifizieren. Diese sollen dazu dienen, effektive Handlungsstrategien, die die Wirksamkeit erhöhen und Kos...

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Held, Heiko
Beteiligte: Becker, Annette (Prof. Dr. med) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2010
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Die Kreuzschmerzen (LBP) stellen eine wesentliche ökonomische Belastung des Gesundheitssystems in Industrienationen dar. Aktuelle Studien betonen die Notwendigkeit, Kreuzschmerz-Subgruppen zu identifizieren. Diese sollen dazu dienen, effektive Handlungsstrategien, die die Wirksamkeit erhöhen und Kosten senken, zu entwerfen. Diese Sekundärstudie bezieht sich auf Daten und Ergebnisse der kontrollierten, cluster-randomisierten Studie von Becker et al. (2008) [6]. Bei dieser Studie wurden 1378 Patienten (drop out 12,1%) im Umfeld hausärztlicher Praxen (n=118 Praxen; 1-20 Patienten pro Praxis, Mittelwert 11,8, SD +/- 5,8) rekrutiert. Die soziodemographischen Daten wurden per Fragebogen und Telefoninterview zu Beginn sowie nach einem follow-up sechs und zwölf Monaten später abgefragt. Die Berechnung dieser Sekundärstudie erfolgt aus gesellschaftlicher Perspektive nach dem bottom-up Ansatz. Es werden indirekte Kosten, wie Arztkontakt, Behandlung, Medikamente, Untersuchungen, Hilfsmittel, Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalte sowie direkte Kosten berücksichtigt. Die Bewertung der Preise bezieht sich auf das Jahr 2004. Patienten mit chronischen Kreuzschmerzen sind für etwa zwei Drittel der Kosten verantwortlich. Für 80% der Gesamtkosten ist ein kleines Patientenkollektiv (20%) verantwortlich. Ein hoher Chronizitätsgrad (von Korff Grad IV) ist der bedeutendste Vorhersagewert für hohe direkte, indirekte und Gesamtkosten. Weitere Prädiktoren für hohe Gesamtkosten sind Depression und die eigene Prognose des Patienten wieder an die Arbeit zurückzukehren sowie für hohe direkte Kosten die Schmerzausstrahlung in ein Bein. Bei der Berechnung der Kosteneffektivität im Rahmen einer Leitlinienimplementierung bezüglich Funktionskapazität und Lebensqualität zeigt sich ein Vorteil des MC-Studienarms (Leitlinie + motivierendes Gespräch) gegenüber dem LL-Studienarm (Leitlinie). Bei der Beurteilung der Schmerztage verhält es sich umgekehrt. Graphisch (Bootstrap) lässt sich eine Tendenz der Überlegenheit der MC- gegenüber der LL-Gruppe bestätigen. Bezüglich der Versorgungskosten wird kein Vorteil gegenüber der Kontrollgruppe deutlich. Die vorliegende Studie ergänzt wichtige Informationen, um die Zusammensetzung der Aufwendungen und relevanten Prädiktoren der hohen Gesundheitsausgaben zu verstehen. Nicht allein die Schwere der Erkrankung, sondern auch das hohe Angstvermeidungsverhalten (fear avoidence beliefs) spielt eine entscheidende Rolle. Gesundheitsökonomisch sind vor allem die Arbeitnehmer als Patienten hervorzuheben, da sie durch ihre Erkrankung und der damit verbundenen Fehlzeit am Arbeitsplatz hohe Kosten verursachen, die sich vor allem in dem durch Arbeitskraftausfall entstandenen wirtschaftlichen Schaden äußert. Aufgrund der ungleichen Ausgangslage der Studienarme zu Studienbeginn ist eine Deutung schwierig. Insgesamt lässt sich jedoch die Tendenz erkennen, dass die MC-Gruppe der LL-Gruppe in der Kosteneffektivität überlegen ist, wenn auch nicht signifikant. Weitere und größere Studien sind notwendig, um Informationen über potentielle Vorhersagewerte der Erkrankung zu bestätigen oder zu ergänzen, damit diese zur gesundheitspolitischen Entscheidung beitragen können und um die Überlegenheit des motivierenden Gesprächs im Rahmen einer Leitlinienimplementierung gegenüber der einfachen Leitlinienimplementierung bestätigen zu können.
DOI:10.17192/z2010.0258