Theory of the paranoid mind: Sozial-kognitive Verarbeitungsstile, emotionale Prozesse und Verfolgungswahn bei Patienten mit schizophrenen Störungen

Ziel der vorliegenden Dissertation ist die Prüfung von Annahmen psychologischer Modelle zur Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verfolgungswahn, die die Rolle spezifischer sozial-kognitiver Verarbeitungsstile und emotionaler Prozesse betonen. Zu den sozial-kognitiven Verarbeitungssti...

Ausführliche Beschreibung

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Bibliographische Detailangaben
1. Verfasser: Mehl, Stephanie
Beteiligte: Rief, Winfried (Prof. Dr. ) (BetreuerIn (Doktorarbeit))
Format: Dissertation
Sprache:Deutsch
Veröffentlicht: Philipps-Universität Marburg 2010
Schlagworte:
Online Zugang:PDF-Volltext
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Beschreibung
Zusammenfassung:Ziel der vorliegenden Dissertation ist die Prüfung von Annahmen psychologischer Modelle zur Erklärung der Entstehung und Aufrechterhaltung von Verfolgungswahn, die die Rolle spezifischer sozial-kognitiver Verarbeitungsstile und emotionaler Prozesse betonen. Zu den sozial-kognitiven Verarbeitungsstilen wird der Attributionsstil gezählt, d.h. die Tendenz, negative Ereignisse auf externe Faktoren (andere Personen/Zufall) zurückzuführen, Defizite in der Theory of Mind (ToM; Premack; Woodruff, 1978), der Fähigkeit, korrekte Schlussfolgerungen über Intentionen, Emotionen und Verhalten anderer Menschen zu ziehen, und drittens die Tendenz, voreilige Schlussfolgerungen zu ziehen. Neuere kognitiv-behaviorale Interventionsstrategien setzen an den sozial-kognitiven und emotionalen Verarbeitungsstilen an, um eine Reduktion von Verfolgungswahn sowie eine verbesserte Lebensqualität zu bewirken. Jedoch sind die genauen Prozesse, durch die die spezifischen sozial-kognitiven Verarbeitungsstile und emotionalen Faktoren die Entstehung und Aufrechterhaltung wahnhafter Überzeugungen beeinflussen, noch nicht hinreichend untersucht. Die wesentlichen Zielsetzung des Dissertationsprojekts besteht somit darin, zugrunde liegende Mechanismen der sozial-kognitiven Verarbeitungsstile und emotionalen Prozesse zu untersuchen und dadurch die Weiterentwicklung kognitiv-behavioraler Interventionen für diese Patientengruppe voranzutreiben. Die Untersuchung erfolgte als Querschnittsdesign, bei dem insgesamt 63 Patienten mit schizophrenen Störungen mit 63 gesunden Kontrollprobanden verglichen wurden. Das erste Ziel war zu prüfen, ob bei Patienten mit akuten paranoiden Wahnvorstellungen ein implizit selbstabwertender Attributionsstil sowie ein implizit niedriger Selbstwert vorliegt. Dabei wurde ein modifiziertes Messinstrument zur Untersuchung des impliziten Attributionsstils verwendet, welches zwischen drei Attributionsloci (internal, external-personal und external-situational) differenzierte, statt zwischen zwei Attributionsloci wie in bisherigen Studien. Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen einen implizit selbstabwertenden Attributionsstil bei Patienten mit paranoidem Wahn: Im Vergleich zu Patienten mit remittiertem Wahn und Kontrollprobanden attribuierten Patienten mit akutem Verfolgungswahn negative Ereignisse eher auf ihre eigene Person, während sie positive Ereignisse auf situationale Faktoren zurückführten. Der explizite Attributionsstil von Patienten mit paranoiden Wahnüberzeugungen war vergleichbar mit der Kontrollgruppe. Patienten mit akutem Verfolgungswahn, die einen selbstabwertenden impliziten Kausalattributionsstil aufwiesen, zeigten mit erhöhter Wahrscheinlichkeit auch einen niedrigeren impliziten Selbstwert. Generell war bei Patienten mit Verfolgungswahn ein instabiles Selbstkonzept festzustellen (normaler impliziter Selbstwert und niedriger expliziter Selbstwert). Das zweite Ziel bestand in der Testung eines spezifischen Zusammenhangs zwischen einem Aspekt der ToM-Fähigkeit, nämlich der Fähigkeit, in sozialen Situationen korrekte Schlussfolgerungen über Intentionen anderer Menschen zu ziehen, und dem Vorliegen paranoider Überzeugungen. Die Überprüfung erfolgte mit einer im Rahmen der vorliegenden Dissertation neu entwickelten ToM-Aufgabe, in der den Probanden soziale Situationen in Form von Filmsequenzen gezeigt wurden. Aufgabe der Probanden war es, Fragen bezüglich der Intentionen und der Emotionen der Filmcharaktere zu beantworten. Die Ergebnisse belegen einen spezifischen Zusammenhang zwischen Problemen im Treffen korrekter Schlussfolgerungen über Intentionen und dem Ausprägungsgrad allgemeiner Wahnüberzeugungen, der auch nach Kontrolle von Defiziten in exekutiven Funktionen bestehen blieb. Das dritte Ziel bestand in der Untersuchung der Hypothese, dass Defizite in der ToM-Fähigkeit und im autobiographischen Gedächtnis in Zusammenhang mit Problemen in der sozialen Kompetenz schizophrener Patienten stehen. Die Ergebnisse bestätigen diese Hypothese und weisen sogar darauf hin, dass Defizite in der ToM-Fähigkeit, Schlussfolgerungen über Emotionen anderer Menschen in sozialen Situationen zu treffen und Defizite im Abruf autobiographischer Erinnerungen besser die soziale Kompetenz vorhersagen als die klinische Symptomatik der Patienten und neuropsychologische Defizite. Insgesamt konnte im vorliegenden Dissertationsprojekt ein Beitrag zum Verständnis der psychologischen Modelle zur Erklärung der Entwicklung und Aufrechterhaltung wahnhafter Überzeugungen geleistet werden. Die Ergebnisse belegen die Notwendigkeit der Weiterentwicklung kognitiv-behavioraler Interventionen im Bereich der Verbesserung von sozial-kognitiven Fähigkeiten und emotionalen Problemen von Patienten mit Verfolgungswahn.
DOI:10.17192/z2010.0148